Stillstand und Fortschritt

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Allana

Sie vertrauen dir nicht.

Habe ich ihnen einen Anlass für das Gegenteil gegeben?

Nachdenklich berührte ich das Metall des Horkruxes und strich mit einem Finger über die Smaragde, die darin eingearbeitet waren. Der Anhänger hing schwer und vertraut um meinem Hals, die Kettenglieder kühlend wie eine Berührung mit klaren Wasser.

Ein Windhauch strich über meine Haut und ließ mich frösteln. Ich schlang die Jacke fester um mich. Vereinzelt waren die Blätter an den Bäumen bereits verfärbt und bildeten bunte Farbtupfer in dem Grün des Waldes. Die Luft war kühl und erfrischend.

Es war friedlich hier im Wald. So mochte es zumindest scheinen. Und doch ... Ich blickte hinter den Schleier.

Die letzten Wochen hatten wir nach weiteren Horkruxen gesucht, versucht Orte ausfindig zu machen, die besonders genug waren, um so etwas wertvolles, so etwas kostbares wie einen Horkrux zu beherbergen. Die Suche war erfolglos verlaufen.

Ich könnte ihnen sagen, dass ein Horkrux bereits in Gringotts zerstört wurde und ein anderer im Raum der Wünsche sein musste, aber ... noch nicht. Ich könnte Hinweise auslegen, Vermutungen fallen lassen, aber wofür? Zuerst mussten wir in Erfahrung bringen, wie man einen Horkrux zerstören konnte.

Ein anderer Punkt war, dass Harry vor mehreren Tagen eine weitere Vision von Voldemort gehabt hatte. Er war aufgewacht, schweißgebadet und mit dem uns allen unbekannten Namen Gregorowitch im Mund. Er hatte darauf beharrt den Namen von irgendwoher zu kennen, aber keiner von uns hatte ihn je gehört. Ich persönlich verknüpfte den Namen automatisch mit einem russischen Attentäter, wie man ihn aus Büchern kannte, aber wer auch immer diese Person war, sie musste bedeutsam für Voldemort sein ...

Und so spürte ich Harrys Ratlosigkeit und Rons zunehmenden Groll und Hermines stille Verzweiflung und ich spürte das stetige Pochen des Horkruxes, gleich einem zweiten Herzen in meiner Brust.

Jonathan

Wir hatten den Cruciatus-Fluch in den letzten Wochen nicht noch einmal erprobt, sondern uns mit simpleren Beschwörungen beschäftigt. Doch ich hatte keinen Zweifel, dass das Thema wieder aufgegriffen werden würde. Wie würde ich dem Fluch ein weiteres Mal entgehen? Würde ich dem Fluch ein weiteres Mal entgehen können?

Nun. Es ergab keinen Sinn, sich nun darüber den Kopf zerbrechen. Entweder, ich würde den Fluch irgendwann anwenden müssen – an einer Person, ich würde eine Person foltern und grauenvoll quälen – oder nicht. Ich straffte mich und kramte dann in meiner Tasche nach dem Stundenplan. Heute würde ich bis auf eine öde Stunde Geschichte der Zauberei keinen Unterricht mehr haben. Seufzend verstaute ich das Heftchen wieder in der Tasche und prüfte, wie viel Zeit ich noch hatte. Mehr als genug.

Aus den Augenwinkeln sah ich einen vertrauten blonden Haarschopf aufblitzen. Draco Malfoy stieg langsam die Treppen empor. Sein Gesichtsausdruck war abwesend. Ich hob die Hand zum Gruß. Fast augenblicklich klärte sich sein Blick, doch sein Gesicht war fast schon ... verschlossen. Erst schien er wieder stur den Gang entlanglaufen zu wollen, doch dann sackten seine Schultern ein wenig herab und er bewegte sich langsam auf mich zu. Er hielt vor mir, ein paar Zentimeter weiter entfernt, als vielleicht angemessen. Abwartend. Distanziert.

Ich runzelte die Stirn. Ich verstand durchaus, dass der Slytherin zunehmend Abstand zu mir einhielt, schließlich waren unsere letzten Gespräche eher ... frostig verlaufen und doch ... Etwas stimmte nicht.

Ich legte den Kopf leicht zur Seite und musterte meinen Freund mit gerunzelter Stirn. Draco bemerkte meinen prüfenden Blick und rollte die Augen. „Was ist los?", meinte er schroff. Seine Augen zuckten dabei kurz über mein Gesicht, bevor er starr auf einen Punkt neben meinen Kopf blickte. In seiner Wange zuckte ein Muskel.

Sein Vermächtnis (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt