Kapitel 3

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Leilas Sicht

Tränenüberströmt ließ ich mich auf den Boden gleiten. Ich hörte irgendjemanden meinen Namen rufen und dann umfingen mich zwei Arme. Ich ließ es einfach zu, da ich wusste, dass sie Wincent gehörten. Er sagte zum Glück nichts, sondern hielt mich einfach fest. Ich spürte wie Wincent mir nach einiger Zeit eine Strähne aus dem Gesicht strich und blickte zu ihm hoch. "Der Fußboden ist eiskalt, du solltest dich wenigstens hinsetzen." Ich schüttelte den Kopf. "Ich möchte einfach nur raus hier", flüsterte ich. Wincent schaute auf die Uhr. "Wir haben schon 2:00 Uhr nachts. In dem Zustand lasse ich dich nicht mehr fahren." 2:00 Uhr, dass Festival wäre schon längst zu Ende gewesen. Kilian! Ich hatte niemandem aus meiner Familie Bescheid gesagt. Wo hatte ich überhaupt meine Tasche und mein Handy gelassen. "Wir können ein Hotelzimmer in Hamburg nehmen", unterbrach Wincent meine Gedanken. "Ich weiß nicht, wo meine Tasche mit Portmonee ist." "Lass das mal mein Problem sein", hörte ich ihn sagen. Ich zögerte sollte ich wirklich mit einem Fremden in ein Hotel gehen, aber die Fahrt nach Hause traute ich mir wirklich nicht mehr zu und Kilians Nummer kannte ich auch nicht auswendig. Und dann Maja, dass Baby. Mein ganzer Kopf schwirrte voll mit Problemen. Wincent bemerkte mein Zögern. "Ich weiß du kennst mich nicht, aber du kannst mir wirklich vertrauen und du würdest mir wirklich einen Gefallen tun, wenn du die Nacht in Hamburg verbringen würdest." Ich nickte, was sollte es, wir waren sowieso mit Majas Auto hier und Kilian konnte ich ohne Handy auch nicht erreichen. Wincent gab an der Rezeption seine Handynummer an, damit das Krankenhaus uns erreichen konnte. Draußen war es relativ düster und kalt. Da ich noch immer mein blutverschmiertes Top anhatte, spürte ich sofort wie die Kälte meine Arme hochkroch. Wincent reichte mir wortlos seinen Kapuzenpullover. "Der wird doch jetzt total dreckig, wenn ich ihn überziehe und du hast doch, sonst auch nur ein T-shirt an", sagte ich abwehrend. Er verdrehte die Augen. "Nimm ihn, sonst erfrierst du mir noch." Bevor er es sich anders überlegen konnte, warf ich mir den Kapuzenpullover über, während Wincent wartete. "Ich kenne ein Hotel, das liegt nur zwei Straßen weiter, da müssten wir ein Zimmer bekommen." "Okay", flüsterte ich und folgte Wincent. "Für welchen Künstler, warst du auf dem Festival?", fragte er mich. "Eigentlich für keinen, ich wusste noch nicht mal, wer auftritt. Es war Majas Wunsch, was wirklich seltsam war." "Was ist daran seltsam?" meinte Wincent. "Sie hört nur englische Popsongs und dann, meinte sie plötzlich, sie müsste unbedingt auf dieses Festival, obwohl nur deutsche Künstler auftreten sollten." "Vielleicht hat sich ihr Geschmack geändert?" "Nein, ich meine sie ist generell nie auf Konzerte gegangen, dass war eher mein Ding, aber vielleicht irre ich mich auch einfach." "Wir sind da", hörte ich Wincent sagen. Wir standen vor einem kleinen Hotel, welches einen gemütlichen Eindruck machte. Wincent hielt mir die Tür auf, damit ich eintreten konnte. "Guten Abend", hörte ich eine Frau sagen, welche hinter der Rezeption stand. "Guten Abend", grüßte Wincent zurück. "Wir bräuchten zwei Zimmer für die restliche Nacht." Die Rezeptionistin blickte auf ihre Unterlagen. "Ich habe leider nur noch ein Zimmer frei." Ich sah Wincents fragenden Blick. "Kein Problem, dann nehmen wir gemeinsam ein Zimmer." Mittlerweile vertraute ich Wincent, ich kannte ihn zwar kaum, aber ich fühlte mich bei ihm wohl und verstanden. "Gut, hier sind die Schlüssel. 2 Etage, Zimmer 200." Das Zimmer war zwar ziemlich klein, aber hatte alle nötigen Dinge. Wincent wendete sich mir zu. "Wenn du duschen willst, kannst du das gerne machen. Ich bin nochmal kurz draußen telefonieren." Ich nickte dankend und verschwand im Bad. Nach der Dusche zog ich Wincents Kapuzenpullover wieder über, da das Top noch immer Blutflecken aufwies. Als ich das Zimmer betrat, war von Wincent nichts zu sehen. Ich betrachtete das Bett, es war ein Doppelbett, damit müssten wir uns wohl heute Nacht engagieren. Kilian müsste davon ja nichts erfahren. Ich hörte, wie die Tür aufging und Wincent mit seinem Handy in der Hand eintrat. "Tut mir leid, ich musste kurz bei ein paar Leuten Bescheid sagen, die sich Sorgen gemacht haben. Willst du auch jemanden anrufen?", fragte er. Ich schüttelte den Kopf. Kilians Nummer kannte ich nicht auswendig und wahrscheinlich, dachte er sowieso, dass Maja und ich länger machten. "Wegen dem Bett, ich kann auf der Couch schlafen, dann ist das Problem gelöst." "Nein", sagte ich sofort. "Ohne dich wüsste ich doch gar nicht, wo ich hin sollte. Da schläfst du bestimmt nicht auf der Couch." Wincent hob abwehrend die Hände. "Schon okay, dann machen wir es so." Da ich total erschöpft war und wir sowieso keine Ersatzsachen hatten, legte ich mich mit Wincents Kapuzenpullover unter die Decke. "Ich hoffe dich stört es nicht, dass ich deinen Hoodie zum Schlafen trage." Wincent grinste. "Nein, er steht dir doch gut." "Danke, Wincent. Nicht nur für den Hoodie, sondern auch für das was du machst, das Hotel, das Warten im Krankenhaus und dein Verständnis." Er ließ sich neben mir auf das Bett sinken. "Du musst dich nicht ständig bedanken, sieh es als selbstverständlich an." Ich seufzte. Kannst du das Licht ausmachen?" "Klar". Wenig später umhüllte uns komplette Dunkelheit. Ich spürte wie Wincent seinen Kopf zu mir drehte. "Gute Nacht, Leila. Schlaf gut." "Du, auch, Wincent", antwortete ich und konnte sein Lächeln in der Dunkelheit spüren, bevor ich einschlief.

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