NOAH
Mein Finger schwebte über dem kleinen Pfeil, der die Nachricht absenden würde.
Machst du das wirklich? Was ist, wenn sie dich für komisch hält?, schrie die Stimme in meinem Kopf, die zu dem ruhigen, unsicheren Noah gehörte. Die andere, im Gegensatz, redete mir ein ein, dass Jill mich mochte und mir das auch schon öfters gesagt hatte und ich keine Angst haben brauchte.
Okay Noah. Durchatmen und-
Mein Körper war mal wieder schneller, als mein Kopf, weshalb mein Daumen das Display und somit die Absenden-Taste berührte. Fuck, ich hatte das wirklich geschickt.
Gut so.
Glaubte ich zumindest.
Oh Gott nein. SIE BEGANN ZU SCHREIBEN.
Ich warf mein Handy auf mein Bett und lief ins Bad, nur um mich dort im Spiegel anzustarren. War ich überhaupt bereit dazu, das zu machen, was ich geschrieben hatte?
Zu ihr heimlich ins Zimmer zu kommen? Um 11 Uhr abends?
Ok cool. Cool. Ja, stay cool. Kühl bleiben, sie nicht all zu sehr an dich ranlassen.
Dafür ist es schon viel zu spät.
Mein Handy gab einen Ton von sich, weswegen ich mir noch einmal durch meine Haare fuhr und tief durchatmend ins Zimmer zurück lief.
Ich spürte mein Herz schnell gegen meine Rippen klopfen. Unangenehm, aber irgendwie auch ein gutes Gefühl.
Jill (23:08)
bei mir schlafen alle schon, also wenn du's über die mauer schaffst gerne ;)
du kannst auf meine bank springen, die steht direkt vor der mauerGott, ich wollte wirklich über die Mauer auf ihren Balkon klettern. Hoffentlich scheiterte es nicht daran, dass mein ganzer Körper am Zittern war.
Ihre Nachricht hatte mir Mut bereitet und ich ärgerte mich darüber, dass ich dachte, dass sie unfreundlich reagieren würde. Dies war kein einziges Mal vorgekommen und mittlerweile waren wir so gut miteinander, dass wir uns als Freunde bezeichnen konnten.
Freunde. Schön. Ich mochte dieses Wort. Es ließ mein Inneres irgendwie warm werden. Auch wenn es bei Jill eher zu brennen begann.
Noah (23:09)
Okay ich versuchs
Bis gleichBruh. Okay, you got this, versuchte ich meinen Puls zu normalisieren.
Ich betrachtete mich nochmal im Spiegel und überlegte ob ich meine Jogginghose umziehen sollte, doch entschied mich dagegen. Was sollte ich mit Jeans in ihrem Bett?
Oh, hörte sich das falsch an.
Langsam öffnete ich meine Balkontür und trat nach draußen in die dunkle Nacht. Ich fröstelte kurz, ehe ich einen Holzstuhl nahm und diesen vor die Mauer stellte.
Kurz betete ich, dass ich nicht abstürzen würde und stellte einen Fuß auf das wackelige Gestell.
Meine Hände legte ich auf die Steinmauer und zog mich auf diese hoch. Okay, das ging leichter als erwartet.
Noch einmal luftholend sprang ich auf die Bank, die Jill erwähnt hatte und lief dann auf die Balkontür zu, die offen stand. Meine Hände zitterten, als ich an das Glas klopfte und das blonde Mädchen so auf mich aufmerksam wurde.
Ich musste schlucken. Sie trug nur ein weites T-Shirt und ihre Haare waren nass. Heiß.
„Hey.", flüsterte ich und musterte sie weiter. Ihre Beine waren lang und gebräunt und sahen unfassbar weich aus. Augenblicklich kam in mir das Bedürfnis hoch sie noch einmal zu berühren, Muster auf sie zu malen und sie danach zu kü-
Halt stop! Nicht nur meine innere Stimme unterbrach meine Gedanken, sondern auch ihre.
„Hey, komm rein."
Zögerlich betrat ich das Parkett. „Frierst du nicht?"
Verwirrt zog sie ihre Augenbrauen hoch. „Ne, wieso?"
Mein Blick glitt wieder über sie. Ich konnte nicht genug von ihr bekommen. „Nasse Haare, nackte Beine...", deutete ich auf ihren Körper und lief weiter auf sie zu. Als ich vor ihr stehen blieb, bildete sich Gänsehaut auf ihren Armen.
„Siehst du." Mit einem Nicken machte ich sie auf ihre Haut aufmerksam.
Sie schaute auf ihren Körper und hob dann auf die Lippe beißend ihren Blick. „Das ist nicht wegen der Kälte, Noah."
Es dauerte ein paar Sekunden bis ich ihre Worte verarbeitet hatte.
„Oh." Ernsthaft Noah? Das war alles, was du sagen konntest?
Sie lächelte mich an - „Ja oh." - worauf sich meine Mundwinkel auch hoben.
Wir standen nah aneinander, zu nah. Sie stellte sich auf Zehnspitzen und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ihre Lippen waren weich und der Kontakt zwischen ihnen und meiner Wange viel zu kurz.
Ich konnte nicht anders als sie einfach anzustarren, was sie eindeutig verlegen machte. Dieses wunderschöne Mädchen hatte mich gerade auf die Wange geküsst. Sie war die erste, die das getan hatte. Sie mochte mich.
„Wieso wolltest du kommen, Noah?", unterbrach sie die Stille, die nicht unangenehm war.
Ja, wieso hatte ich diese Nachricht, in der ich gefragt hatte, ob ich rüberkommen konnte, eigentlich abgeschickt?
„Ich weiß nicht", antwortete ich ehrlich, „mir war langweilig und ich war wieder in so einer kleinen Downphase. Außerdem müssen wir Haus des Geldes weitergucken und ich hab morgen keine besonderen Fächer."
„Bevor Mom morgen reinkommt, musst du aber wieder weg sein. Sonst bin nicht nur ich tot. Obwohl ... so sehr wie sie dich liebt, lässt sie's bestimmt sogar durchgehen."
Ich lachte auf, worauf Jill ihren Zeigefinger auf meinen Mund legte - „Pschhht." - und ich sofort verstummte.
Kurz strich sie mit ihrem Finger über meine Unterlippe, als sie ihre Hand wieder wegnahm. Das war sowasvon mit Absicht und es gefiel mir mehr, als es sollte.
Auf die Lippe beißend ging sie zu ihrem Bett und legte sich in dieses, während sie ihren Laptop hochfuhr. „Komm her."
Mein Bauch kribbelte so sehr, dass mir fast schlecht war und auch die Mitte meines Körpers machte auch auf sich aufmerksam. Dieses Mädchen machte Dinge mit mir...
Sie nicht aus den Augen lassend lief ich auf das Bett zu und warf mich neben sie worauf sie aufquietschte. „Erschreck' mich doch nicht so."
„Sorry."
Ihre nassen Haare streiften meine Wange, als sie sich natürlich ohne Absicht über mich lehnte, um von ihrem Nachtschrank die Kopfhörer zu nehmen und sie in den Laptop zu stecken. Ich war so kurz davor, sie einfach auf mich zu setzen, meine Hände in ihren Haaren zu versenken und meine Lippen auf ihre zu drücken.
Keine Ahnung, woher diese Gedanken kamen, aber sie gefielen mir.
Ich merkte, wie ihre Hand zitterte, als sie mir den Kopfhörer hinhielt. „Hier, sonst wecken wir die anderen noch auf."
Meine Hand streifte ihre, als ich ihr den Kopfhörer abnahm und es bildete sich eine Gänsehaut auf ihrem Arm.
Das ist nicht wegen der Kälte, Noah.
Automatisch musste ich lächeln. Es war wegen mir.
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Nɪᴄʜᴛ ɴɪᴄʜᴛs
Teen FictionWie war das nochmal? Jeder braucht Freunde? Noah nicht. Versucht er sich zumindest selbst davon zu überzeugen. Doch als Jill neu bei ihm im Haus einzieht, ist er sich plötzlich nicht mehr so sicher, ob er seinen Vorsatz wirklich halten will. Denn J...