Outer Banks - Welcome to the Southside

4. Pilot

Die Party war schon in vollem Gange als wir ankamen. Es waren so viel mehr Leute als auf Toppers Ferien-beginn-Party
Topper und Sarah verschwanden recht bald irgendwo in der Menge und Kelce ließ mich kurze Zeit später auch stehen, um sich an eine Touristin ran zu machen.
Tolle Party!
Ich wollte mich gerade wieder davon schleichen, als sich ein Arm um meine Schulter legte und mir ein roter Plastikbecher in die Hand gedrückt wurde.
Ich blickte in zwei bekannte, grau blaue Augen - JJ' s Augen.
"Konntest es keine 24 Stunden ohne mich aushalten, hm", Er zwinkerte mir zu.
"Ich bin nur wegen dem hier, hier", ich hob demonstrativ meinen Becher und nahm einen kräftigen Schluck. Was auch immer da drin war, brannte ganz schön in der Kehle.
"Na schön, dann geh ich eben wieder", schmollte JJ gespielt und machte Anstalten zu gehen.
"Na gut, du hast recht", spielte ich sein Spiel mit. Ich genoss seine Anwesenheit viel zu sehr!
Grinsend drehte er sich zu mir um. "Ich wusste, dass du dem hier nicht widerstehen kannst", er deutete auf sich selber.
Auch wenn ich ihn kaum kannte, war die nächste halbe Stunde, in der wir auf einem der angeschwemmten Baumstämme saßen, der Musik lauschten und das ekelhafte Zeug aus den Plastikbechern tranken, wirklich schön.
Als unsre Becher leer waren opferte sich JJ um neues weniger starkes Zeug zu holen.
Danach ging alles recht schnell.
Zwei Jungs fingen eine Prügelei an, bei genauerem hinsehen, erkannte ich dass es sich um Topper und John B handelte.
Das Passiert wenn Kooks und Pogues direkt aufeinander treffen - sie zerfleischen sich irgendwann.
Topper hatte recht schnell die Oberhand und drückte John B's Kopf so Unterwasser, dass dieser keine Luft mehr bekam. Sarah flehte Topper regelrecht an, aufzuhören - erfolglos.
Dann tauchte JJ in meinem Blickfeld auf, wie er Topper eine Waffe an den Kopf hielt.
Die Leute um mich herum ergriffen hektisch die Flucht, während ich nur Starr vor Schreck mit großen Augen auf die Waffe in JJ' s Hand starrte. Warum er?
Warum konnte nicht irgendein beliebiger anderer Pogue an seiner Stelle stehen und Topper bedrohen? Warum musste es ausgerechnet er sein?
"Und jetzt hört mir mal alle zu, ihr sollt euch von unserer Seite der Insel verziehen", JJ ließ von Topper ab und schoss dreimal in die Luft.
Ich stand immer noch wie angewurzelt da, nur dass ich mittlerweile am ganzen Körper zitterte.
Es war wohl eine Art Schockstarre in der ich mich befand und mit großen Augen weiterhin das Geschehen verfolgte.
"Hast du sie noch alle? Du Irrer! Warum hast du das gemacht?", gingen Pope und Kiara, ein Mädchen aus meiner Schule, auf JJ los.
Ich hatte genug gesehen, ich drehte mich um und lief, so schnell das eben im dunkeln ging, zurück zur Straße.
Ich wollte einfach nur weg hier. Vielleicht hatten die anderen recht, vielleicht waren diese ganzen Pogues wirklich kein guter Umgang.
Ein stechender Schmerz durchfuhr meinen linken Knöchel und ich fand mich kurz darauf im Sand wieder.
Ich holte mein Handy aus der Hosentasche und schaltete die Taschenlampe ein.
Mein Knöchel war aufgeschürft, scheinbar war ich über einen dieser Treibholzäste gestolpert.
Na toll, war ja klar, dass sowas immer mir passieren musste.
Jemand kniete sich neben mich: "Kannst du aufstehen oder soll ich dir helfen?"
Ich schwenkte mein Handy in Richtung der Person und erblickte einen geblendeten JJ.
"Nein Danke ich komm allein klar. Außerdem ist das nur n kleiner Kratzer", antwortete ich möglichst kühl und stand vorsichtig auf.
Ich zog scharf die Luft ein. Sobald ich auf dem linken Fuß auftrat durchfuhr mich der schmerz erneut. Ich spürte wie warmes Blut an meinem Fuß runterlief.
JJ ignorierte meinen Protest und legte vorsichtig meinen Arm über seine Schulter um mich zu stützen.
So liefen wir, oder besser gesagt, so humpelten wir, den Strand entlang bis zur Straße.
"Mist", weder Kelce Jeep noch sonst irgendein anderes Auto waren noch da.
JJ blickte mich fragend an.
"Meine Mitfahrgelegenheit ist nicht mehr da", klärte ich ihn auf und nahm schnell meinen Arm von seiner Schulter.
"Wo musst du denn hin? Ich kann dich begleiten", sagte er und ich wusste, auch wenn ich ihn nicht ansah, dass er gerade anzüglich mit den Augenbrauen wackelte.
Ich lachte sarkastisch auf: "Damit du mich erschießt und dann irgendwo im Wald verscharrst?"
Er lachte trocken: "Oh darum geht's dir. Hätte JB ertrinken sollen?"
Ich blieb stumm. Als wäre Topper zu sowas fähig gewesen.
"Scheiß Kooks", murmelte JJ bevor er sich neben mir auf einem Stein am Straßenrand nieder ließ.
Ich rückte demonstrativ von ihm weg, was er nur mit einem belustigten Schnauben quittierte.
"Geht's John B gut?", brach ich, nach einer halben Ewigkeit, vorsichtig das schweigen.
"Oho sie redet wieder mit mir", auch wenn ich ihn nicht ansah, war ich mir ziemlich sicher, dass JJ gerade spöttisch lächelte.
"Er kommt klar. Kiara und Pope kümmern such um ihn", beantwortete er schließlich meine Frage.
Na wenigstens eine gute Nachricht heute. Ich sollte mich langsam um eine Heimfahrt kümmern, nicht dass meine Mum wieder die Nerven verliert.
Ich scrollte durch meine Kontakte und blieb letztendlich bei Rafe hängen. Wenn er nicht schon komplett drauf ist kann er mich vielleicht nach hause fahren. Nach der Sache mit der Waffe am Strand hatte ich heute echt genug von JJ.
"Ich werde gleich abgeholt, du kannst gehen", versuchte ich ihn los zu werden.
Er grinste dämlich: "Dafür dass ich dir helfe bist du ganz schön Unhöflich. Vielleicht geh ich wenn du dich nett bedankt hast und mir deine Nummer gibst."
Natürlich hatte er recht. Ich benahm mich geradezu so, als hätte er mir die Waffe an den Kopf gehalten.
Auf jeden fall wollte ich nicht dass JJ mich mit Rafe sah!
"Tut mir leid. Ich bin nur n bisschen durcheinander wegen der Sache am Strand. Danke.", sagte ich und meinte es auch so.
JJ lachte: "Danke wofür?"
Ich schubste ihn vom Stein runter: "Übertreib es nicht!"
JJ verschwand tatsächlich bevor Rafe angefahren kam.

"Was machst du auf Pogues-Land?", fragte Rafe und stieg von seinem Motorrad.
"Hey", ich stand vorsichtig auf.
"Was machst du hier", fragte er erneut, diesmal etwas aggressiver.
Ich blickte ihn verwirrt an: "Beruhig dich, ich war mit den anderen auf so ner Strandparty."
Was hatte er den gedacht?
Er verschränkte die Arme vor der Brust. "Seit wann gehst du freiwillig zu einer Party."
"Was ist eigentlich los mit dir?", ich war langsam echt mit den Nerven am Ende. Ich ging ein paar Schritte auf sein Motorrad zu, wobei ich leider nur allzu offensichtlich humpelte.
Rafe war im Bruchteil einer Sekunde bei mir.
"Was hast du da gemacht?", er deutete auf meinen Knöchel, der vom Scheinwerferlicht seines Motorrads beleuchtet wurde.
"Bin gestolpert. Sieht schlimmer aus als es ist", antwortete ich ihm so locker wie möglich. Ich wollte jetzt einfach nur nach Hause. Er nickte mitfühlend, stellte zum Glück keine weiteren Fragen und half mir aufs Motorrad.

Der kühle Fahrtwind sorgte für eine leichte Gänsehaut auf meinen Armen, und wehte mir den Geruch von Rafe's Parfüm in die Nase. Ich blendete den Pochenden Schmerz in meinem Fuß aus und genoss die kurze Fahrt in vollen Zügen.
Motorrad fahren war anders als Auto fahren! Auf dem Motorrad fühlte ich mich frei, während ich mich bei jeder Autofahrt an irgendwas festklammern musste und Panik bekam sobald ein anderes Auto zu nahe kam.
Wir hielten bei mir in der Einfahrt.
"Geht's mit deinem Fuß?"
Im Licht der Straßenlaterne konnte ich seinen besorgten Gesichtsausdruck erkennen. Zu meinem Erstaunen waren seine Augen nicht gerötet mit weit aufgerissenen Pupillen, wie sonst manchmal.
"Ich glaub schon, ist nur n Kratzer", beruhigte ich Rafe "Danke fürs abholen, ehrlich du hast was gut bei mir."
Er nickte: "Kein Ding. Aber halt dich in Zukunft am besten von den Pogues fern"
"Gute Nacht", ich umarmte ihn zum Abschied und lief vorsichtig die Stufen zur Haustür hoch.
"Gute Nacht, Scar", murmelte Rafe bevor er sich auf sein Motorrad schwang und in der Nacht verschwand.

"Oh die verschollene Tochter ist Zuhause", mein Vater stand in der Eingangshalle und empfing mich mit offenen Armen.
"Hey, wer von uns beiden war drei Monate im Ausland, auf Geschäftsreise?", ich fiel ihm in die Arme.
"Sag mal war das eben Rafe Cameron", fragte mein Dad sobald ich mich aus seiner Umarmung gelöst hatte. Ich nickte.
"Seid ihr zu...?", setzte er an, wobei ich ihn allerdings mitten im Satz unterbrach: "Nein!"
"Oh Gott, was hast du da an deinem Fuß gemacht?", fragte meine Mum leicht hysterisch, sobald sie die Eingangshalle betreten hatte.
Ich blickte auf meinen linken Fuß hinab. Er war mittlerweile Angeschwollen und getrocknetes Blut klebte an ihm und an meinem Flipflop.
"Ich bin gestolpert", wiederholte ich mich heute zum gefühlt zehnten mal.
Meine Mutter, die früher mal Krankenschwester gewesen war tastete meinen Fuß gründlich ab machte einen Verband drumherum und erklärte mir, dass ich ihn mir vermutlich übel geprellt hatte und die nächsten Tage wohl aufs Surfen verzichten musste.
Na toll und das in den Sommerferien.

Ich war Heilfroh, als ich endlich die Augen schließen und den viel zu ereignisreichen Tag hinter mir lassen konnte.