Jonathan
Nach zwanzig Minuten waren Crabbe und Goyle noch immer nicht aufgetaucht. „Sie werden nicht mehr kommen", meinte ich.
„Nein. Vermutlich nicht." Draco schwieg. Er malte mit dem Zauberstab Muster in den Staub, der sich auf der Fensterbank abgesetzt hatte. „Ich kann sie nicht vermissen, weißt du? Es passt einfach nicht. Ich weiß nicht einmal mehr ... ob sie überhaupt meine Freunde gewesen sind, oder ob ihre Anwesenheit mehr eine Gewohnheit war. Wie zwei sehr breite Schatten, die mich überallhin begleitet haben. Und dann in den letzten Monaten ... Der Unterricht in den Dunklen Künsten ... das hat sie durchdrehen lassen. Sie haben sogar Einzelunterricht genommen, so fanatisch sind sie geworden." Seine Lippen zuckten einmal. „Kannst du dir das vorstellen, Crabbe und Goyle, Einzelunterricht?"
Ich lehnte mich an eine der wenigen Säulen, die noch standen. Draußen verwandelte sich der schwarze Himmel allmählich in ein fahles Grau. Der Morgen nahte. Mit dem ersten Licht sah ich den Schaden, der vor den Toren des Schlosses entstanden war. Der asphaltierte Eingangsbereich war übersäht mit Trümmern und feinsten Steinsplittern, so weiß wie Asche. Teilweise klafften große Lücken in den Steinen, vermutlich weggesprengt von Flüchen, die ihr Ziel verfehlt hatten. Mehrere dunkle Bündel lagen am Boden verstreut, in unregelmäßigen Abständen. Erst nach einem zweiten Blick wurde mir klar, dass es sich dabei nicht um bloße Haufen aus Stoff, sondern um Leichen handeln musste. Ich schloss einen Moment lang die Augen und blickte Draco wieder an.
Der Krieg macht Monster aus uns allen. Ich brauchte Schlaf, mehr noch, ich war regelrecht ausgelaugt. Ich fuhr mir seufzend mit der Hand über das Gesicht, rieb mir die Augen. Die Bilder in meinem Kopf blieben.
Draco hob den Blick nicht von seiner kleinen Zeichnung. „Ich wünsche mir ein Leben nach dem Krieg. Ein friedvolles, entspanntes Leben, irgendwo auf dem Land, fort von alledem. Es kommt mir unendlich weit weg vor."
Ich summte eine Antwort. Mir kommt es unmöglich vor. Wir waren die Kinder des Krieges. Gezeichnet von den Gräueltaten, die wir erlebt und ... begangen hatten. „Hermine und ich haben uns getrennt."
Nun hob Draco den Kopf.
„Also, ich weiß gar nicht, ob wir dieses Jahr richtig zusammen waren", fügte ich hinzu. „Aber es ist vorbei." Es ist vorbei.
„Ich wusste gar nicht, dass ihr was miteinander hattet."
„Du hast letztes Jahr auch quasi im Raum der Wünsche gelebt, Draco."
Dracos Lippen hoben sich leicht, dennoch war seine Miene anteilnehmend. Er legte mir eine Hand auf die Schulter. „Es tut mir trotzdem leid, dass es so enden musste."
Ich nickte schweigend. „Ja, mir auch."
Gemeinsam saßen wir da, eine andächtige Stille zwischen uns. Es tat gut, dass Draco wieder bei mir war, dass ich wieder bei ihm war. Er war mein ältester, mein bester Freund ... all die Höhen und Tiefen, die wir zusammen durchgestanden hatten ... Ich presste die Augen zusammen, stieß die Luft schwer aus, denn so ein Moment war kostbar, fragil im Angesicht dieser dunklen Zukunft. „Ich hätte mir keinen besseren Freund wünschen können."
Anhand von Dracos überraschter Miene merkte ich, dass ich meinen Gedanken wohl laut ausgesprochen hatte.
„Ich mir auch nicht."
Meine Lippen hoben sich und eine angenehme Wärme breitete sich tief in mir aus. Auch Draco grinste und für einen Moment schien alles wieder beim Alten zu sein. Wasser sammelte sich in meinen Augen und ich blinzelte hektisch. Nichtweinen, nichtweinen, nichtweinen. Ich stieß die Luft aus und fuhr mir mit dem zerrissenen Ärmel über die feuchten Augen.
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Sein Vermächtnis (3)
أدب الهواةVoldemort hat die Macht über die gesamte magische Welt an sich gerissen. Die Wege der Zwillinge haben sich getrennt. Während Jaimes Entscheidungen ihn in eine ungewisse Zukunft führen, versucht Allana alles Mögliche zu tun, um Voldemort entgegenzutr...