[Heather - Conan Gray]
DER SPIND KNALLT heftig zu, obwohl ich ihn gar nicht angefasst habe. Verwirrt schaue ich auf und blicke in das aufgebrachte Gesicht Clarys. Sie hat Augenringe und ist blass, ihre Lippen sind zu einer dünnen Linie verzogen.
»Wieso hast du alle Anrufe von mir ignoriert?«, poltert sie auch schon los. Ich hole tief Luft und schließe den Spind langsam ab. Dann drehe ich mich zu ihr und ziehe dabei den Reißverschluss meines Rucksacks hoch.
»Ich hatte zutun«, schwindle ich und werfe mir den Rucksack über die linke Schulter.
»Du hattest zutun?«, wiederholt Clary aufgebracht und fuchtelt wild mit den Händen in der Luft herum. »Das meinst du nicht ernst.«
Ich seufze tief und setzte mich in Bewegung. Eigentlich habe ich keine Lust, wieder mit ihr über dieses Thema zu reden, mit dem sie bestimmt gleich wieder anfängt. Die Genveränderung. Deshalb habe ich auch ihre ganzen Anrufe ignoriert. Obwohl ich weiß, dass ich es mir nicht mit Clary verscherzen sollte. Sie ist meine beste, und leider einzige richtige, Freundin. Ich kenne sie schon Ewigkeiten und habe sie so lieb gewonnen, das sie wie eine Schwester für mich ist. Und ich will sie auf gar keinen Fall verlieren. Aber manchmal weiß sie echt nicht, wann Schluss ist.
»Hallo, Johnson, ich rede mit dir!«, brüllt sie über den vollen Korridor hinweg. Andere Schüler drehen sich neugierig zu uns um, bevor sie ihren Weg durch das Getümmel fortsetzen.
Clary hastet auf mich zu und packt mich so heftig am Arm, das ich gezwungen bin, stehen zu bleiben. Vorsichtig schaue ich ihr in die karamellfarbenen Augen, die sie zu wütenden Schlitzen verzogen hat.
»Jetzt bleib doch mal stehen.« Ihre Stimme ist eine Spur sanfter geworden. Ich seufze tief, während sie fortfährt: »Wir müssen darüber reden.« Da haben wir's.
»Es gibt nichts zu reden.« Ich schüttle ihren Arm ab. Als ich wieder in ihre Augen schaue, sehe ich wie verletzt sie ist. Sofort kommt schlechtes Gewissen in mir hoch. »Okay, wir reden«, sage ich deshalb matt und ziehe sie zum Mädchenklo. Zum Glück ist es leer, als wir eintreten.
Clary lehnt sich an eine Toilettenkabine und verschränkt die Arme vor der Brust. Sie sucht meinen Blick, aber ich tue so, als wären die Riemen meines Rucksacks viel interessanter, als alles andere in meinem Leben, und schaue intensiv auf diese herab, während ich sie in meinen Händen hin und her drehe.
Stille.
Dann erhebt Clary das Wort: »Bist du jetzt zufrieden?«
»Das hat doch nichts mit zufrieden oder nicht zu tun.« Ich hebe endlich den Blick und reibe mir müde mit der Handflächen über die Augen, aber nur vorsichtig, um die Wimperntusche nicht zu verschmieren.
»Womit dann? Erklär's mir, denn ich verstehs nicht.« Clary schaut mich jetzt so bohrend an, dass ich sie schließlich doch angucke. Und es bereue. Sie sieht aus wie ein trauriger, verstoßener Welpe.
»Das habe ich doch schon. Ich will nicht mehr ich sein.«
»Aber warum? Was ist falsch an dir, Syd? Du bist meine beste Freundin, ich hab dich wahnsinnig lieb und du bist genau richtig, so wie du bist.«
Bei ihren Worten wird mir kurz warm ums Herz. Dieses Gefühl wird aber sofort von dem anderen schweren Gefühl vertrieben, dass ich jeden Tag mit mir rumschleppe. Ich bin nicht genug.
Ich schaue sie ernst an, ignoriere ihren verletzten Hundebaby-Blick. »Das bin ich eben nicht.«
Verwirrt legt die den Kopf schief. »Wie meinst du das?«
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the society
Teen Fiction»Es ist nicht so wie es scheint.« »Wie ist es dann?« »Beschissen.« In einer Welt voller Druck und Schönheitsidealen fühlt man sich schnell übersehen und verloren. So auch die 16 jährige Sydney. Bis sie von einem Arzt hört, der Genveränderung als n...