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Malea.

Es ist Mittwoch. Gelangweilt stehe ich stützend am Tresen hinter der Kasse und lese mir die BRAVO durch. Nicht, dass es mich interessiert und ich alles glaube, was darin steht. Jedoch habe ich einfach nichts mehr zu tun, was mir Spaß machen könnte.

Kaugummi kauend blättere ich durch die Zeitschrift und hebe immer wieder meinen Blick an, um nachzusehen, ob jemand herein kommt.

Eigentlich ist es gefährlich für mich, wenn ich alleine hier bin. Doch mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und auch mein Onkel schaut nur ab und zu vorbei.

Seufzend mache ich eine Blase mit dem Kaugummi und lasse sie platzen, ehe ich weiter kaue und mich abstütze. Vielleicht hat die HEY! ja etwas besseres zu bieten.

Ich bringe die Zeitschrift weg und nehme mir die andere in die Hand. Auch in dieser gibt es nichts großartiges zu lesen und wenn, habe ich es schon in der davor gelesen.

„Wie viele?", höre ich jemanden laut fragen. „Bruder, jetzt sag doch. Was nervst du mich jetzt?"

Neugierig hebe ich meinen Kopf an und sehe zur Tür. In dieser steht ein mittelgroßer junger Mann mit braunen Haaren. Er trägt einen schwarzen Hoodie, eine Jeans mit nur einem Riss in der Hose und weiße Nike Sneaker.

Sein Seitenprofil sieht ehrlich nicht schlecht aus. Muss man sagen. Auch das Tattoo an seinem Handgelenk sieht wirklich sexy aus.

Doch dann schießt mir Alba's Namen durch den Kopf und ich schüttle den Gedanken an den Jungen wieder ab.

„Du hast jemanden, Malea", nuschle ich mir selbst zu und schaue mir die Horoskope an.

Einige Minuten lang lese ich mir jede einzelne durch und lache darüber. Wer nimmt so etwas bitte noch ernst?

Ich wünschte, ich wäre noch in dem Alter. Damals war alles so viel einfacher. Selbst für uns Kinder.

„Hey", vernehme ich dann die Stimme, die auch zuvor gesprochen hat, weshalb ich meinen Kopf anhebe und meinen Mund etwas öffne.

Das gibt es nicht. Nicht dieser Idiot. Schon seit Jahren habe ich ihn nicht mehr gesehen und genau heute - genau jetzt - in diesem Kiosk sehe ich ihn wieder.

Sofort steigt mir die Wut zu Kopf und am liebsten würde ich ihm am Kragen packen, über den Tresen ziehen und-

„Zwei Marlboro Gold Schachteln, Papes und Tips", unterbricht er meine Gedankengänge mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen.

Erst heute fällt mir auf, was für schöne, herzförmige und volle rosene Lippen er doch hat.

„Klar", nuschle ich bedrückt und drehe mich zu den Regalen um, hole seine Zigaretten heraus und wirble wieder herum. „Papes und Tips in einem? Welche Marke?" Als ich ihn ansehe, liegt sein Blick für einen Moment unten. Hat er etwa.. „Hallo?"

„Huh?", gibt er von sich und schüttelt mit dem Kopf. „Sorry. Ja, bitte in einem. Von OCB. Wäre cool."

Ich nehme die OCB Packung heraus und lege sie auf den Tresen, rechne schnell im Kopf aus und nenne ihm den Preis.

Dass er mich noch immer nicht erkannt hat, irritiert mich. Aber vielleicht hat er mich auch schon vergessen. Schließlich kam er selten zur Schule und das ist auch schon fast mehr als zwei Jahre her. Zumindest bald.

„Wir kennen uns, oder?", fragt er mich dann, als er seine gekauften Sachen in die Hände nimmt.

Er kennt mich anscheinend doch noch. Ein Wunder ist geschehen. Danke Gott, dass du Gehirne schenken lassen hast.

Bevor es peinlich wird, nicke ich, doch ich spreche nicht.

„Vom Feiern, nh?", grinst er mich an.

„Ich gehe nicht in Clubs." Das ist vielleicht gelogen. Denn Clubs von innen habe ich vielleicht drei Mal in meinem Leben gesehen. „Aber wir kennen uns tatsächlich, Jamal."

Jamal. Der Schüler, welcher mir die ersten sechs Monate das Schulleben schon fast zur Hölle gemacht hat, steht nun vor mir und denkt, wir hätten uns beim Feiern kennengelernt.

Ist er wirklich immer schon so ein Typ gewesen, oder hat er sich zu diesem entwickelt?

„Ich schwöre es dir, du kommst mir so bekannt vor, aber ich erinnere mich einfach nicht, woher", nuschelt er und mustert mich dabei gründlich.

Irgendwie möchte ich nicht, dass er weiß, woher er mich kennt. Dass er sich an mich erinnert. Er würde sich sowieso nur an meinen Vornamen erinnern und nicht an meinen Zweitnamen.

Immer hat er mich mit Africa angesprochen und nicht mit Malea. Selbst als es die anderen endlich verstanden haben, war es ihm egal.

„Malea", ruft mein Onkel durch den Laden und lässt mich zusammen zucken. „Was machst du da? Geh an die Arbeit, hayde."

Erschrocken sehe ich mit großen Augen zu meinem Onkel, der in den Kiosk gestürmt ist und nun hinter die Kasse tritt.

Mein Onkel kann der liebevollste Mensch auf Erden sein. Aber wenn es um die Arbeit geht, trennt er Familie und Arbeit.

„Malea", flüstert Jamal als er ein paar Schritte zurück macht und ich gerade hinter der Kasse hervorkomme und ein Kasten Bier hebe, um diesen im Kühlschrank aufzufüllen.

Ich öffne den Kühlschrank und schaue kurz über meine Schulter zu Jamal, welcher nun an der Tür steht und noch immer zu mir sieht. Er überlegt weiterhin, woher er mich wohl kennt.

Kifft er immer noch zu viel oder weshalb ist es so schwierig für ihn?

„Machst du am Wochenende etwas?", fragt mein Onkel mich, weshalb ich zu ihm schaue und mit dem Kopf schüttle. „Ich bin mit deiner Tante nämlich in Stuttgart ihre Schwester besuchen. Haider, Ali und du müsst dann hier arbeiten."

Haider und Ali sind meine älteren Cousins, die auch immer wieder mal hier arbeiten. Haider mehr als Ali, denn dieser macht eine Ausbildung zur Zeit.

„Okay", seufze ich und fülle den Kühlschrank nach. Bis mir einfällt, dass ich am Samstag auf dem Geburtstag bin. „Aber ich bin am Wochenende auf einem Geburtstag eingeladen."

„Klär das mit den beiden Jungs ab", ist alles was er noch sagt bis er in den hinteren Raum verschwindet.

Genervt über seine kurze Antwort öffne ich die Tür des Kühlschranks und fülle die Bierflasche wieder auf.

Ich muss am Wochenende früher raus, denn ich will unbedingt auf diesen Geburtstag.

„Ey Malea", höre ich die Stimme von Jamal wieder und drehe mich zur Tür um. Er steht dort und grinst mich an.

Mir geht ein Gedanke durch den Kopf, dass er mich wieder erkannt hat. Doch dann würde er mich ja Africa nennen und nicht Malea.

„Das nächste Mal kannst du die Vogue lesen und nach mir suchen", zwinkert er mir grinsend zu, ehe er mit seinen Freunden verschwindet.

Hat Jamal Issa mir gerade wirklich zugezwinkert?

𝖡𝖴𝖳𝖳𝖤𝖱𝖥𝖫𝖨𝖤𝖲. | 𝑱𝑨𝑴𝑼𝑳𝑬. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt