Kapitel 20

1.2K 37 5
                                    

Leilas Sicht

"Sie müssen hier nochmal unterschreiben und hier oben nochmal. Dann wären alle Formalitäten erledigt." Ich setzte überall meine Unterschrift drunter und sah immer wieder zu Mia rüber, welche seelenruhig im Maxi Cosi schlief, welchen ich in Majas Wohnung gefunden hatte. Bis jetzt lief alles glatt, ich hatte die Entlassungspapiere unterschrieben und scheinbar war noch niemand vom Jugendamt informiert wurden. Was jedoch nur noch eine Frage der Zeit war, daher hatte ich es ziemlich eilig wegzukommen. "Das wäre dann alles, Frau Mirsbach. Ich bin wirklich glücklich, dass Mia bei Ihnen aufwachsen kann. Sie wird sich sicher schnell bei Ihnen einleben." Ich nickte. "Ja, ich hoffe, dass alles klappt, wie ich es mir vorstelle." "Davon bin ich überzeugt und Sie können sich jederzeit hier melden, wenn Sie Hilfe benötigen. Aber Ihr Verlobter wird Ihnen bestimmt eine riesige Stütze sein. Mein Kollege hat mir erzählt, dass Sie mit Kilian Breumer zusammen sind und er schon ein paar Mal mit war. Davon haben Sie gar nichts erzählt. Da haben Sie einen wirklich Glücksgriff gemacht. Die Krankenschwestern auf der Station sind schon ganz neidisch." Bei den Worten des Oberarztes musste ich mich schwer zusammen reißen, um nicht laut loszulachen, so absurd war die ganze Situation. Kilian war wohl eher ein Griff ins Klo und war nie mit im Krankenhaus gewesen. Sein Kollege meinte wahrscheinlich eher Wincent, welcher am Anfang mit dabei war. Aber, der war leider nicht mein Freund. Ich schlug mir mit der Hand überrascht auf den Mund, wo wanderten schon wieder meine Gedanken hin. Ich kannte Wincent doch überhaupt nicht. "Alles in Ordnung?", hörte ich den Oberarzt fragen. "Äh ja, entschuldigen Sie. Ich habe noch einen Termin, welchen ich komplett vergessen habe. Tut mir wirklich leid, aber ich muss los." "Ja, natürlich. Ich möchte Sie nicht aufhalten", erwiderte er verwirrt. "Dankeschön." Ich stopfte die Entlassungspapiere in meine Tasche und gab dem Arzt zum Abschied nochmal die Hand, bevor ich die Station verließ. Die Treppenstufen zum Erdgeschoss nahm ich im Laufschritt, obwohl ich rechts den Maxi Cosi umklammert hielt und um meine linke Schulter die Tragetasche baumelte. Da ich Panik hatte, dass der Aufzug zu langsam war und Kilian in der Zeit im Krankenhaus anrufen könnte. Mein Handy hatte ich beim Verlassen der Station auf Flugmodus gestellt und bewegte mich jetzt schnurstracks auf die nächste S-Bahn Haltestelle zu. Ich hatte heute Morgen schon nach Hotels am Laptop gegoogelt und war auf ein kleines Bed and Breakfast Hotel gestoßen, welches noch mehrere Zimmer frei hatte. Natürlich hatte ich danach meinen kompletten Suchverlauf gelöscht, da mir klar war, dass Kilian alles auf den Kopf stellen würde, wenn ich von der Bildfläche verschwinden würde. Daher lag das Hotel auch am Stadtrand von Hamburg, am anderen Ende von unserem Wohnviertel. Mia schlief zu meiner Verwunderung immer noch, doch ich hatte schon im Krankenhaus festgestellt, dass sie eher ein ruhiges Baby war und selten weinte. Stattdessen lachte Mia einen viel an oder schlief wie jetzt. Ständig schaute ich mich um, da ich Angst hatte, dass irgendjemand mich erkannte und mich ansprach. Doch bis zur S-Bahn Haltestelle war es ruhig und ich stellte den Maxi Cosi erleichtert ab. Wir hatten mittlerweile späten Vormittag und es wimmelte an Schulkindern. Als die S-Bahn hielt, ließ ich erstmal die ganzen Schulkinder vor, bevor ich selber einstieg. Ich bezahlte bis zur Endhaltestation und ließ mich direkt hinterm Fahrer nieder. In der S-Bahn war es schön warm, so dass ich meine Jacke öffnete. Nach einer halben Stunde Fahrt befanden wir uns endlich am äußersten Rand von Hamburg und in mir machte sich endlich Erleichterung breit, als die Endhaltestation angesagt wurde. Laut Google Maps war das Hotel nur zwei Straßenabschnitte entfernt. Seit wir ausgestiegen waren, blinzelte Mia immer wieder, doch schlussendlich fielen ihr wieder die Augen zu. Ich hatte sie extra warm eingepackt und ihr sogar eine kleine Mütze aufgesetzt. Das Hotel hatte draußen überall Weihnachtsbeleuchtung hängen und sah urgemütlich aus. Weihnachten war für mich extrem weit weg. Ich hatte Weihnachten schon wieder komplett vergessen und hatte Zuhause überhaupt nichts weihnachtlich eingerichtet. Hier würde Mia sich bestimmt wohler fühlen, als bei uns Zuhause. Die Frau hinter der Rezeption war eine ältere Dame, welche von Mia sofort hin und weg war. Sie gab mir sogar einen Zimmerschlüssel für ein größeres Zimmer, damit ich für Mia und mich genug Platz hatte. Als ich das Hotelzimmer betrat, erinnerte ich mich direkt wieder an den Hotelzimmeraufenthalt mit Wincent und musste trotz der ganzen verfahrenen Situation lächeln. Ich musste Wincent unbedingt anrufen, wenn ich Zeit hatte. Vorsichtig stellte ich den Maxi Cosi ab und schaute in ein paar lachende Augen. Ich hob Mia hoch und ein Glucksen entwich ihrem Mund. Sofort musste ich mitgrinsen und drückte Mia an mich. "Ich habe dich so lieb kleine Maus. Das kannst du dir gar nicht vorstellen." Als Antwort zog sie mir fröhlich lachend an meinen Haarsträhnen, welche aus meiner Hochsteckfrisur gefallen waren. "Mia", lachend versuchte ich meine Haarsträhnen aus ihren Fingern zu befreien und drehte mich zum Fenster. "Schau mal Mia", versuchte ich sie abzulenken und zeigte auf den Garten, welcher sich unter uns erstreckte. In einem riesigen Obstbaum hing eine Lichterkette und ein Weihnachtsmann mit roter Mütze stand unter ihm. "Der Winter wird so schön und ich werde dir soviel wie möglich von ihm zeigen. Ich bin mir sicher, es fällt bald Schnee, dann wirkt alles noch schöner und glitzernder, fast unwirklich." Ich war mir sicher, dass Mia kein Wort von dem verstand, was ich sagte. Doch sie hatte mittlerweile meine Haarsträhne losgelassen und schaute ganz fasziniert aus dem Fenster. Für einen Moment wirkte meine Probleme ganz weit weg, hier waren nur Mia und ich. In unseren kleinen Welt, wo für einen Augenblick alle perfekt war. Und für den Moment war dies alles, was ich brauchte.

Ein Teil von dir, ist immer noch hierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt