Kapitel 7

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"Was ist das?"

Mit einem Ausdruck purer Abwertung ließ er seinen Blick über das leicht zerknitterte Papier schweifen. Er überflog die geschriebenen Zeilen.

"Meine Deutschklausur", murmelte Celine, die insgeheim recht stolz auf das Ergebnis war.

"Wie war das? Ich kann dich nicht verstehen, wenn du so leise sprichst" Die Stimme ihres Vaters war eine jener Stimmen, von denen man nur ungern eine Geschichte vorgelesen bekommt. Derb, kratzig und doch auf irgendeine Art und Weise ruhig. Fast schon bedrohlich. Sein Augen schienen hinter seiner Karreebrille, wie erloschene Sterne. Kalt und freudlos.

Celine fragte sich oft, ob es eine Zeit gab, in der ihr Vater auch einmal lächelte. Wenn er nicht gerade überdeutlich buchstabierte, konnte man seine Zähne nur selten sehen.

"Meine Deutschklausur", wiederholte sie ihre letzten Worte. "Dreizehn Punkte" Sie sah ihn an und er hob langsam den Kopf. Im schwachen Schein der Schreibtischlampe wirkte sein schmales, bleiches Gesicht, wie ein Totenschädel.

Vorsichtig, um nicht überstürzt zu wirken, nahm sie das Blatt aus seinen Händen.

"Warum schicke ich dich überhaupt noch zur Schule?", fragte er nach einer kurzen Pause. "Wenn du sogar in Deutsch, deiner Muttersprache, versagst" Sie kniff die Augen zusammen.

"Ich brauche nur deine Unterschrift", sagte Celine. Ihr Vater beugte sich vor und sah ihr direkt in die Augen. Diesen Blick kannte sie schon, doch jedes Mal fühlte sie sich erneut unbehaglich. Tag für Tag war es, als würde sie mit einer fremden Person zusammenleben. Eine fremde Person, die sie nun niederstarrte.

"Die kriegst du nur bei voller Punktzahl...verstanden?" Er wich zurück, fuhr mit seinen langen Fingern durch seine grauen Haare, die spärlich an seinem Kopf lagen und steckte sich eine Zigarette an. Den Qualm des ersten Zuges blies er seiner Tochter provozierend mitten ins Gesicht.

Sie hustete und wandte sich ab. "Papa" Sie zögerte. "Warum tust du das?"

Anstatt die Frage zu beantworten hob er seine Hand und wies zur Tür des Büros. "Ich habe gekocht, iss oder lass es, aber hör jetzt auf, mich zu belagern"

Seufzend ließ sie die Klausur sinken.

Und Celine fuhr mit einem lauten Schrei aus dem Schlaf.

Panisch sah sie sich um. Es war bitterkalt, bläuliches Licht erfüllte die Gegend.

Die Hölle

Neben ihr saß Dan und lächelte Müde. "Na? Wie war dein erster Höllentraum?" Verdutzt blickte sie ihn an. "Was?" Er richtete sich auf. Nebelschwaden waberten um sie herum, jedes Wort, dass er von sich gab hörte sich dumpf an, als wäre ein Wand zwischen ihnen.

"Du hast geträumt, und garantiert nicht schön, also...worum ging es?" Sanft lächelte er. Zitternd sah sie ihn an, während sie versuchte, ihre Jacke noch enger zuzuziehen. "Mein Vater...er...hatte wieder keine Lust auf mich"

Dan runzelte die Stirn. "Wieso?" Celine schüttelte den Kopf. "Ich weiß es nicht...aber es war so unfassbar..." Sie suchte nach dem richtigen Wort, um den Traum zu beschreiben. "Real?", versuchte Dan ihr auf die Sprünge zu helfen.

"Ja! Als hätte ich eine klare Erinnerung angesehen." Es stimmte. Celine hatte sich selbst über die Schulter gesehen, wie in einem Videospiel. "Wie kann das denn sein?" Verzweifelt sah sie zu Dan, der sein Hemd zuknöpfte.

"Glaub mir, jeder hier kennt das. Sie zwingen dich zu schlafen und lassen dich die schlimmsten Ereignisse deines Lebens noch einmal erleben."

Mit einem Schlag wurde es hell. Celine kniff die Augen zusammen, als die Hölle in das üblich rote Licht getaucht wurde. Die Flammen loderten auf und die Toten um sie herum rappelten sich nach und nach auf und traten wortlos in die Hitze. Gefallene Engel marschierten die Reihen auf und ab, ihre ledernen Peitschen schwingend.

In der Hölle ist Champagner gratisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt