Kapitel 18

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Patrick schlug die Augen auf. Er war erschöpft, hungrig und er trug ein schlaffes Schwimmtier in Form eines Einhorns bei sich. Elvis war noch immer an seiner Seite, auch wenn Patrick keine Ahnung hatte, wo und ob er war.

Lebte er? Oder hatte er längst das Zeitliche gesegnet. Liebend gern hätte er zur Erde geblickt und seinem Sohn gewunken. Ihm gesagt, dass alles gut war, auch wenn das nicht stimmte. Seine Umgebung versprach alles Negative auf einen Schlag.

Er stand in einer endlosen Schlange aus Menschen, die in mäßigem Tempo durch einen engen Gang trieben. Es war unaushaltbar heiß und stickig. Patrick presste Elvis fester an sich. Der letzte Funken Sicherheit.

Der Gang endete abrupt und ein dämonisches Wesen schnarchte ihn an. "Name?" Es stutzte. "Ne warte, ich kenne dich, du bist der Typ mit dem Einhorn" Er lächelte fies, seine schwarzen Augen wanderten seinen Körper entlang und Patrick fühlte sich unwohl. "Sehr schöner Tod, gefällt mir!"

"Danke?", murmelte Patrick.

Das kleine Wesen notierte sich etwas auf einem Block und winkte ihn weiter. Da stand er nun, in einer gigantischen Halle, so groß, dass die andere Seite fern lag. Ein weiteres Wesen kam und schubste ihn unbeirrt in eine Flamme, die hinter ihm aufloderte. Patrick klammerte sich fester an seinen letzten verbliebenen Freund.

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Augenblicklich krallte Celine sich in Dans Arm. "Au, verdammt", fluchte er, während sie weiter und weiter zurückwichen, über ihnen die grün blubbernde Masse aus Gegenständen, dessen Sinn Celine sich noch immer nicht ganz bewusst war. Ihr Rücken streifte die Felswand und ihr Herz setzte aus. "Kann es uns umbringen?", fragte sie.

Dan nickte. "Ich glaube es ist im Stande alles zu vernichten"

"Alles?" 

"Naja, deine Seele ist streng genommen, das wertvollste, was du hier noch hast, also...ja, alles."

In diesem Augenblick trat es aus dem Tunnel. Celines Gesichtszüge entgleisten. Wie versteinerte lehnte sie an der Felswand, die Hand noch immer krampfhaft um Dans Handgelenk geschlossen.

Vor ihnen stand eine schaurige Kreatur, die Celine nur flüchtig aus Videospielen hätte kennen können. Es glich einem riesenhaften Pit Bull Terrier mit tiefschwarzem spärlichem Fell und spitzen Zähnen, von denen Speichel tropfte. Doch das war nicht das, was Celine schockte. Es war die Haut des Tieres. An Stellen aufgebrochen, soweit, dass die Knochen zum Vorschein kamen, blutverschmiert, faulig. Der Brustkorb war beinah komplett frei von jeglichem Schutz. Und hinter den Rippen pochte ein schleimiges Gebilde.

Sie hatte das dringende Bedürfnis, sich zu übergeben. Der Hund ließ ein bedrohliches Knurren hören. Schritt für Schritt kam er auf sie zu, geduckt, aufmerksam, bereit zum Angriff.

Sie konnte Dan panisch ein-und ausatmen hören. "War nett dich gekannt zu haben", sagte er. Alarmiert blickte sie zu ihm auf. "Was?"

"Ich habe nicht mit dir gesprochen"

Kaum hatte er seinen Satz beendet, riss er sich von ihr los, sprang auf das Tier zu und griff sich im Flug einen Kassettenspieler aus dem Dunst. Ein ungesundes, krachendes Geräusch ertönte, als das Gerät den Kopf des Höllenhundes traf und dieser aufjaulte.

"Scheiße, scheiße, scheiße", entfuhr es Celine, während sie versuchte sich aus der Sprungweite des Tieres zu bewegen. Der Hund fletschte die Zähne, der Schlag schien ihn nicht all zu sehr aus der Fassung gebracht zu haben. Ohne den Hauch einer Vorwarnung wandte er sich plötzlich ihr zu. Eiligen Schrittes bewegte er sich in ihre Richtung, bis sie ihm nah genug war, um seinen niederschmetternden Atem zu riechen. Celine stand kurz davor in Ohnmacht zu fallen, so fixierte sie sich auf die pechschwarzen Augen, die ihr wie dunkle Höhlen entgegenstarrten.

Zu lange währte der Blickkontakt, der Hund sprang auf sie zu, die Krallen nach ihr ausgestreckt. Schnell warf sie sich auf den Boden, kauerte nun in der Ecke und zitterte vor Angst.

Wieder fesselte sie der durchdringende Blick. Sie konnte sich nicht losreißen, war magisch angezogen von dem unendlichen Nichts. Speichel tropfte auf ihre Kleidung und ihr Gesicht. Celine zwang sich die Augen zu schließen. Sie wandte sich so weit ab, wie es nur irgendwie möglich war, immer verfolgt von der kalten Schnauze des Todes.

In Gedanken klammerte sie sich an das Lenkrad des kleinen Renault Clio, dem sie schlussendlich diese Situation zu verdanken hatte. Oder sollte sie sich vielleicht eher an sich selbst klammern? Schuld an allem konnte ja eigentlich nur sie sein.

Ein weiteres Krachen holte sie zurück in die Realität. Erschrocken atmete sie auf, als ein schweres Gewicht sie zu Boden drückte.

Es stank bestialisch. Über die eingeknickten, kaum behaarten Ohren hinweg, konnte sie Dan sehen, der verzweifelt versuchte, den Höllenhund von ihr runter zu ziehen.

Es liegt ein Höllenhund auf mir, ich liege in der Hölle und auf mir ein Höllenhund. Verrückt.

Eine der losen Rippen des Hundes bohrte sich schmerzhaft in ihre. Leise keuchte sie auf, dann war das Gewicht verschwunden. Dan hielt ihr seine Hand hin. Mühsam zog er sie hoch, bevor er sie musterte. "Alles gut?"

Celine nickte. Vorsichtig wagte sie einen Blick auf den am Boden liegenden Körper.

Er zuckte. Dann erhob er sich in einem viel zu schnellen Tempo, mit einem viel zu lauten Brüllen, das sie dazu brachte, sich die Hände angsterfüllt auf ihre Ohren zu pressen.

Sie kniff die Augen zu und drehte sich wieder weg. Vor ihren Augen lag die Straße hinter der Windschutzscheibe.

Noch durchdringender als das Gebrüll war der markerschütternde Schrei.

Celine schreckte auf und fuhr herum. Dan lag am Boden, über ihm die grausame Fratze des Höllentiers. Sie schüttelte den Kopf. "Nein, nein, nein, nein, nein, nein"

Sie war an der Reihe. Ohne Dan hätte sie keine zwei Minuten in der Hölle überstanden.

"Ich brauch dich noch Danny", murmelte sie, dann griff sie nach dem Kassettenspieler, der halb zertrümmert auf dem Boden lag und rannte auf das Wesen zu, das ihren Freund auf dem kalten Stein festnagelte. Mit aller Kraft schlug sie zu. Verwundert zuckte der Hund zur Seite. Und sein unschuldiger Blick machte Celine wütend. Sie schlug wieder zu, und wieder und wieder.

Das Tier jaulte und fauchte und schnappte nach ihr, wich jedoch immer weiter zurück. Kurz wägte sie sich in Sicherheit, doch der Hund hatte sie getäuscht. Mit einem weiteren ohrenbetäubenden Brüllen bäumte er sich vor ihr auf, wie ein Pferd, nur weit weniger elegant. Der Kassettenspieler lag verstreut in der Gegend. So griff Celine zur Seite in den Dunst. Sie brauchte etwas, irgendwas.

Sie bekam einen Dosenöffner zu fassen. Gerade rechtzeitig. Der Hund sprang auf sie zu und mit einem Schrei der Panik rammte sie den Öffner zwischen seine Rippen.

Sofort fiel er zu Boden, begleitet von leisem Winseln. Sofort hatte Celine Mitleid mit dem augenscheinlich sterbenden Tier zu ihren Füßen.

Sie schloss ihre Augen und atmete tief durch. Im Rückspiegel sah sie den Sattelschlepper, der ohne Schaden anzurichten an ihr vorbeifuhr.

Dan

Schlagartig wurde ihr kalt.

Sie drehte sich zu ihm, zu seinem leblosen Körper, der seit Minuten keinen Ton mehr von sich gegeben hatte.


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Ahhh schön, genau die richtige Szene für die besinnliche Zeit.

Anyways, Frohe Weihnachten und so.

In der Hölle ist Champagner gratisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt