17. Phantom

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Am nächsten Morgen verließ ich extra früh das Haus, damit mich Rafe nicht davon abhalten konnte endlich die anderen Pogues zu treffen.
Ich versuchte es bei den John B daheim, konnte aber schon von weitem sehen, dass das gesamte Haus von der Polizei überwacht wurde. Danach ging ich zu JJ, wo ich allerdings nur seinen betrunkenen Vater vorfand, der auch keine Ahnung hatte wo sein Sohn soch rumtrieb. Ihm schien es allerdings auch ziemlich egal zu sein.
Dann probierte ich es im Wreck, dem Restaurant von Kiara's Eltern, wo ich schlussendlich auch fündig wurde.
Auf der Straße davor kam mir bereits Pope auf einem Motorrad entgegen und auf der Terasse dahinter traf ich schließlich auf Kie und JJ.
"Hey Leute, alles okay", fragte ich vorsichtig. Eine ziemlich dumme Frage wenn man die Situation, in der wir uns gerade befinden, überdenkt.
"Den Umständen entsprechend", murmelte JJ und Kiara nickte nur betroffen.
"Also der Plan ist: wir machen die Phantom startklar und sorgen für genügend Sprit und Essen auf dem Boot, dass er es bis zum Festland schafft", erklärte mir JJ, wärend wir alles Essbare, das wir finden konnten, in Plastiktüten verstauten und diese schließlich in Kie's Auto luden.
"Pope kümmert sich um den Benzin und JJ klaut seinem Dad die Schlüssel", prazisierte Kiara das ganze schroff. Sie war scheinbar mit den Nerven am Ende.
Ich half ihnen so gut es ging und mied dabei jeglichen Augenkontakt mit JJ. Obwohl zwischen uns nichts lief, hatte ich trotzdem das Gefühl, ihn irgendwie mit dem Kuss Gestern betrogen zu haben.
Als wir das Wreck verließen liefen wir geradewegs Kiara's Mutter.
"Wo warst du?", empfing sie ihre Tochter besorgt. Den Rest des Gesprächs bekam ich nicht mehr wirklich mit, da ich mich schonmal ins Auto setzte. Ich hasse streit, voralledingen wenns nicht mein eigener ist.

Wir setzten JJ direkt vor seinem Haus ab. Er kam nach wenigen Minuten wieder heraus.
"Wie lief es?", sprach mir Kie aus der Seele. Er zeigte triumpfierend die Schlüssel in seiner Hand und ich atmete erleichert auf. Zumindest bis er sich kurz zu mir umdrehte. Seine Augen waren ganz leicht gerötet. Nicht, wie vom Konsum sämtlicher Rauschmittel gerötet, eher wie gerötet vom weinen. Vorsichtig tastete ich nach seiner rechten Hand und verschlang unsere Finger miteinander. Ich konnte kurz den Ansatz seiner Grübbchen erkennen.

