Kapitel 1

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Ungeschickt stolperte Celine Hellmann als fünftes Rad am Wagen über die Bordsteinkante. Sie landete unsanft auf dem Asphalt und rappelte sich mühselig wieder hoch, während ihre Freunde fröhlich lachend weitergingen, vermutlich, ohne ihren Sturz überhaupt bemerkt zu haben.

Celine lief glucksend hinter ihnen her, versuchte, Teil des Gesprächs zu werden, doch es schien, als hätten Elle und die Anderen vergessen, dass die zierliche, unscheinbare Blondine überhaupt anwesend war.

Es war ein mäßig sonniger Tag im April. Celine fröstelte ein wenig. Alleine trottete sie über den Gehsteig, während sie ihre Arme um sich schlang. Wind pfiff durch die Straßen Berlin-Kreuzbergs. Der Tag neigte sich bereits dem Ende zu und Celine fragte sich, wohin sie diese Nacht verschlagen würde. Sie baute darauf, dass Elle den perfekten Ort schon lange Zeit vorher gefunden hatte und so lief sie relativ sorglos hinter der Gruppe Studenten her, die inzwischen einige Meter vor ihr war.

Elle. Sie war alles, was man sich in einem Menschen nur wünschen konnte. Umwerfend schön, ihre dunklen Locken harmonierten perfekt mit dem strahlenden Weiß ihrer Zähne und ihrem südländischen Hautton. Außerdem sehr witzig, charmant und organisiert. Sie hatte Celine schon einige Male aus der Patsche geholfen, etwa, wenn diese vergessen hatte, ihren Wecker zu stellen. Grob gesagt war Elle das genaue Gegenteil von der schüchternen, tollpatschigen Blondine. Doch diese fand, dass genau diese Tatsache ihre Freundschaft ausmachte.

Sie hielten vor einem großen grauen Mehrfamilienhaus. Die Fenster waren größtenteils dunkel, auf den Balkonen standen welke Topfpflanzen und rostige Klapptischchen. Die Wolken färbten sich langsam rot und Celine konnte nicht aufhören, staunend in den Himmel zu sehen. "Komm schon Celame!", rief Elle und packte sie unsanft am Handgelenk. "Willst du die ganze Nacht hier rumstehen?" Die Leute um sie herum lachten und verschwanden im Treppenhaus des Gebäudes.

Celine stolperte hinter ihren Freunden her. Lautes Bassgewummer ließ den Putz von den Wänden rieseln. Drinnen war eine Wohnungsparty im Erdgeschoss schon in vollem Gange. An der Decke hing Klopapier, überall standen Getränkedosen herum. Unmengen an Leuten, die Celine noch nie gesehen hatte, tanzten mehr schlecht als recht durch den engen Flur. So gut wie möglich versuchte sie sich durch die Menge zu drängeln. Elle hatte sie längst aus den Augen verloren.

In der Küche war es noch lauter, als im Flur. Eine kleine Runde hatte sich um den klapprigen Tisch gebildet, auf dem Bier - Pong aufgebaut war. Celine konnte nichts Genaues erkennen, doch sie hörte in regelmäßigen Abständen das Grölen und Klatschen der Mitspieler. Sie erhielt ein paar unwirsche Blicke als sie sich eine der billigen Bierdosen griff, die auf der schmierigen Küchentheke standen.

Seufzend ließ sie sich auf einem der Barhocker nieder, die mitten im Raum standen und nicht sehr stabil aussahen. Es dauerte nicht lange, da setzte sich ein junger Mann zu ihr. Zunächst nagelte Celine ihren Blick weiterhin auf den schmutzigen Küchenfliesen fest. Als der Typ sich räusperte, sah sie auf.

Der beißende Geruch abgestandenen Zigarettenrauchs schlug ihr entgegen. Sie fühlte sich an das Büro ihres Vaters erinnert, in dem es die meiste Zeit über ähnlich gestunken hatte.
„Hey, na?", murmelte der Typ.
Er sah ziemlich mitgenommen aus. Seine Haare klebten in fettigen Strähnen an seinem Schädel, an seinem Pullover fanden sich einige Löcher und er trug keine Schuhe. Seine Füßen waren ungepflegt und erzeugten bei jeder Bewegung, die er auf den Fliesen machte, ein klebriges Geräusch.

Celine wäre gerne aufgestanden und gegangen, empfand dies jedoch als sehr unhöflich und blieb deswegen auf dem wackeligen Hocker sitzen.
„Hallo", sagte sie müde und blickte nun das erste mal richtig auf.
„Was verschlägt eine Schönheit, wie dich auf so eine widerliche Studentenparty?", fragte der Typ.
„Wenn du sie so widerlich findest, warum bist du dann hier?", fragte Celine zurück. Der Typ lachte grunzend und ließ seinen Blick durch die Küche schweifen.
„Ich bin der Gastgeber", sagte er schließlich.
„Ah", machte sie und fühlte sich mit einem Mal unwohl.
„Warum?"
Es war das Einzige, was ihr einfiel, um die Stille zu brechen. Der Kerl wich ihrer Frage aus. Statt einer Antwort sagte er: „Ich bin Angelo."

In der Hölle ist Champagner gratisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt