Kapitel 24

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Leilas Sicht

Mein erster Eindruck von Berlin war laut und riesig. Es wimmelte an Menschen und ich hörte Sprachen, welche ich noch nie gehört hatte. Hamburg war auch groß gewesen, aber nichts im Vergleich zu Berlin. Trotzdem hatte sich in mir eine kleine Vorfreude breit gemacht, die ein Glücksgefühl in mir auslöste. Ich wollte Berlin, die Stadt von der Kilian immer erzählt hatte, kennenlernen und ich liebte es neue Sachen zu entdecken. Seit wir aus dem Zug ausgestiegen waren, war Mia wach und schaute sich überall neugierig um. Ich hatte im Zug ein paar Anrufe getätigt und spontan ein kleines Hotel in der Nähe des Hauptbahnhofes gefunden. So das wir uns noch nicht mal ein Taxi besorgen mussten. Mittlerweile war es draußen sowieso schon dunkel und ich bezweifelte, dass Berlin nachts ein sicheres Pflaster war. Das Hotel war zwar spärlich eingerichtet, aber hatte dafür alles wichtige, was ich brauchte. Ich hatte ein kleines Zimmer im dritten Stock bekommen und stellte die Reisetasche erleichtert auf dem Bett ab. Mia hatte ich auf dem Bett abgelegt und sie sah aus, als wäre sie kurz davor in den Schlaf abzudriften. Immer wieder fielen ihr die Augen zu und ihr Mund formte sich ganz süß zu einem Gähnen. Sie sah wirklich zum Knuddeln aus. Ich beschloss schon mal ein ein paar Klamotten in den Schrank zu räumen und legte unsere Kleidung für den nächsten Tag raus. Laut Plan gab es Frühstück von sieben bis elf Uhr, daher stellte ich den Wecker auf acht Uhr, da ich so früh wie möglich etwas von Berlin sehen wollte. Bevor ich mich zu Mia legte, checkte ich nochmal mein Handy und entdeckte zu meiner Überraschung eine Nachricht von Wincent. "Ich hoffe du schläfst noch nicht und meine Nachricht weckt dich. Danke für deine Überredungskünste vorhin am Telefon bezüglich des Films. Ich soll dir auch ein Danke von meiner Mutter ausrichten. Ich habe schon lange nicht mehr so viel gelacht und dadurch einen wunderschönen Abend mit meiner Familie verbracht. Ich melde mich morgen, wenn ich in Berlin bin. Ich freu mich und schlaf gut. Wincent". Ein ungläubiges Lächeln huschte mir über mein Gesicht, da ich es nicht fassen konnte, dass er sich wirklich wegen mir den Film angeschaut hatte. Ich schrieb ihm eine kurze Nachricht zurück, dass ich ihm eine gute Nacht wünschte und mich auf morgen freute. Leise legte ich mich neben Mia, welche schon tief und fest schlief, um wenig später selbst ins Land der Träume abzudriften.

Das schrille Klingeln meines Handyweckers weckte mich und ich rieb mir müde meine Augen. Die Nacht war eindeutig zu kurz gewesen, da ich zweimal aufgestanden war, weil Mia Hunger hatte. Dadurch, dass ich Mia nicht stillen konnte, gab ich ihr nachts meisten zwei bis dreimal die Flasche. Danach schlief sie direkt wieder ein, wobei ich oft noch stundenlang an die Decke starrte und versuchte Ordnung in mein Gedankenchaos zu bekommen. Denn obwohl uns so viele Kilometer von Hamburg trennten und ich keine Panik mehr hatte, dass ich Killian auf der Straße begegnen würde, verfolgte er mich in meinen Gedanken. Mia war natürlich schon hellwach und strahlte mich mit ihren Augen an. "Guten Morgen Schatz, auch schon wach", begrüßte ich sie und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. Mia war die einzige, welche mich ablenkte und mich auf andere Gedanken brachte. Sie war morgens immer gutgelaunt, was mir jedesmal ein neues Rätsel war. Das hatte sie auf jeden Fall nicht von Maja, die war nämlich ein noch schlimmerer Morgenmuffel als ich gewesen. Seufzend wälzte ich mich aus dem Bett und zog die Vorhänge zur Seite. Müde streckte ich mich und ließ meinen Blick über den Bahnhofsplatz wandern. Der Himmel war wolkenverhangen und es sah aus, als könnte man heute vielleicht mit Schnee rechnen. Die Vorstellung von einem verschneiten Berlin hebte für einen kurzen Augenblick meine Laune, bevor ich Mia auf meine Arme hob und mit ihr ins Bad verschwand. Nachdem ich Mia und mich fertiggemacht hatte und wir, dass Frühstück in einem überfüllten Frühstückssaal überstanden hatten, holte ich mir noch ein paar Infos über Berlin an der Rezeption ein. Da mir der Maxi-Cosi zu sperrig für die Stadt und zu schwer zum Tragen war, hatte ich Mia in ein rosa Tragetuch gewickelt, welches eng an meinem Oberkörper lag. Mia schien es zu gefallen, da sie nach wenigen Minuten schon wieder eingeschlafen war. So hatte ich wenigstens meine beiden Hände frei und konnte immer wieder einen Blick auf Google Maps auf meinem Handy werfen. Ich hatte mir an der Rezeption einen Flyer für eine Stadtrundfahrt mitgeben lassen und beschlossen mir erstmal per Bus einen Überblick zu schaffen. Die nächste Bushaltestelle lag zum Glück direkt in der Nähe und es war kaum etwas los. Dadurch, dass die meisten Touristen direkt nach oben auf das Außendeck strömten hatte ich den kompletten unteren Teil für mich alleine. Laut Fahrplan sollte der Bus alle wichtigen Sehenswürdigkeiten abfahren und man konnte jederzeit aussteigen, was mit einem Baby relativ gut war. Ich hatte mich an die Fensterfront gesetzt, damit ich etwas sehen konnte und strich Mia, welche im Schlaf leise Geräusche von sich gab, über den Kopf. Spätestens in zwei Stunden würde Mia wieder wach werden, weil sie Hunger hatte. Daher hoffte ich einigermaßen etwas von Berlin zusehen, bevor sie wieder aufwachte. Ich ließ meinen Blick auf mein Handy wandern, um das erste Mal für heute meine Nachrichten zu checken. Natürlich blinkte Kilian mehrmals auf sowie meine Mutter und ein paar unbekannte Nummern. Genervt wischte ich sie alle weg und konnte jetzt wieder mein Hintergrundbild erkennen. Ein lachendes Selfie von Maja und mir, bis vor ein paar Tagen war es noch ein Bild von Kilian und mir gewesen, was jetzt der Vergangenheit angehörte. Nur eins von vielen Teilen, was jetzt zu meiner Vergangenheit gehörte.

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