𝙫𝙞𝙚𝙧𝙯𝙞𝙜 | 𝙝𝙤𝙩𝙩𝙞𝙚𝙨

363 45 63
                                    

JILL

Würden sie alle wissen, dass die aufgeschürften Stellen mich gerade gar nicht interessieren.

Der Schmerz war in meinem Kopf, in meiner Seele.

Wieso spukte es immer noch in meinem Kopf rum?

„Jill, rede mit mir." Noah merkte, dass es um was anderes ging. Er merkte, dass die Schürfwunden nicht der Grund für meine Schmerzen waren.

Ich war ihm gerade so unendlich dankbar und gleichzeitig beängstigte es mich. Noch niemand hatte es gemerkt und dann kam er: Er brauchte nicht einmal zehn Sekunden, um zu merken, dass etwas nicht stimmte.

„Ich k-kann nicht."

Beruhigend strich er über meinen Arm. „Lass uns erstmal vom Fußballfeld verschwinden."

Ich versuchte alleine zu laufen, doch er ließ mich nicht los. Ich wollte nicht schwach wirken, ließ seine Stütze aber zu.

Wir ließen uns auf einer Bank in dem neben dem Fußballplatz liegenden Wald wieder. Er hielt mich immer noch im Arm und musterte mich aufmerksam. Von weitem hörte man die Schreie der anderen.

Gott, womit hatte ich ihn verdient?

„Hier trink erstmal was." Woher hatte er die Flasche?

„Danke."

„Was belastet dich, Jill." Sein Satz hörte sich verdammt sanft an - dort war kein bisschen Vorwurf. Ich war nicht mal sicher, ob es überhaupt eine Frage war.

Anscheinend zu viel, Noah.

„Früher in meiner alten Stadt, da", begann ich loszureden, „da war ich in einer toxischen Freundesgruppe."

Tief Luft holen. Du kannst ihm vertrauen und es ist wichtig, dass du es erzählst, sprach ich mir selber Mut zu.

Sein aufmerksamer und liebevoller Blick ermutigte mich weiterzusprechen.

„Es ging nur darum, wer die meisten Jungs hatte und am besten bei diesen ankam. Na klar, wir mochten uns auch untereinander und unterstützten uns, hatten richtige Freundschaften, aber die waren nicht wichtiger als Jungs." Gott, ich war damals so erbärmlich gewesen.

„Man wurde immer gedrängt und unter Druck gesetzt gut bei männlichen Wesen anzukommen. Unsere Gruppe bestand nur aus hübschen Mädchen, weshalb die Jungs uns auch reihenweise hinterher rannten, dadurch aber auch oft viel zu viel wollten. Sie kannten keine Grenzen."

Noahs Finger strichen beruhigend über meinen Oberarm und hinterließen eine wohlige Gänsehaut.

„Ständig wurde man betatscht. Auf Partys war es komplett normal einfach mal an den Arsch gefasst zu werden und wenn du dich mal beschwert hast, wurdest du nur komisch angeguckt. Sei froh, dass Jungs überhaupt Interesse zeigen oder eigentlich gefällt's Dir doch hörte ich ständig, wenn ich jemandem davon erzählte. Die jüngeren dachten, dass es eine Ehre wäre, so behandelt zu werden."

Ich strich meine Haare zurück und zog meine Augenbrauen zusammen. Ich war so wütend. Wieso hatte ich damals nicht gecheckt, wie oberflächlich das alles war? Niemand hatte es auch nur annähernd hinterfragt. Ich auch nicht.

Der blonde Junge neben mir holte tief Luft, wie als wolle er was sagen, schloss dann aber seinen Mund wieder, da er merkte, dass ich noch weiterreden wollte.

„Nach und nach wurde es in gewisser Weise Alltag immer was auf den Fluren in der Schule hinterher gerufen zu bekommen, doch meistens ging es dabei nicht um mich als Jill, sondern darum, dass ich Teil der hotties war. Ich war Mitglied dieser Gruppe, also war ich automatisch heiß. Man glaubt zwar, dass diese Mitgliedschaft trotzdem das Selbstbewusstsein steigerte, aber bei mir bewirkte es eher das Gegenteil. Ständig wurde ich verglichen und dadurch wurdest du noch mehr in den Boden getrampelt."

Jill ist auf dem dritten Platz von den hotties.", verstellte ich meine Stimme. Damals hatte es mich so unendlich verletzt, doch jetzt konnte ich einfach nur noch drüber lachen.

Wie man jemanden so dermaßen nach seinem Aussehen beurteilen konnte, war mir immer noch fragwürdig.

Noah räusperte sich, ehe er leise fragte: „War das der Grund, wieso du vorhin bei Jonah so reagiert hast?"

„Ja, naja. Oftmals wurde ich gegen meinen Willen angefasst und einmal auch so, dass ich kaum atmen konnte. Ich glaube Jonah hat einfach all diese Gefühle in mir hochgebracht, indem er so von hinten kam und ich dann auch noch weniger Luft bekommen hab. Erst jetzt merk' ich, wie mich das alles mitgenommen hat." Erschöpft strich ich über mein Gesicht.

„Irgendwie hab ich's nie so wahrgenommen. Ich dachte, es ist normal, sich in der Nähe von Jungs, die man noch nicht so gut kennt verstecken zu wollen und diesen auf keinen Fall zu nah zu kommen, aber anscheinend ist es das nicht. Ich hatte gehofft hier nette, aufrichtige, tiefgründige Jungs kennenzulernen. Deshalb hab ich versucht ohne Vorurteile auf alle zuzugehen. Ich wusste, dass nicht alle Jungs so sind."

Ich lächelte Noah an. „Sieht man ja. Das perfekte Beispiel dafür sitzt gerade vor mir."

Leicht stupste ich ihn an, woraufhin er sich auf seine Unterlippe biss, um sein Grinsen zu verstecken.

„Aber Jill", wurde sein Gesichtsausdruck schlagartig ernst, „niemand darf ein Mädchen gegen seinen Willen anfassen und alles was Dir damals gesagt wurde, ist einfach Bullshit. Wenn du nicht angefasst werden möchtest, dann muss sich jeder daran halten. Gott, nur weil manche Mädchen meinen, dass du dich geehrt fühlen sollst, heißt das lange noch nicht, dass du dadurch ein schlechtes Gewissen haben musst oder so. Das ist dein Körper. Du bestimmt darüber, wer diesen berühren darf."

Du. Du darfst ihn berühren. Bei dir fühlte ich mich sicher, Noah. Ich fühlte mich geschätzt, wohl, wertvoll.

„Fick drauf was die gesagt haben. Du bist so unglaublich schön - von innen und von außen. Und wer das nicht sieht, tut mir ehrlich leid."

Mein Herz blühte gerade so dermaßen auf und seine Worte waren Balsam für meine Seele. Ich hatte lange nicht mehr Worte gehört, die so bedeutend für mich waren.

„Danke Noah."

„Und ich glaube, nein ich weiß, dass Jonah Dir nie irgendwie zu nah treten oder dich verletzten wollte. Er wollte nur gewinnen ... vielleicht ein bisschen zu doll.", verteidigte der sonst so ruhige Junge seinen Freund. Er war so unschuldig, so besonders. Wollte für alle das richtige.

„Ich weiß. Ich bin ihm nicht böse. Außerdem hab ich somit gemerkt, dass es mich doch noch mehr belastet, als gedacht - ich muss glaub ich endgültig den Kontakt zu meinem alten Leben kapseln und jetzt hier leben. Bei dir und all den anderen tollen Leuten." Es fühlte sich gut an, so etwas zu sagen. Automatisch schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen.

„Das hört sich nach einem guten Plan an. Und wenn was ist, kannst du immer zu mir kommen."

Ich war ihm so unglaublich dankbar. Er selber trug eine Last auf den Schultern, die mir noch unbekannt war, und trotzdem kümmerte er sich um mich und tat so viel, um mich besser fühlen zu lassen.

Wie von selbst drückten sich meine Lippen auf seine Wange.

Er zuckte kurz zurück, ehe er es aber zuließ.

Seine Haut fühlte sich so weich und warm an.

Ich sah, wie er rot wurde, als ich mich wieder von ihm löste.

Zucker.

niemand darf euch gegen euren willen anfassen!!!
es ist egal, wenn andere sagen, dass du jetzt kein drama daraus machen sollst, wenn ein typ dir im club oder im gedränge im supermarkt zu nah gekommen oder dich ungewollt angefasst hat, denn es ist dein körper, den niemand sonst ungefragt anfassen darf.
sexuelle belästigung begegnet uns so, so oft und mittlerweile ist es fast part unseres alltags geworden, sich unwohl oder ängstlich zu fühlen, wenn man an einer jungsgruppe langzulaufen oder abends alleine nach hause zu laufen, doch das ist kein grund wegzusehen.
macht menschen drauf aufmerksam und stayed safe peeps!

<333

Nɪᴄʜᴛ ɴɪᴄʜᴛsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt