Kapitel 14

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Timo saß mit verschränkten Armen auf seinem Stuhl. Nervös biss Celine sich auf die Lippe, als sie auf ihn zukam. "Ich verdiene seine Aufmerksamkeit nicht länger", dachte sie, als sie sich neben ihn setzte.

Unsicher stellte sie ihre Schultasche auf den Tisch und blickte ins Leere. " 'tschuldige ", murmelte sie mit einem Seitenblick auf ihn. Er hob die Augenbrauen, starrte aber stur weiter geradeaus. "Ich hab dir Schokolade mitgebracht...Die, die du am liebsten magst, mit Karamell"

Celine hielt ihm die Tafel hin. "Es tut mir wirklich leid, mein Vater..." Timo drehte sich ruckartig zu ihr. "Celine! Glaubst du, du kannst immer alles mit deiner zuckersüßen Stimme wieder gut machen? Ich habe gestern zwei Stunden auf dich gewartet. Warum hast du nicht wenigstens angerufen?" Seine Augen blitzten, wütend, verletzt. Und es war ihre Schuld.

"Er hat mein Handy", nuschelte sie. "Wie war das? Sprich doch einmal in deinem Leben so, dass ich dich verstehen kann!"

"Er hat mein Handy!", wiederholte sie etwas lauter. "Nicht die Lautstärke. Ich verstehe, was du sagst...Aber ich verstehe dich nicht. Jedes Mal kommt irgendwas dazwischen, jedesmal dieselbe Ausrede!" Er hielt inne. "Weißt du, wenn du mich nur ausnutzt, um in den Pausen nicht alleine rumzustehen, dann..."

"Nein, spinnst du?" Entsetzt griff sie nach seiner Schulter. "Ich war schon fast draußen, doch dann hat er mich erwischt. Ich hab den Mond angesehen, durch die Scheibe, und habe mich so geschämt. Ich verspreche es dir!"

Timo schüttelte den Kopf. "Wer spinnt hier? So einen Vater hat doch kein Mensch! Warum kann ich ihn nicht endlich mal kennenlernen? Langsam glaube ich, es gibt ihn gar nicht. Du hast einfach nur keinen Bock mehr auf mich" Celine schluckte. "Nein, bitte"

"Und mit Schokolade kannst du meine Welt auch nicht retten. Das Land voller Einhörner, in dem du lebst vielleicht. Aber was du mit mir abziehst nicht"

Er schnappte sich seinen Rucksack und setzte sich ans Fenster. Stumm blickte er auf den Schulhof, der sich langsam leerte. Celine stand auf. "Timo"

Er verdrehte die Augen. "Komm nicht mit deinem Welpenblick an, den kann ich jetzt echt nicht gebrauchen. Geh und such dir einen anderen Freund"

Sie wollte etwas erwidern, doch der grimmige Erdkundelehrer betrat den Klassenraum und Celine wachte auf.

******

"Alles in Ordnung?", fragte Dan. Erschrocken wirbelte sie herum. Er lehnte an der Wand, die Augen halb geschlossen. "Ja", sagte sie, auch wenn ihr ganzer Körper das Gegenteil schrie.

"Lass uns weiter gehen" Sie stand auf und streckte sich, setzte ein Lächeln auf.

"Mach wenigstens einmal in deinem Leben das Beste draus", sagte Elle in ihrem Kopf und so ging sie los, ohne eine Idee davon zu haben, wo sie landen würde. Dan folgte ihr hastig.

"Sicher das du okay bist?" Er sah besorgt aus. Celine runzelte die Stirn. "Ja? Seit wann kümmerst du dich?" Sie erschrak über den genervten Tonfall, den sie noch nie an sich gehört hatte. Dan wich zurück. "Gut, dann nicht"

Stumm bahnten sie ich ihren Weg entlang der Felswand. Neben ihnen ging es in die Tiefe. Kleine Steinchen brachen ab und flogen, bis sie nach gefühlten Minuten am Boden aufschlugen, wie in einem zweitklassigen Actionfilm. Celine lief stur weiter, ohne einen Blick nach unten zu verschwenden. Dan war direkt hinter ihr und atmete schwer. Ihm schien die Höhe nicht zu bekommen und Celine hätte ihm gerne geholfen, wusste aber nicht, wie.

Endlich waren sie am Ziel, einem Tunnelausgang am untersten Plateau, wo sich auch der zähe See befand. Es stank bestialisch nach Schwefel, verfaulten Lebensmitteln und alter Kreide. Jetzt erst fielen Celine die Gegenstände auf, die etwa zehn Zentimeter über der Oberfläche schwebten, sich ineinander verankerten und eine eigenartige Schicht unter den Nebelschwaden bildeten. Sie sah genauer hin.

Die Gegenstände schienen recht willkürlich, bedeutungslos. Eine Gabel schrappte leicht über ein Deospray und erzeugte ein ekelhaftes Geräusch, dass heulend durch die Grotte hallte.

"Aw", machte Dan mit einem angewidert verzerrten Gesicht. "Das waren keine Höllenhunde?" Celine schluckte. "Offensichtlich nicht" Der Teppich aus Gegenständen, eingebettet in grünen Rauch schwappte hin und her, wie in einer Badewanne. Dan musste sich eilig ducken, um nicht von einer gammeligen Wärmflasche erschlagen zu werden.

Celine kicherte, dann weiteten sich ihre Augen. Verwirrt blickte Dan sie an. "Was'n jetzt?", fragte er, da hatte sie ihn schon am Ärmel gepackt und mit sich in die Tiefen des Tunnels gezogen.

"Bleib doch stehen, was ist denn los?", rief er, stolperte und fiel fast zu Boden. "Wirst du wohl still sein", herrschte Celine ihn an. "Engel!" Sie bogen scharf nach rechts. "Oben am Plateau, ich hab die Flügel gesehen"

Schließlich blieben sie stehen. Celine lauschte in die Schwärze.

Nichts.

Kein Ton kam ihnen entgegen.

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich nach meinem Tod noch zum Leichtathleten werde", japste Dan. Celine sah ihn böse an, was er, dank der plötzlichen Dunkelheit allerdings nicht erkennen konnte. Langsam sank er zu Boden. "Heilige Scheiße"

Ihn durchfuhr ein enormer Schlag, der ihn wimmernd zusammenkauern ließ. "Man!", maulte er, war doch nicht gegen dich Lucy!" Wieder zuckte er zusammen und er stöhnte schmerzerfüllt. "Sei bloß ruhig", zischte Celine ihm zu. "Am Ende können die dich so noch orten"

Motzig sah er sie an, was sie, dank der plötzlichen Dunkelheit ebenfalls nicht erkennen konnte. "Keine Sorge, mit geht es ausgezeichnet, nachdem der, hier T-Wort einfügen, mich höchstpersönlich unter Strom gesetzt hat! Danke der Nachfrage" Celine seufzte. "Ist alles okay?" Sie kniete sich neben ihn. "Ich glaub ich muss brechen"

"Also ja" Sie richtete sich wieder auf. Dan würgte. "Bitte nicht, was meinst du was das stinken wird?"

Er starrte zur ihr empor. "Sind wir schlecht gelaunt?"

"Durchaus" Celine sah sich gestresst um. Allmählich konnte sie wieder schemenhafte umrisse erkennen. Zu ihren Füßen lag ein grauer Haufen, den sie als Dan erkannte und vor ihnen stand ein Paar knochiger Flügel, die bedrohliche vor und zurück schwangen. Sie kickte Dan in die Seite.

"Boah, was?", stöhnte der. Dann fiel sein Blick auf den gefallenen Engel, der mit seiner Peitsche ausholte.

"Eure Seelen sind Geschichte", hallte die grausige Stimme durch die Tunnel und in einem kurzen Augenblick des Funkenregens, der von der Peitsche ausging, erschien das fahle Gesicht ihres Vaters vor ihnen.

Celine schrie auf und rannte los, ohne an Dan zu denken, der sich mühsam aufrappelte und ihr folgte. Ohne den ersten Peitschenschlag als Echo knallen zu hören.

In der Hölle ist Champagner gratisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt