Kapitel 4

303 56 32
                                    

Patrick trieb mit einem aufblasbaren Einhorn auf dem indischen Ozean.

Er hatte nichts bei sich, außer dem durchnässten Nadelstreifenanzug, in dem er steckte.
Die Sonne brannte heiß auf seine blasse Haut und hatte ihn dazu gebracht, seine halbwegs gemütliche Position auf dem riesenhaften Gummitier zu verlassen und es nun über den Kopf gestülpt mitzuführen.
Im Schatten der bunten Flügel war es schon fast zu kalt.

Und Patrick wusste nichts. Er hatte weder eine Ahnung von seinem Aufenthaltsort, noch, wie er überhaupt in diese missliche Lage geraten war.
Er wusste nur, dass er vermutlich seit einiger Zeit nicht getrunken oder gegessen hatte, und dass sein Tod ihn in wenigen Tagen, wenn nicht Stunden einholen würde, ob Patrick damit einverstanden war, oder nicht.

Es war nur wenige Minuten her, dass er seine Augen geöffnet, und sich fernab seines kölner Vorstadtlebens gefunden hatte. Nur wenige Minuten, seit denen ihm klar war, dass sein Leben ein abruptes Ende finden würde.

Auch die Kleidung, die er trug war ihm fremd. Als Bibliothekar einer Grundschule konnte er sich einen dermaßen teuren Anzug nicht leisten.

Patrick schob Elvis, wie er seinen Begleiter inzwischen getauft hatte, ein Stückchen beiseite, um den Stand der Sonne sehen zu können. In dem wolkenlosen Blau erschien sie ihm als milchiger Fleck.

So weit draußen im Nichts rechnete er mit einigen Tieren, doch bis auf ein paar kleine Fische, die eilig vor ihm geflohen waren, war ihm bisher kaum etwas begegnet. Patrick wagte nicht, darüber nachzudenken, wie es sein würde, wenn die Nacht hereinbrach. Waren Haie in der Kälte aktiver?

Er seufzte und krallte sich fester in seinen Gummifreund.
„Du weißt nicht rein zufällig, wie wir hier gelandet sind?", fragte er.
Elvis blieb stumm.
„Hätt' ich mir ja denken können...", schnaubte Patrick.

Er dümpelte weiter vor sich hin. Hatte er denn eine andere Wahl? Nein.

Patrick war müde und brauchte eine Ablenkung, um nicht im Schlaf zu ertrinken, obwohl dies wahrscheinlich sogar angenehmer wäre, als die Dehydrierung, die ihm bevorstand. Er begann, seine Taschen abzutasten. Womöglich hatte der Anzugbesitzer ja ein Hustenbonbon darin vergessen. Die rechte Außentasche war leer. Links fand er ein augenscheinlich benutztes, total aufgeweichtes Taschentuch.

Mit einem tiefen Seufzer entschied Patrick, dass es zwecklos war. Er durfte sich nicht so viele Hoffnungen machen. Sonst würden ihn diese noch in den Wahnsinn treiben. 

"Wenn es nicht schon Durst oder Hunger getan haben", dachte Patrick. Er gähnte und schluckte gleichzeitig einen Schwall Salzwasser, der ihm durch eine unerwartete Welle entgegenschlug. Keuchend röchelte er es, so gut es ging wieder aus.

Er fasste sich in leichter Panik an die Brust, wo er unter dem Stoff eine leichte Verhärtung spürte. Tumor? Knapp verheilte Wunde, die er noch nicht bemerkt hatte?

Patrick öffnete die Anzugjacke ein Stück und fand eine kleine Innentasche. Zögerlich griff er hinein. Seine Finger umschlossen einen kalten, kantigen Gegenstand, der in eine Art Folie gewickelt zu sein schien. Er zog ihn heraus und konnte ihn im langsam schwindenden Sonnenlicht genauer betrachten.

Und ihm stockte der Atem.

In der Hölle ist Champagner gratisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt