Kapitel 7 - Kälte

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Die nächsten Tage zogen ereignislos an mir vorbei. Ich pendelte zwischen Uni, Nebenjob und Volkan hin und her. Das Wetter war unverändert grau.

Heute war ein besonders langer Uni-Tag. Die Stunden schienen sich ins Unermessliche zu strecken. Es war bereits 17 Uhr durch, jeder wollte einfach nur noch nach Hause. Und dann sagte die Dozentin etwas, das uns allen das Blut in den Adern gefrieren ließ:

  "Die nächste Note wird ein Referat in Gruppenarbeit!"

Viele lange Gesichter in den Reihen. Langsam ließ ich meine Stirn auf das Pult vor mir sinken. Oh nein. 

Die Dozentin legte noch einen drauf: 

  "Die Gruppen habe ich schon ausgelost."

Der Saal stöhnte wie ein einziger, großer Organismus auf. Ein paar ganz individuelle Schneeflocken schienen sich zu freuen - wahrscheinlich waren das diejenigen, die sowieso immer die anderen arbeiten ließen. 

  "Ich lese jetzt die Namen vor - wenn Sie aufgerufen werden, kommen Sie bitte nach vorn, holen sich die Zettel mit den Themen ab und suchen dann ein Örtchen, wo Sie sich schon einmal mit Ihrer Gruppe zusammenzufinden. Okay. Gruppe 1: Miller, Jessica - Oertel, Pascal - Ma, Tian - ..."

Ich packte missmutig meine Sachen zusammen und wartete darauf, dass mein Name aufgerufen wurde. Der Saal leerte sich langsam, als immer mehr Gruppen sich zusammenfanden und nach draußen gingen, um ein ruhiges Plätzchen zu suchen. 

  "Gruppe 5: Buder, Hans - Heinemann, Conrad - Perez, Melanie - Krüger, Elisabeth..."

Ah. Ich sprang auf und lief den Gang entlang nach unten. Die anderen Namen sagten mir nur vage etwas, ich glaubte nicht, dass ich mit einem von denen schon mal was zu tun gehabt hatte. Vielleicht hatte ich ja Glück, und sie waren alle nett-

  "...und - oh, ich hoffe, ich spreche das jetzt richtig aus - Özdemir, Nesrin."

Erschrocken blieb ich stehen. Mein Kopf schnellte sofort herum, zu dem Platz, an dem Nesrin saß. Ich beobachtete immer heimlich, wo sie sich hinsetzte. Unsere Blicke trafen sich. Ich sah gerade noch, wie sie genervt zusammensackte, bevor sie ebenfalls aufstand und mir nach unten folgte. 

Die anderen Gruppenmitglieder warteten schon vor der Tür, als Nesrin und ich mit unseren Zetteln nach draußen liefen. Ich fragte mich, ob wir wirklich zufällig in eine Gruppe gelost worden waren, oder ob die Dozentin uns einen Gefallen hatte tun wollen. Vielleicht merkten sich die Profs, wer mit wem befreundet war - da Nesrin und ich früher ständig und nicht allzu leise miteinander gequatscht hatten, waren wir möglicherweise aufgefallen. Vielleicht hatte ich auch einfach nur Pech.

  "Wo wollen wir hin?", fragte das Mädchen, das anscheinend Melanie hieß. Sie klang gelangweilt.

  "Lasst in die Mensa", antwortete einer der Kerle. Er war groß, hatte raspelkurze Haare und schien nur aus Muskeln zu bestehen. Pumper. Er sah nicht wie ein angehender Psychologe aus. Er war wohl einer der Wirtschafts-Fuzzis, mit denen wir das Modul zusammen hatten. So, wie er sich bewegte - mit weit abstehenden Armen, schlurfendem Gang, selbstgefällig - schätzte ich ihn nicht als eine sonderliche Bereicherung für das Team ein. Aber mit Vorurteilen kam ich hier auch nicht weiter. Der andere Typ, ein kräftiger blonder, sah aus wie ein Streber. Das war bestimmt Hans. So stellte ich mir einen Hans zumindest vor.

Wir waren nicht die einzigen in der Mensa und setzten uns so weit von der nächsten Gruppe entfernt wie möglich hin. Der Pumper schmiss seine Tasche quer über den Tisch und ließ sich breitbeinig auf zwei Stühle fallen. Melanie holte, kaum dass sie sich hingesetzt hatte, ihr Handy heraus und begann darauf herumzutippen. Da der Nerd sich mir gegenüber hinsetzte, blieb Nesrin nichts anderes übrig, als neben mir Platz zu nehmen. Wir vermieden es, uns anzusehen.

Bitte, Baby, brich mir nicht das HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt