Kapitel 22 - Ich teil' nicht

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Ich kannte Miriams Nachnamen nicht, und an je mehr Türen ich klingelte, desto bescheuerter kam ich mir vor. Anfangs hatte ich es noch für eine sehr erwachsene Lösung gehalten - das direkte Gespräch suchen, Grenzen abstecken - aber allmählich fragte ich mich, wieso ich ihr nicht einfach eine WhatsApp-Nachricht geschrieben hatte, statt mich hier durchs halbe Haus zu klingeln wie eine Irre. 

Ich gab schließlich auf. Entweder, sie wohnte hier nicht, oder sie war nicht da. Was hätte ich auch sagen sollen? "Halt dich von meinem Freund fern"? Während ich mich auf die Zehenspitzen stelle, damit ich mit meinen knapp 1.63 nicht zu ihr hochgucken muss? Das hätte sie sicher so richtig verängstigt.

Ich ging wieder nach unten und raus, wo Volkan an sein Auto gelehnt auf mich wartete. Er hob die Augenbrauen, und ich schüttelte nur mit dem Kopf. Wortlos stiegen wir in den Wagen und fuhren los. 

Wir waren keine 10 Meter weit gekommen, als Volkan auf die Bremse stieg. Ich wurde gegen den Gurt geworfen. "Ey!"

  "Da ist sie", sagte Volkan und deutete auf den Gehweg vor uns. 

Miriam schaute beim Laufen auf ihr Handy. Ich fasste mir ein Herz. "Bin gleich zurück", sagte ich, fummelte am Gurt herum bis ich ihn endlich gelöst bekam und sprang aus dem Auto. 

Miriam schaute erst auf, als sie Gefahr lief, direkt in mich hineinzulaufen. Ihre Reaktion, als sie mich sah, hätte jeden Schauspieler vor Neid erblassen lassen. Nur kurz zeigte sie ihre ehrliche Überraschung, bevor sie ein riesiges, warmherziges Lächeln auflegte und rief: "Lisa! Was für ein Zufall, schön, dich zu sehen!"

  Ich lächelte ebenso breit zurück. "Ja, nicht wahr? Aber so zufällig ist es gar nicht, ich wollte tatsächlich zu dir", sagte ich und nickte zu Volkans Auto hinüber. 

  Miriam wurde kein bisschen nervös, sondern winkte nur fröhlich in seine Richtung. "Was wolltest du denn?", fragte sie scheinheilig.

  "Mir mal ein Shirt von dir ausleihen", antwortete ich.

  Ihre Fassade begann nun zu bröckeln. Unsicherheit blitzte in ihren Augen auf. "Ich weiß nicht, was du meinst", sagte sie. "Ich muss jetzt aber auch echt nach Hause, ich-"

Sie versuchte, sich an mir vorbeizudrängeln, aber ich stellte mich ihr in den Weg. 

  "Du hast Volkan das mit Sasan gesteckt", sagte ich. Das falsche Lächeln legte ich nun gänzlich ab. Als Miriam nicht antwortete, machte ich einen Schritt auf sie zu. Sie wich zurück und stieß mit der Schulter gegen die Hauswand. 

  Sie lachte auf. Jegliche aufgesetzte Freundlichkeit war nun auch aus ihrer Stimme verschwunden. "Hast du gut erkannt, Miss Marple."

  "Und das Foto von meinem Profil an die Fanpage geschickt? Oder ist das deine Fanpage?"

Sie lachte verächtlich. "Die gehörte meiner Schwester. Fühlst du dich eigentlich richtig cool, 13-jährigen Mädchen zu drohen, weil sie Bilder benutzen, die du selbst öffentlich machst? Sie hat die Seite gelöscht, weil sie Angst hatte, nachdem du euren Anwalt auf sie gehetzt hast." Sie lehnte sich vor. "Los, frag mich schon, warum ich das alles gemacht habe. Willst du die Antwort wissen? Weil du ein Witz bist. Kommst hier her, angelst dir irgendeinen steinreichen Typen der nur auf dich abfährt, weil du angeblich keine Ahnung hast, wer er ist - und kaum hast du ihn, lässt du das Mädchen fallen, das dich ihm vorgestellt hat."

  "Was? Das macht doch überhaupt keinen Sinn!"

  "Und wenn schon. Alles was ich weiß ist, dass du Nesrin eiskalt abserviert hast, weil sie deinen beinahe-Freund geküsst hat - und was war das neulich mit Sasan? Deine späte Rache? Hast die beiden wohl extra verkuppelt, um ihr dann ihren Freund ausspannen zu können?"

Bitte, Baby, brich mir nicht das HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt