Kapitel 19

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Um sie herum drehte sich alles. Blut rauschte in ihren Ohren, gleichzeitig schlug Metall auf Metall, Glas klirrte, ein Herz pochte jemand atmete hastig ein und aus, bis ihre Sicht verschwamm.

Schwindel machte sich in ihrem Kopf breit, als sie auf Dan zuwankte und schließlich über ihm zusammenbrach. Celine zitterte am ganzen Körper, ihre Rippen schmerzten mit jeder Bewegung. Tränen liefen ihre Wangen hinab.

"Dan?"

Es war das erste, was ihr einfiel, auch wenn es unfassbar dämlich war.

Sie können alles zerstören.

Auch Leben nach dem Tod?

Hastig presste sie ihre Hand auf seine Brust, mit der anderen stützte sie sich neben seinem Kopf ab. Kleine Steinchen bohrten sich in ihre Haut und Celine biss sich auf die Lippe.

Nicht zwingend um den Schmerz in ihre Hand zu unterdrücken, sondern den in ihrer Seele.

"Nein", murmelte sie immer wieder. "Nein, bitte nicht" Sie schüttelte ihn sanft, sein Körper schwang unter ihr leicht hin und her, aber als sie von ihm abließ rührte er sich nicht mehr. "Du kannst doch nicht in der Hölle sterben"

Sie musste kichern, dachte daran, dass ihm dieser Spruch sicher gefallen würde. "Komm schon, steh auf, bitte" Verzweifelt fuhr sie sich durch die Haare. Sie waren komplett verklebt und dreckig. Ruß und Speichel vermischten sich in ihrer Hand.

Celine atmete tief durch, bevor sie sich wieder Dan widmete. "Fuck", flüsterte sie, mehr kam ihr nicht in den Sinn. Ihr Gesicht war mittlerweile von Tränen überströmt. Sie war verschwitzt und kaputt.

Und allein.

Entmutigt ließ sie ihre Kopf sinken, bis sie mit ihrer Stirn gegen den verstaubten Stoff des Hemdes stieß, das Dan trug. Eine Weile hockte sie so über ihm, verlassen und orientierungslos. Dann erhob sie sich wieder, was sie einige Mühe kostete. 

Celine erinnerte sich an ihren Aufbruch, die Schwierigkeiten die sie gehabt hatte. Die Probleme hatten schon beim gerade gehen angefangen. Und auch jetzt drückte sie die unsichtbare Kraft wieder nach unten, obwohl sie dieser in den letzten Tagen mächtig gewesen war.

Dan hatte ihr aufgeholfen. Und jetzt lag er am Boden. Sie wusste, dass sie die Schuld an dieser Tragödie trug. Wusste, dass Dan sich ihretwegen in Gefahr gebracht hatte und ein zweites Mal gestorben war. 

Ihr Blick fiel auf das Plateau, das weit über ihren Köpfen lag. Das Plateau, auf dem sie zum ersten Mal die menschliche Seite an ihrem Begleiter entdeckt hatte. Wie er für sie getanzt hatte, das Leuchten in seinen Augen, die nun geschlossen waren und sich vermutlich auch erstmal nicht wieder öffnen würden.

"Nie wieder" ging es Celine durch den Kopf.

Vor ihr sah sie verschwommen die Schritte, die Dan ihr gezeigt hatte. Hörte wieder das leise Knirschen unter seinen Schuhsohlen. Sanft lächelnd schüttelte sie den Kopf.

Nicht nur war ihr völlig schleierhaft, weshalb es ihm so wichtig gewesen war, ausgerechnet ihr zu helfen, auch hatte sie keinerlei Verständnis dafür, wieso er überhaupt in der Hölle enden sollte.

Steuerhinterziehung? Das war doch kein Grund!

Wütend klammerte sie sich an ihn. Er hatte es nicht verdient, dort zu liegen, sie sollte seinen Platz haben. Stattdessen hockte sie nun hier und wusste sich nicht zu helfen, wie ein kleines Kind. 

Eine Zeit lang starrte sie ihn einfach nur an, bevor ihr Blick auf den zusammengesunkenen Körper des Höllenhundes fiel. Hinter dem Schleier aus Tränen bildete er nur einen schwarzen, undefinerten Haufen.

Und Celine schrie. Sie konnte nicht aufhören, sich den Frust aus der Seele zu brüllen, auch wenn sie genau wusste, dass sie sich somit den Engeln auslieferte. Es war ihr egal, sie wollte die Hiebe der Peitschen spüren, die lodernde Hitze des Feuers, in dem sie wieder und wieder verbrannt werden würde. Sie brauchte den Schmerz, um das auszubaden, was sie angerichtet hatte.

"Ich bin ein Monster", flüsterte sie. "Ich habe dein Leben nach dem Tod zerstört, ich habe jedes Recht hier zu sein" 

Dan lag weiterhin regungslos auf dem kalten Stein.

"Es tut mir leid"

Sie spürte einen kalten Windzug, der sich durch die Grotte bahnte und sie in Angst und Trauer einhüllte. Dunkle Schritte hallten aus dem Gang, ein leises Rascheln ertönte. Eine Anwesenheit, die Celine zum Zittern brachte. Sie wagte es nicht sich umzudrehen, schloss nur ihre Augen und ihre Finger um Dans Hemdkragen.

Ein Schatten bäumte sich über ihr auf, verdeckte den grünen Schimmer und sperrte sie in eine unerträgliche Dunkelheit. 

Dann krallte sie etwas schmerzhaft in ihren Nacken.

Und vor ihrem inneren Auge prallten die Fahrzeuge aufeinander.

In der Hölle ist Champagner gratisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt