Neun

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-Lucian-

Ich verabscheute diese dunklen Gänge der Akademie. An beiden Seiten der Flure zur Bibliothek hingen große, gerahmte Portraitzeichnungen von großen Nephilim, allen voran jedoch Jonathan Shadowhunter. Ich hasste sie einfach. Sie schienen mich förmlich zu verspottn. Sie alle waren besser als ich. Ich erinnerte mich, was Valentin zu mir gesagt hatte, als er mich für sich gewinnen wollte. "Sieh sie dir an, Lucian. Irgendwann könnten wir eine Legende sein. Genau wie sie." Heute glaubte ich ihm. Wir waren noch Schüler. Es dauerte noch eine Zeit. Schließlich betrat ich die Bibliothek, deren Regale aus dunklem Mahagoni gebaut waren, ebenso wie die Tische. Eigentlich war fast alles in dieser Bibliothek aus Mahagoni. Außer die Bücher, die bis unter die knapp zehn Meter hohe Decke gestapelt waren. Auf einmal lenkte ein hellblonder Haarschopf meine Aufmerksamkeit auf sich. Er schin förmlich zu leuchten. Irgendwie wusste ich automatisch, dass es Valentin war- niemand sonst hatte derart helle Haare. Jedoch war er nicht allein. Dicht vor ihm stand ein kleines Persönchen, welches er küsste und eng an sich gedrückt hielt. Jocelyn. Ich räusperte mich nur, um den Kloß in meinem Hals zu beseitigen, nicht, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Trotzdem wich Valentin sofort zwei Schritte von Jocelyn zurück und fuhr herum. "Lucian?", fragte er überrascht. Sowohl seine als auch Jocelyns Wangen waren leicht gerötet und beider Haare leicht zerzaust. Ich schluckte die bittere Galle. Dann straffte ich leicht die Schultern und sagte: "Ja. Offensichtlich störe ich gerade." Ich sah an ihm vorbei zu Jocelyn, die derart große Augen machte, als hätte ich sie beim Sex und nicht beim Küssen erwischt.

-Valentin-

Dieser Blick... Wie Lucian Jocelyn ansah... Seine Wut schien einem anderen Ausdruck gewichen zu sein. "Lucian...", begann ich, als es mir klar wurde. Sofort sank er in sich zusammen und ging mit hängenden Schultern. "Nein, schon gut...", murmelte er über seine Schulter. Kurz drehte ich mich zu Jocelyn an, die mich mit großen Augen ansah. Dann eilte ich meinem Parabatai nach. Verdammt, ich hätte es doch wissen sollen! "Lucian!", rief ich ihm nach, bevor er in seinem Zimmer verschwand. Er fuhr herum. Er wirkte gehetzt, seine Augen glänzten verräterisch. "Was,Valentin?", fragte er anklagend, als hätte ich seine Stele zerstört. "Du wusstest, was ich für sie empfinde!" Ich schluckte und sah ihn betreten an. "Es ist einfach passiert!" Lucian schnaubte und breitete die Arme aus. "Ja, natürlich! Verdammt, du kannst alle haben und nimmst mir das Mädchen weg, bei dem ich vielleicht eine Chance hatte!", brüllte er mich an. Ich sah ihn weiter an. "Warum sagst du es ihr nicht?", wollte ich wissen. Er starrte mich ungläubig an und ließ die Arme sinken. "Ich dachte, nach neun Jahren wüsstest du, dass ich das nicht kann." Verwirrung breitete sich in mir aus. Das war doch nicht schwer. "Warum nicht?" Lucian schnaubte erneut. "Ich bin nicht wie du, Valentin. Und selbst, wenn ich es könnte, wollte ich es trotzdem nicht sein." Ich konnte ihn nicht länger so gebrochen ansehen. "Du wirst mir immer wichtiger sein als sie, Lucian. Du bist mein Parabatai." Ich hörte sein Räuspern. "Ich habe dir erzählt, wie wichtig sie mir ist. Und jetzt liebt sie dich."

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