Wir hielten vor einem Bootsschuppen auf dem Cutt.
"Da ist sie. 1983er Formula 402 SR1", sagte er stolz, wärend er die Plane am Bug des Boots entfernte. Zum Vorschein kam eine etwas ältere Motoryacht, die sich allerdings echt gut gehalten hatte.
"Die Phantom", führte er seine Präsentation, nach einer dramatischen Pause, fort, "das erste Boot, das es nach Bermuda in unter 16 Stunden geschafft hat. 40 Jahre alt. 40! Und immernoch das schnellste das Kildare jeh gesehen hat", schwärmte er. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, ich meine, JJ hörte sich an wie ein kleiner Junge, dem man gerade eine Modelleisenbahn geschenkt hatte.
"Ganzschöne Schrottkiste", warf Kie unbeeindruckt ein.
"Wenn es dieses Boot nicht gegeben hätte, würdest du jetzt nicht kiffen", erwiederte er trotzig.
"Mir gefällt sie"
"Da hat jemand Ahnung. Nimm dir ein Beispiel an Scarlett, Kie", meinte JJ und lächelte mir anerkennend zu.
Wir wurden von dem Geräusch eines Motorrads unterbrochen.
"Pope na endlich", Kiara ging dem Geräusch nach, um kurz danach entsetzt zurück zu weichen.
"Hallo, was geht? JJ? Wie geht's euch?", vernahm ich eine mir nur allzu bekannte Stimme. Rafe?
Auf der anderen Seite geriet jetzt dieser Barry in mein Sichtfeld, wie er neben dem Auto hervortrat und eine Knarre zückte.
"Du denkst doch nicht, ich hab die Sache am Straßenrand vergessen?", knurrte er bedrohlich und entsicherte seine Waffe, um sie JJ an den Kopf zu halten. Ich verfiel natürlich in meine übliche Schockstarre, wie immer wenn ich mit Situationen konfontiert werde, mit denen ich nicht umgehen kann.
"Ich bin hier, weil ich mein verf***tes Geld haben will", er stieß den Pogue zu Boden.
Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass Rafe Kiara von JJ wegzog, wärend ich immernoch unbeholfen im Schatten des Bootes stand.
Ich schloss die Augen, Atmete tief durch und trat aus meiner geschützten Position heraus.
"Bleib unten Junge", befahl dieser Barry und trat JJ in den Bauch.
"JJ?", ich beugte mich besorgt zu ihm runter und ignorierte die Tatsache, dass Rafe's Dealer direkt daneben stand. Zumindest bis ich das kühle Metall an meinem Hinterkopf spürte.
"Geh aus dem Weg", hörte ich seine bedrohliche Stimme viel zu Nah an meinem Ohr. Ich hob langsam meine Hände und erhob mich vorsichtig.
"Was hab ich denn getan?", vernahm ich Rafe's Stimme undeutlich aus einer anderen Ecke.
"Du hast Peterkin ermordet", rief nun Kiara deutlicher. Ich vergaß die Pistole an meinem Kopf, ich vergaß den Pogue der röchelnd am Boden lag, das einzige was noch da war, waren Kie's Worte die immerwieder in meinem Kopf wiederhallten. Das war nicht möglich, das konnte nicht möglich sein.
"Ich hab gesagt weg von ihm", zischte mir dieser Barry zu und holte mich damit zurück in die Realität.
"Erschieß mich doch", murmelte ich und beugte mich wieder zu JJ runter.
Barry lachte und entsicherte die Waffe, immernoch auf meinen Kopf gerichtet.
"Scarlett was machst du da?", röchelte JJ besorgt und versuchte sich aufzurichten.
Barry reagierte schnell und verpasste ihm einige Fausthiebe, bis er erneut zu Boden ging. Ich bekam dabei einen heftigen Schlag gegen den Kopf ab, der mich nach hinten taumeln ließ.
Irgendwas war Passiert, den Barry stieg nun über JJ hinweg, vermutlich um Rafe zu helfen. Dann schlitterte die Knarre über den Boden und kam direkt neben mir zum stehen. Ich hörte Rafe aufkeuchen und traute mich kaum hinzusehen.
Schließlich drehte ich meinen Kopf doch in seine Richtung, und wurde Zeuge davon, wie Pope total außer Kontrolle auf ihn einschlug. Wenn er so weitermachte, würde er Rafe noch umbringen.
Ich rappelte mich auf und tastete dabei nach der Knarre. Kurz zögerte ich, als ich das kühle Metall in meiner Hand spürte, besann mich jeddoch eines besseren und ließ die Waffe auf dem Boden zurück.
"Pope, du bringst ihn um", schrie ich panisch und versuchte ihn von Rafe wegzuziehen.
"Scar...was... machst...du...hie", brachte Rafe zwischen den Fausthieben hervor und spuckte Blut.
Es half alles nichts, Pope war stärker und ließ sich von nichts beirren. Er war wie in Trance, wie eine Art Blutrausch, wärend er immerweiter auf ihn einschlug. Hätte ich doch die Waffe behalten.
Mir liefen bereits die Tränen über das Gesicht, als JJ es endlich schaffte, Pope daran zu hindern, Rafe zu erwürgen.
"Scheiße", fluchte JJ und starrte auf den am Boden liegenden, schwer atmenden Kook. Rafes Brustkorb hob und senkte sich zwar, ansonsten gab er aber keinerlei Lebenszeichen von sich.
"Was hast du getan?", die Worte waren nicht mehr als ein Flüstern, als sie meine Kehle verließen. Rafe hustete Blut.
"Was hast du getan?", schrie ich diesmal und wollte auf Pope losgehen.
JJ hielt mich zurück. Er hielt mich fest, bis meine Wut abgeklungen war und nur noch die stummen Tränen Salzspuren auf meinem Gesicht hinterließen.
"Wir müssen hier weg", erinnerte Kiara leicht panisch und zog Pope mit zum Auto.
"Komm", wies mich JJ an und griff nach meiner Hand. Ich zog sie weg.
"Nein Danke, ich bleib bei Rafe", zischte ich immernoch angespannt.
Der Blonde masierte sich die Schläfe.
"Er hat Peterkin umgebracht!"
Ich schüttelte den Kopf. Rafe würde sowas nicht machen. JJ sah mich fassungslos an.
"Du hast was mit ihm, oder?"
Ich blickte beschämt auf meine Fußspitzen.
"Das tut doch nichts zur Sache", erwiederte ich trotzig und vermied es, ihn seine grau-blauen Augen sehen zu müssen.
"Du lässt John B im Stich, für ihn?", JJ sah jetzt eher enttäuscht aus.
"Pope hat ihn fast umgebracht"
JJ lachte auf. "Ihr Kooks seid alle gleich", sagte er fast traurig und stieg zu den anderen ins Auto.
Was tat ich hier? Was wenn es wirklich Rafe war?

Outer Banks - Welcome to the SouthsideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt