Zwei Seelen

447 39 37
                                    

„Was machst du hier?", brachte ich nach einer ganzen Zeit endlich über die Lippen.

Bei seinem Anblick war mir das Blut in den Adern gefroren und ich spürte meinen Fluchtinstinkt zu mir schreien. Nun bedauerte ich es niemandem auf dem Weg hierher begegnet zu sein. Niemand wusste, dass ich vielleicht in Gefahr war.

„Ich hab dich vermisst", antwortete er und erhob sich.

„Schließlich wurden wir unterbrochen, als ich dich vernünftig begrüßen wollte."
Eine bedauernde Bitterkeit zog über mein Gesicht, als ich an den gestrigen Abend zurück dachte. Von wegen begrüßen. Er hatte doch selbst gesagt, dass er mich nur testen wollte.

„Wenn das alles ist, dann möchte ich, dass du gehst."

Meine Stimme klang zittrig und als er ein paar Schritte auf mich zu tat, begann mein Herz zu rasen. Es kostete mich viel Kraft nicht vor ihm zurück zu weichen.

„Was ist los? Habe ich dich Gestern mit meinem Verhalten verärgert?", fragte er und musterte mich ernst.

„Als würde dich das interessieren...", giftete ich und machte nun doch einen Schritt von ihm weg.

Wieso war ich darauf eingegangen? Ich sollte ihn einfach so schnell wie möglich los werden. Er konnte nicht mehr lange hier bleiben, sein Zweck war schließlich erfüllt. Ich musste das nur noch ein paar Tage ertragen...

„Mich interessiert immer, wie es dir geht."

In seinem Blick lag Verständnislosigkeit. Konnte er denn tatsächlich so kaltherzig sein, dass es ihn nicht mehr kümmerte, dass er so viele Menschen auf dem Gewissen hatte?

Er seufzte nachgiebig, als ich nicht antwortete.

„Ich wollte eigentlich nur fragen wo meine Mutter ist. Sie war nicht in ihrem Zimmer...", sagte er dann.

Ich schluckte. Sie hatte ich ganz vergessen gehabt über all die Geschehnisse.

„Deine Mutter... ist letztes Jahr verstorben... tut mir sehr leid", antwortete ich betroffen.

„Wie?"

„So genau weiß das Niemand. Sie lag wohl eines Morgens einfach tot in ihrem Bett."

Kiyan nickte schweigend, bevor er -eher zu sich selbst- „Ist vermutlich besser so" murmelte und mit seinem Blick den meinen suchte. Ich wich ihm aus.

Eine ganze Ewigkeit herrschte Stille im Raum. Ich wagte es nicht, mich zu bewegen oder irgendetwas zu sagen. Ich wollte Kiyan Zeit lassen die traurige Nachricht zu realisieren. Aber er zeigte keine der Reaktionen, die ich erwartet hatte. Er begann nicht zu weinen, schrie mich nicht an, wollte nicht wissen, wo ihr Grab ist. Er stand einfach nur da und sah mich an. So als würde er in mir nach all seinem Trost suchen. Und ich stand noch immer neben der geöffneten Tür und sah zur Seite. Auch wenn etwas trauriges vorgefallen war, so war Kiyan noch immer ein Massenmörder. Allein dieses Wissen jagte mir Angst ein.

Schließlich war es Kiyan, der die Stille unterbrach:
„Können wir reden?"

Überrascht schnellte mein Kopf in seine Richtung. Reden? Worüber? Ich presste die Lippen aufeinander.

„Nur wenn es etwas ganz wichtiges ist, das den Pakt betrifft...", presste ich hervor.

Über andere Dinge wollte ich nicht mit ihm sprechen. Er würde es nur wieder schaffen, dass ich nachgab.

„Hat es nicht. Es ist mir dennoch sehr wichtig", gab er zu.

Er war ganz anders als sonst... Irgendwie so sanft und gleichzeitig unendlich verletzlich. In diesem Augenblick sah er nicht aus, als ob er auch nur einem einzigen Lebewesen etwas zuleide tun konnte, nicht einmal dem kleinsten.

The King (BoyXBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt