Kapitel 17

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Immer wieder scrollte Elle durch die Nachrichten, die sie im Verlauf der letzten Tage erhalten hatte. Ihr Vater sah sie besorgt an. "Süße, wer war denn das? Du bist ganz bleich", fragte er fortlaufend, doch Elle brachte es nicht fertig, auch nur ein Wort herauszupressen.

"Elle?" Sie fuhr zusammen, als ihr Vater ihre Hand ergriff. "Rede mit mir!"

"Jones", sagte sie schließlich. Es war so leise, dass sie es selbst kaum hörte. "Bitte wer?", fragte ihr Vater.

"Der unbekannte Schreiber...ich glaube er war es; der Mann am Telefon"

"Bestimmt nur ein blöder Streich" Er grunzte, aber Elle fühlte sich zunehmend unwohl. Stöhnend fuhr sie sich durch die Haare. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weshalb auch immer, schließlich war sie es, die sich verfolgt fühlte, nicht der seltsame Typ, der sie mit Nachrichten bombardierte.

"Er meinte, er würde mich kennen, mehrfach, er...er meinte, er sei mein Vater" Elle blickte auf. Ihr Vater sah sie lange an. "Hör mir zu Kind" Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Ich kann dir versichern, dass, wer immer diese Pfeife ist, ein Lügner ist. Okay? Ich war bei deiner Geburt anwesend, ich habe dich großgezogen, ich weiß, dass ich dein Vater bin. Nicht Jones, keiner sonst" Er lächelte warm und Elle atmete tief ein und aus.

"Du hast Recht", murmelte sie, obgleich sie sich kein Stück besser fühlte. Noch immer kam ihr der Name so bekannt vor. Noch immer schwirrte in ihr der Gedanke, dass sie die Nachrichten gezielt erhalten hatte.

******

Keuchend sprintete Celine durch das höllische Gangsytem. Dan war ihr dicht auf den Fersen. Fluchend hastete er hinter ihr her, wich mehr schlecht als recht den Peitschenhieben des gefallenen Engels aus.

Links, rechts, links, nochmal links, gerade aus, rechts.

Blindlings verfolgte sie den unbestimmten Weg, ohne sich im Klaren darüber zu sein, wo der sie hinführen würde.

Es ist quasi unmöglich, hatte Dan gesagt, als er ihr seinen Plan vorschlug. Sie wollte sich nicht ausmalen, was mit ihr geschehen würde, sollten sie gefasst werden. Ihre Lunge schmerzte, als steckte ein Pfeil in ihr, ihre Beine spürte sie längst nicht mehr. Sie liefen, wie von fremder Hand gesteuert stur weiter.

Plötzlich hörte sie einen dumpfen Aufschlag und einen leisen Ausruf des Schmerzes. Erschrocken fuhr sie herum. Es war stockfinster, ihre Augen schafften es nicht, sich an die Schwärze zu gewöhnen, obwohl es zuvor immer so leicht gewesen war.

"Dan?", zischte sie. "Wo bist du? Ist alles okay?" Kurz war es still und Celine traten die Tränen in die Augen. Sie hatten Dan erwischt.

"Ja", murmelte dann jemand. Sie beugte sich nach unten. "Fuck ich kann nicht mehr", japste Dan. "Ist er weg?", fragte sie, bevor sie kraftlos neben ihm zusammenbrach. Dan antwortete nicht, aber Celine deutete das sanfte Rascheln als Nicken.

Minuten lang saßen sie hechelnd nebeneinander in der undurchdringlich Dunkelheit.

Es war seltsam stickig, nicht wie zuvor. Immer wieder schaffte Celine es nicht, Luft zu holen. Dan schien es ähnlich zu gehen. Er röchelte leise.

"Was ist los?", fragte sie verunsichert und sah sich um. Sie spürte rauchige Schwaden an ihr vorbeiziehen und rümpfte die Nase. "Ich weiß es nicht" Dan klang besorgt. Er richtete sich auf. 

Der Rauch legte sich nicht. Stattdessen färbte er sich grünlich. "Nicht schon wieder der Disney–Bösewicht", murmelte Celine und sah flehend zu Dan, den sie nun im wabernden Licht erkennen konnte. Er grinste. "Ich sehe wir verstehen uns"

Celine verkniff sich mit einiger Mühe ein Lächeln und stieß ihm stattdessen in die Rippen.

Der Rauch schlang sich allmählich um sie, wie ein aufgerautes Seil, dass sie aneinander fesselte. "Irgendwie brennt dieser Mist in den Augen" Sie fuhr sich durch's Gesicht. Dan nickte, dann erstarrte er. "Du hast Recht, es brennt in den Augen", flüsterte er, panisch um sich blickend. 

"Ja, das hier ist die Hölle...was ist so seltsam daran"

Dan packte sie an den Schultern, sodass sie ihn direkt anstarrte. "Genau, das hier ist die Hölle, hier gibt es sehr unnatürliche Viecher..." Er stieß sie von sich lief aufgeregt hin und her.

"Daniel! Was. Ist?", sagte Celine bestimmt. Er hielt Inne. "Daniel?"

"Hab geraten, jetzt sag schon!"

"Vanafer–Hunde", sagte er verschwörerisch. "Vanawas?" Celine runzelte die Stirn. "Ein Typ im Feuer hat mir von ihnen erzählt, ich weiß nicht, ob er die Wahrheit gesagt hat, aber wenn sie kommen, dann bildet sich beißender Rauch, um die Opfer zu verwirren" Er schluckte. "Und dann?", fragte Celine, unsicher, ob sie die Antwort überhaupt hören wollte.

"...dann zerfleischen sie dich"

Ihre Augen weiteten sich. 

"Jap", sagte Dan "Scheiße, und jetzt komm mit"

Er packte sie am Handgelenk und sprintete in irgendeine Richtung.

"Nicht schon wieder rennen", dachte Celine, während sie ihr Gesicht halb in ihre Ellenbeuge presste, um ihre Atemwege freizuhalten. Der Rauch legte sich nicht und sie hatte das Gefühl, direkt in die Arme dieses Wesens zu laufen, von dem Dan ihr berichtet hatte. Dans Griff lockerte sich nicht, dafür verstärkte sich ihre Angst mit jedem Schritt.

Erst, als am Ende des Tunnels ein weiteres schimmerndes Licht erschien, hielt er an. Sie waren in einer Grotte in dessen Mitte ein schmieriger See voller willkürlicher Gegenstände lag. In der Grotte, aus der sie vor den Engeln geflohen waren. Celine fühlte sich unbehaglich, schmutzig und ausgelaugt. Dan hingegen wirkte hellwach. Er kniff die Augen zusammen, als er in den Tunnel blickte, den sie gerade verlassen hatten.

Und ein tiefes Knurren hallte ihnen entgegen.



In der Hölle ist Champagner gratisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt