Kapitel 5 - Hotelzimmer

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Die Autobahn war fast frei, als ich am späten Nachmittag darüber raste, das Gaspedal bis zum Anschlag durchgedrückt. Ich hätte auch bei Julian pennen können, hatte aber so schnell wie möglich von da weg gewollt. Seine Ansprache über Lisa regte mich immer noch auf. Ich wollte es mir nicht eingestehen, aber in gewissen Punkten hatte er vielleicht recht. 

Ich schaffte die Strecke in Rekordzeit. Als ich von der Autobahn abfuhr und in Mannheim an einer roten Ampel hielt, nahm ich mein Handy und scrollte durch meine Bilder-Galerie. Da war ein Foto, das ich besonders mochte, von Lisa und mir. Sie hatte meine Jacke an, die an ihr so absurd übergroß war, und sie lachte gerade über irgendeinen witzigen Kommentar, den Sasan gemacht hatte, kurz, bevor er auf den Auslöser gedrückt hatte. Ihr Kopf war in den Nacken gelegt, ihre Augen funkelten. Sie sah aus wie ein Engel, direkt aus dem Himmel in meinen Schoß gefallen, um mich zum glücklichsten Mann der Welt zu machen. 

Eine Trotz-Reaktion setzte bei mir ein, und ich öffnete Instagram, um das Foto zu posten. Ey Julian, was denkst du wohl, was sich die Fans daraus "zusammenreimen"? Sollen sie doch.

Als ich überlegte, was ich als Bildunterschrift wählen sollte, stockte ich. Würde Lisa das überhaupt wollen? Manchmal hatte ich das Gefühl, es gefiel ihr, wenn sie wegen mir im Mittelpunkt stand, andere Male wiederum schien sie es zu hassen. Ich konnte sie nicht einfach so übergehen, bloß weil ich angepisst war. Außerdem war das hier überhaupt nicht meine Art... ich hatte doch vorhin erst noch darauf bestanden, Arbeit und Privates trennen zu wollen. Sie und ich, das hatte nichts mit Apache zu tun, das ging keinen was an.

Ich brach den Vorgang ab. Damit das Ganze noch irgendeinen Sinn machte, machte ich schnell noch ein Selfie für die Story, schrieb dazu 'Wir sehen uns auf der Tour'  und markierte Julian darin. Hinter mir hupte jemand - die Ampel war inzwischen grün geworden. Ich drückte das Gaspedal durch und der Wagen schnellte mit quietschenden Reifen nach vorn.

Meine Gedanken waren immer noch bei Lisa. Meiner Freundin. Junge, fühlte es sich komisch an, sie so zu bezeichnen. Nachdem mit meiner Ex Schluss gewesen war, hatte ich nicht gedacht, jemals wieder so etwas für jemanden zu empfinden. Aber Liz war so... besonders. Wie sie immer das Kinn vorschob und sich auf die Lippe biss, wenn sie sich wegen irgendetwas verplappert hatte. Ihr ansteckendes Lachen, ihr trockener Humor. Ihre wunderschönen, großen Augen... und wie sie mich immer anschauten, als wäre ich der einzige Mann auf der Welt. Was hatte ich getan, um sie zu verdienen? Ich hätte es verstanden, wenn sie auf das Geld aus wäre. Oder die Reichweite. Aber beides schien ihr nichts zu bedeuten, sie wollte einfach nur mich. So müssen sich Lottogewinner fühlen. Absolut nichts dafür getan, und trotzdem den Jackpot geknackt. 

Ich dachte an das, was meine Mutter mir und Hakan ständig sagte. "Wenn du eine Frau lieben willst, musst du jeden Tag um sie kämpfen."  Irgendwie kämpfte ich reichlich wenig um sie. Ich war einfach nicht so der Romantiker. Ich dachte an meinen grandiosen Einfall mit dem Sternegucken zurück - damals, vor einer gefühlten Ewigkeit. Das war schon ziemlich gut von mir gewesen. Was hatte ich seitdem jemals für sie getan? Außer ihr Blumen zu schicken, nachdem ich Mist gebaut hatte? 

Ich grinste, als sich eine Idee in meinem Kopf formte. Sie dachte ja, ich würde heute noch nicht nach Hause kommen. Ich würde sie einfach überraschen. Mit irgendwas romantischem. Ich wusste auch schon, mit was. 

Ich bog an der nächsten Kreuzung ab, fummelte mir wieder mein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer meines besten Kumpels. 

  "Sasan?"

  "Ja?"

  "Tu mir mal bitte einen Gefallen, Bruder."

Bitte, Baby, brich mir nicht das HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt