Kapitel 5

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Der Knall glich dem einer kleinen Bombe. Es schepperte, Glas klirrte und Celine mittendrin. Sie klammerte sich an das Lenkrad, als der Wagen sich überschlug und in den kleinen Graben zwischen Straße und Gehsteig krachte.

Dann war es dunkel. Sie spürte warmes Blut an ihrer Schläfe hinabrinnen. Binnen Sekunden pochte ihr ganzer Körper, schrie nach Hilfe, doch es passierte nichts. Sie war weder im Stande, die Augen zu öffnen, noch, irgendein anderes Körperteil zu bewegen. Celine fühlte sich machtlos, schwach, tot.

Tot.

Ihre Gedanken rasten. Sirenen dröhnten in weiter Ferne. Zu spät. Niemand konnte Celine helfen, das wusste sie. Sie konnte es förmlich spüren, wie das Leben ihrem Körper entwich. Wie ihre Seele sich von der leblosen Person trennte, die weiterhin auf dem Fahrersitz des PKWs festgeschnallt war.

"Jetzt ist es so weit. Jetzt komme ich in den Himmel. Vielleicht treffe ich Shakespeare oder Prince!", schoss es ihr durch den Kopf. Mit einem Mal war das Gefühl, zu sterben nicht mehr so befremdlich. Viel mehr befreiend. Befreiend von all den Dingen, die sie wütend machten, die sie hasste, die sie gestört hatten.

Im Himmel gab es so etwas bestimmt nicht.

Die Autotür wurde aufgerissen. Stimmen drangen an ihr Ohr. Jemand drückte seine Finger an ihren Hals, doch sie nahm die Berührung kaum wahr. Und auf einmal konnte sie sich selbst sehen. Wie einige Sanitäter sie behutsam aus dem Wagen hoben und auf eine Trage legten. Ein letztes Mal erspähte sie ihr Gesicht, bevor es von einem Tuch verdeckt wurde.

Dann war es schwarz.

******

Als sie wieder zu sich kam, stand sie. Celine blickte an sich herab. Sie steckte eindeutig in ihrem Körper, aber wo war sie? Um sie herum war es düster, sie konnte kaum die Hand vor Augen erkennen. Zwar hatte sie keine Ahnung, doch sie war sich ziemlich sicher, dass es im Himmel nicht so bestialisch stank. Der Geruch von Schwefel und Rauch zog in ihre Nase.

Es gab auch nicht besonders viel Platz. Bei jeder Bewegung stieß sie gegen harte Felswände. Auf einmal wurde es hell. Das plötzlich gekommene Licht brannte in den Augen und tauchte alles in rötlich flackernde Töne. Celine stand in einer Schlange von Menschen, die sich wiederum durch einen schier endlosen Gang erstreckte. Nach einer Weile setzte sie sich langsam in Bewegung.

In einem schleichenden Tempo ging sie hinter ihrem Vordermann her. In der Ferne waren Schreie und peitschenartige Geräusche zu hören, die langsam näher kamen. Schließlich leitete der Gang mit einem stählernen Durchgang eine Kurve ein.

Eine seltsame Kreatur erwartete sie auf der anderen Seite. Der kleine Mann hatte tiefschwarze Augen, ohne eine Iris. Seine federige Haut schien zerknittert und braun, wie Pappe und an seinem Rücken hing eine Art Gestell, fast, wie blecherne Flügel, billig von der Requisitenabteilung zusammengenagelt. Er hatte einen Block in seinen klauigen Händen und starrte sie unentwegt an, als erwarte er eine Antwort auf eine Frage, die er noch nicht gestellt hatte.

"Was...soll ich tun?", fragte sie unsicher. Man konnte es durch die vollkommene Schwärze nicht erkennen, aber Celine war sich sicher, dass er mit den Augen rollte. "Name?", schnauzte er mit nasaler Stimme. Seine spitzen Zähne blitzten gelblich. "Celine...Hellmann"

Er begann in seinem Block zu blättern. Dann hielt er inne. "Da hab' ich dich!", murmelte er. "Autounfall...langweilig" Er klappte den Block zu und musterte sie. Schließlich hob er seine Hand und fuhr mit einer Kralle über ihre Stirn. "Beachtlicher Schnitt, das muss ich dir lassen" Celine zuckte ein wenig zurück. Dann nickte das seltsame Geschöpf in die Richtung, aus der laute Rufe und Schreie zu hören waren.

Unsicher machte sie sich auf den Weg in die Dunkelheit. Nach einigen Minuten hatte der ewig lange Gang ein Ende, doch auf das, was sie sah, war sie nicht vorbereitet gewesen. Sie stand am Rande eines riesigen Gewölbes, aus dessen Boden geysirartig Dampf spritzte. Schier unendliche Reihen aus purem Feuer bahnten sich ihren Weg. Es war dunstig und heiß. Celine spürte den Schweiß an jedem Zentimeter ihres Körpers. Sie hatte das Gefühl, seit Stunden in einer Sauna eingesperrt zu sein. Das Atmen fiel ihr zunehmend schwerer.

In der Hölle ist Champagner gratisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt