16. Phantom

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Rafe fuhr sich mit der Hand durch seine Haare. Seine Pupillen waren geweitet, nur diesmal nicht vom Grass oder was er sonst noch so zu sich nahm. In seinen Augen war eher eine Spur von Unsicherheit, vielleicht sogar Angst zu erkennen.
"Warum bist du hier?", fragte er vorwursvoll.
"Das gleiche könnte ich dich Fragen"
"Um den Mörder zu finden?", antwortete er und mied meinen Blick. Da war es wieder, das vertraute Gefühl, dass mir irgendwelche entscheidenden Informationen vorenthalten werden.
"Was machst du hier?"
"Ich ähm... hab auch John B gesucht", antwortete ich und das war ja irgendwi nichtmal gelogen.
"Hast du mir Gestern eigentlich zugehört?", fragte er, und ich konnte nicht umhin wahrzunehemen, dass ein solcher Satz auch direkt aus dem Mund meiner Mutter hätte kommen können.
Ich verdrehte genervt die Augen.
"Er wars nicht, und er ist nicht gefährlich. Gute Nacht, Rafe", sagte ich bestimmt und wandte mich zum gehen.
"Woher willst du das wissen?", rief Rafe mir hinterher.
"Ich hab mit ihm gesprochen."
"Du hast was?", Innerhalb von Sekunden hatte Rafe mich eingeholt, "was hat er dir für Lügen erzählt?", fragte er, und ich könnte schwören eine gewisse Panik aus seiner Stimme heraus zu hören.
"Er hat gesagt, dass ers nicht war, und ich glaub ihm", antwortete ich Achselzuckend.
Natürlich war mir klar, dass die meisten Mörder ebenfalls ihre Taten abstreiten würden, aber bei John B war ich mir wirklich sicher, dass er es nicht war. Er konnte es nicht gewesen sein, sowas würde er nicht tun. Außerdem war die Waffe die ganze Zeit über bei JJ, mit was also sollte er sie erschossen haben?
"Und wenn er es nicht war, wer bitte soll es dann gewesen sein?", fragte Rafe verächtlich.
"Hat er nicht erzählt."
Ein triumpgierendes Grinsen stahl sich auf sein Gesicht und er schien plötzlich wieder gut gelaunt zu sein.
Ich schüttelte nur verständnisslos den Kopf. Wie bitte sollte ich seine Stimmungsschwankungen jetzt wieder deuten?

"Und was für ein Film wirds Heute", fragte Rafe voller Elan, sobald wir bei mir Zuhause angekommen waren. Ich zuckte nur mit den Achseln. Ich würde die Nacht ja lieber nutzen um JJ und die anderen Pogues zu suchen, aber mit Rafe als Wachhund konnte ich das ohnehin vergessen.
Also mixte ich mir irgendwas aus unseren Alkoholvorräten zusammen, um den Abend erträglicher zu machen und die Gedanken an JJ und John B durch einen Kater zu ersetzen, und setzte mich dann zu Rafe ins Wohnzimmer.
"Bleibst du jetzt für immer hier?", fragte ich nach einiger Zeit des Schweigens.
"Solang du noch nicht auf dich selbst aufpassen kannst", antwortete er gleichgültig, und beobachtete mich dabei aus dem Augenwinkel.
"Haha!" So sehr ich Rafe auch mochte, so hatte ich doch langsam genug von seiner Gesellschaft und seinem Drang mich beschützen zu müssen.
"Dein Vater hat Big John umgebracht, oder?", sprudelten die Worte plötzlich aus mir heraus. Rafe schaltete den Bildschirm aus und richtete seine volle Aufmerksamkeit auf mich.
"Der Alkohol tut dir nicht gut", sagte er trocken und nahm mir, mein Glas aus der Hand.
"Du hast meine Frage nicht beantwortet", stellte ich leicht beschwipst fest.
"Hörst du eigentlich, was für einen Scheiß du da redest", fragte Rafe und trank nun selber einen kräftigen Schluck von dem brennenden Zeug.
"Ich bin nicht Taub, nur betrunken", erwiederte ich kühl.
"Du machst mich fertig", murmelte er und rutschte etwas näher zu mir.
"Du mich auch!" Ich legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab und schloss die Augen. Ich verbannte den blonden Pogue aus meinem Kopf und konzentrierte mich nur auf unserere gleichmäßigen Atemgeräusche.
"Warum bist du so komisch zur Zeit?", murmelte ich eher zu mir selbst.
"Dad hat mich rausgeworfen", brachte Rafe nach einer Weile heraus, "und jetzt darf ich, wegen der Sache mit John B, wieder daheim wohnen, hab aber das Gefühl, dass er mich nicht da haben will!"
Rafe Cameron's Leben war also doch nicht so perfekt.
"Warum hast du nichts gesagt?"
"Weil ich kein Mitleid brauche", sagte er und starrte auf den schwarzen Bildschirm.
Er wollte also nicht darüber reden.

"Rafe?", ergriff ich nach einer halben Ewigkeit das Wort. Er hob fragend eine Augenbraue.
"Ich bin froh, dass du hier bist", hauchte ich, wärend ich mich in seinen blauen Augen verlor. Er lächelte, ein ehrliches Lächeln, ein Lächeln das auch seine Augen erreichte und dafür sorgte, dass mir ganz warm ums Herz wurde.
Er beugte sich zu mir runter, bis sein Gesicht kurz vor meinem war, die blauen Augen starr auf meine Gerichtet.
Im Nachhinein würde ich alles was danach passierte dem Alkohol in die Schuhe schieben, auch wenn ich eine gewisse Mitschuld meinerseits nicht leugnen konnte.
Sein Blick glitt runter zu meinen Lippen und dann wieder zu meinen Augen. Innerhalb von sekunden überbrückte ich den Abstand zwischen uns und presste meine Lippen auf seine. Ich konnte spüren, wie sich seine Mundwinkel hoben und auch mit geschlossenen Augen, wusste ich, dass er lächelte wärend er meinen Kuss erwiederte.
Meine Wangen glühten als wir wieder etwas Abstand zwischen uns brachten. Das war anders als mit JJ, viel intensiver aber nicht unbedingt besser...
JJ! Wenn ich für jemanden Gefühle hatte, dann galten sie bestimmt dem Blonden vom Cutt und nicht Rafe Cameron, oder?
"Tut mir leid", stammelte ich etwas unbeholfen und wusste, dass meine Ohren bereits rot vor Scham sein müssten.
"Das muss es nicht", grinste Rafe, "Gute Nacht Scarlett" Er gab mir einen Kuss auf die Stirn und verschwand dann in Richtung der Gästezimmer.
"Gute Nacht", murmelte ich immernoch etwas beschämt.

Outer Banks - Welcome to the SouthsideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt