Alle sahen zu mir und selbst Ethan bemühte sich leiser zu kauen.
Kurz sah ich zu Ruven, der ebenfalls nickte und Jenna fester in den Arm nahm.
„Ich kann mich nicht an unseren Vater erinnern, aber er war für unsere Mutter die Liebe ihres Lebens, das betonte sie immer, wenn sie von ihm sprach. Außerdem war er nicht gerade arm und hat für uns Treuhandfonds angelegt, die wir zum achtzehnten Geburtstag ausgezahlt bekommen. Er konnte das alles planen, da er schon zu meiner Geburt die Diagnose Krebs bekam. Die nächsten zwei Jahre hat er gekämpft, aber leider verloren."
Ich hörte kurz auf zu reden, als ein fieses Gefühl meine Lungen abschnürte.
So oft hatte ich mir gewünscht ihn kennen gelernt zu haben. Nur eine Erinnerung an eine intakte Familie und Kindheit zu haben.
Aber er wurde uns zu früh geraubt.
„Danach ging alles den Bach runter. Mum verlor sich im Alkohol und dem weißen Schnee und traf irgendwie auf Aris. Keine Ahnung wann er in unser Leben trat, aber ich habe keine Erinnerung an ein Leben ohne ihn. Er war das schlimmste, was uns treffen konnte."
Ich räusperte mich und starrte wieder auf den Couchtisch.
„Mum hat schnell die Kontrolle verloren und ihn einfach machen lassen. Er bestimmte über unser Leben und vor allem über sie. Wenn sie nicht spurtete, dann schlug er zu oder missbrauchte sie. Gemeinsam versoffen sie das ganze Geld, sodass wir in eine kleine Wohnung zogen. Aber auch das war zu teuer. Ich war gerade sechs, als Ruven von einem auf den anderen Tag verschwand und niemand von den beiden hat mir je gesagt wohin er gegangen war. Ich weiß nur noch, dass das der schlimmste Tag meines Lebens war, denn ich fühlte mich Aris komplett ausgeliefert. Mum konnte schon lange nichts mehr machen, wenn er Hand an mich legte", stieß ich schwer atmend aus und spürte wie Tränen über meine Wange liefen.
„Ich hab versucht sie zu beschützen, schließlich war sie meine Mum und immer wenn ich für sie die Schläge abfing, dann lobte er mich, dass ich so ein gutes Kind war und wie sehr ich doch für sie sorgte. Er gab mir Süßes, nahm mich in den Arm und im nächsten Moment zog er mich wieder auf die dreckiges Couch. Ich kann nur rückblickend sagen, was es mit mir gemacht hat, weil ich damals einfach zu sehr von ihm manipuliert war. Ich hab ihn beinahe geliebt", sagte ich, spottend über mein damaliges schwaches ich.
„Du konntest nichts dafür", sagte Cole und Alisha flüsterte Stockholm-Syndrom, ehe sie mich aus großen Augen ansah.
„Er war der Mittelpunkt meines Lebens, alles kam von ihm. Schmerz und Leid, aber auch Liebe und Zuneigung. Als ich neun war hielt meine Mum es nicht mehr aus, sie nahm sich das Leben und er verschwand. Ich hatte Angst er würde wiederkommen, daher lief ich weg und drehte mich nicht um. Aber auf der Straße war es schlimmer als zu Hause und nicht nur einmal spielte ich mit dem Gedanken zu ihm zurück zu gehen. Ich war einfach am Ende, bis ich Rhion traf."
Ein trauriges Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich an die düsteren Zeiten zurück dachte, die durch ihn einen leichten Lichtschimmer bekamen.
„Er war nur etwas älter als ich, aber schon so lange da draußen, dass er wusste, was einem kleinen Mädchen wie mir blühte. So nahm er mich unter seinen Schutz, nötigte mich regelmäßig zur Suppenküche zu gehen und überredete mich schließlich zur Polizei zu gehen. Und dann ging alles ganz schnell. Sie konnten mich mit der vor Jahren gefundenen Leiche von Mum in Verbindung bringen und vermittelten mich zu den Parkers. Es war schließlich Rhion, der mich überredete euch Vertrauen zu schenken, da war ich glaube ich 13 oder 14. Und plötzlich folgte auf das Hoch ein erneutes Tief und ich verlor den Boden unter den Füßen. In dem Haus, in dem Rhion mit anderen Obdachlosen Kindern gelebt hatte, entfachte ein Feuer und es hieß alle seien tot. Das war ungefähr zur der Zeit, als ich euch etwas von Aris erzählte", sagte ich mit Tränen in den Augen und einem gebrochenen Herzen und sah die Zwillinge an.
„Aber als wäre das nicht alles schlimm genug, tauchte Rhion kurz nach Beginn der Schuljahres auf. Natürlich bin ich dankbar, dass er lebt. Aber er hat mir erzählt, dass Aris ihn rettete und ihm Arbeit gab, bis er allein auf den Beinen war. Er konnte heraus bekommen, dass er das Geld will, das mein Vater für jeden von uns angelegt hatte. Eure Eltern haben es scheinbar für mich bei Seite gelegt und damals entschieden, dass ich es zum 18ten erhalten soll, so wie es mein Vater wollte."
Bei den nächsten Worten verstärkte ich den Griff um Dashs Hand, damit er ruhig blieb.
„Tristan hat mir dann erzählt, dass er für meinen Stiefvater arbeitet, der inzwischen der CEO von irgendeiner großen Firma ist, wobei er eindeutige Dreck am Stecken hat."
Dash verspannte sich tatsächlich, als ich Tristan erwähnte und innerlich musste ich grinsen, als ich an dessen demoliertes Gesicht dachte.
„Nun, Aris hat entschieden mich persönlich aufzusuchen und mir zu verkünden, dass er nicht nur das Geld will, sondern auch mich."
„Dieses dreckige Schwein!", brüllte Ruven und sprang wütend von der Couch.
Seine beachtlichen Arme waren angespannt und eine Ader trat an seinem Hals hervor.
„Er wird dich nicht noch einmal zwischen die Finger kriegen!", knurrte er und ließ sich nur widerwillig von Jenna zurück auf das Polster ziehen.
„Es kommt noch besser. Er hat heute um 10Uhr einen Wagen vorbei geschickt. Sollte ich nicht freiwillig zu ihm gehen, würde er den Zwillingen was an tun. Ich weiß einfach nicht was ich machen soll."
Dash legte seine Arme um meinen bebenden Körper, denn die Tränen hatten mich voll im Griff.
Auch die anderen schienen einen Moment zu brauchen, um das alles zu verarbeiten.
„Sch, alles wird gut Kleine", flüsterte Dash und küsste meinen Kopf.
Verzweifelt krallte ich mich in sein Shirt und versuchte mich wieder etwas zu fangen.
Das war doch alles Bullshit, ich wollte das nicht!
Keiner der hier anwesenden hatte das verdient und doch zog ich sie alle mit rein.
„Sorry, dass ich euch da mit reinziehe", sprach ich meine Gedanken aus und wischte mir die Tränen von den Augen.
„Was redest du denn da", sagte Jenna und schüttelte den Kopf.
„Wir stecken schon viel länger da drin als wir glauben. Dash und ich, als wir Ruven kennen gelernt haben und die Zwillinge, als du von ihren Eltern adoptiert wurdest. Du trägst keine Schuld!"
Ich sah sie dankend an, wobei ich immer noch ein schlechtes Gewissen hatte.
Viel größer war aber die Angst vor dem Unbekannten.
Was würde noch geschehen?
Wie weit würde Aris gehen?
Und warum verdammt noch mal wollte er mich?
Einfach nur, weil er ein sadistisches Arschloch war?„Als ich irgendwann wirklich begriff, was er getan hat, war so viel Zeit vergangen. Ich hatte dermaßen Schuldgefühle, dass ich keine Chance hatte dich vor ihm zu beschützen, dass ich angefangen habe dich zu suchen. Aber du warst nicht mehr in der Stadt und dann hatte ich halt die Idee die Polizei einzuschalten, aber die Drecksäcke scherten sich nicht einen Müh. Daher brauchte ich Geld. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du fast ein Jahr lang vor meiner Nase warst. Zwar war ich stutzig geworden, als Dash deinen Namen erwähnte, aber ich hatte mir nie Hoffnung gemacht, dass es wirklich du warst", sagte Ruven und Tränen glitzerten in seinen Augen.
„Aris wusste es. Er wusste wo du bist und er hat es Tristan gesagt, deshalb war er gestern hier. Ich habe Angst vor dem was er noch weiß und was er tun wird. Soll er das verfickte Geld nehmen und dann einfach wieder verschwinden", murrte ich angepisst.
„Wenn er doch so ein großer Unternehmer ist, wieso brauch er das Geld dann?", fragte Alisha.
„Gute Frage. Vielleicht kann er einfach nicht genug haben", schlug Ethan vor und zuckte mit den Schultern.
„Ich glaub ihm geht es gar nicht um das Geld selbst", warf Dash ein und sah mich beunruhigt an.
„Danke für dein Vertrauen Frey, dass du uns das erzählt hast und ich denke es war wirklich sinnvoll. Wir wissen zwar nicht was er plant, aber wir können versuchen uns gegenseitig zu schützen."
Die anderen nickten zustimmend, weshalb ich erleichtert ausatmete.
Wie auch immer das ausgehen würde, so lange ich meine Familie an meiner Seite hatte, würde ich es schon überstehen.
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Badboy's girl
JugendliteraturAlle Rechte liegen bei mir!!!! ~ @sweete4636 Ein Mädchen mit schwieriger Vergangenheit. Ein Badboy der sie rettet? Ausschnitt: „Ich bin Freya, ähm eine Freundin von Tristan", sagte ich, da ich nicht wusste, was er ihnen über uns erzählt hat. „Ferna...