Vorsichtig und um die richtigen Worte bedacht, begann Sam zu erzählen:" Am Besten erzähle ich dir die Kurzversion, da wir leider nicht viel Zeit haben. Bitte versprich mir, dass du mich ausreden lässt . Alles, was du dann noch wissen willst, erkläre ich dir sehr gerne nach unserem Auftrag. Ist das okay für dich?" Zögernd nickte ich nur. Was blieb mir denn anderes übrig? Ich konnte ja schlecht sagen, 'Nein, ich will jetzt sofort die ganze Geschichte hören, das Retten-wir-die-Welt-Ding kann warten. Gespannt stützte ich meine Ellbogen auf dem Tisch ab und legte mein Kinn auf meine Hände.
"Ich war noch sehr jung damals. Mit gerade mal siebzehn Jahren wurde ich ein Wächter des Lichts. Aber nicht so wie du. Ich hatte einen Unfall und bin gestorben. Der hohe Rat befand, dass ich anscheinend ein guter Mensch gewesen war und daher bin ich zu einem Wächter des Lichts ausgebildet worden. Nach kurzer Zeit bekam ich auch schon meinen ersten Schützling. Du musst wissen, ausgebildete Wächter bekommen Hexen oder andere gute magische Wesen zugeteilt, die sie beschützen und denen sie beistehen müssen. So wie Chris bei dir. Jedenfalls mein erster Schützling war Jacky.."
"Moment! Was? Mum war dein Schützling? Wieso erzählst du mir das erst jetzt? Dann hast du doch die ganze Zeit gewusst, wer ich bin, oder?", fauchte ich ihn an. Ich kochte vor Wut. Warum hat er mir die ganze Zeit was vorgemacht? Und wusste Chris davon? Grade wollte ich wieder meinen Mund öffnen, da fuhr Sam dazwischen:"Ich dachte, du wolltest mich ausreden lassen?" Mein Mund klappte zu, ich murmelte eine Entschuldigung und wartete, bis er fortfuhr. "Also...Jacky war, wie gesagt, mein erster Schützling. Sie war eine Neuhexe, noch unerfahren, aber mit viel Potenzial. Das habe ich gleich erkannt. In kürzester Zeit hatte sie die schwierigsten Zauberelexiere und Sprüche erlernt und war zu einer sehr mächtigen Hexe herangereift. Mit der Zeit sind wir uns immer näher gekommen. Lange Zeit habe ich versucht, meine Gefühle zu unterdrücken. Doch ich war schwach! Es war einem Wächter wie mir, der eigentlich tot und dessen Aufgabe sein einziger Zweck auf Erden gewesen ist, verboten, nähere Beziehungen zu ihren Schützlingen aufzubauen. Nach langem, innerlichen Kampf hat trotzdem die Liebe gesiegt.Wir haben uns verliebt, es aber zu verheimlichen versucht..." ,er machte eine kurze Pause, starrte Löcher in die Luft und kämpfte offensichtlich gegen die aufkommende Trauer, bevor er fortfuhr,"...doch als Jacky dann schwanger geworden ist, ist alles aufgeflogen. Der hohe Rat ist außer sich gewesen vor Wut. Ich wurde sofort zurückgepfiffen und habe die Standpauke meines Lebens bekommen. Schlussendlich konnte ich sie nur beschwichtigen, indem ich zusagte, mich von euch fernzuhalten. Natürlich wollte ich das nicht und es war das schwierigste, was ich in meinem ganzen Leben getan habe, aber mir blieb keine andere Wahl. Wenn ich bei euch geblieben wäre, hätten sie dich uns weggenommen. Sie haben gemeint, es wäre zu gefährlich, wegen den Dämonen, und für ein Kind unzumutbar, einen Vater zu haben, der immer wieder mal für Monate weg muss zu seinen anderen Schützlingen. Ich habe mich daraufhin vom hohen Rat und der Magie abgewandt...bis du und Chris bei mir aufgetaucht seid." Völlig perplex starrte ich diesen Mann vor mir an, der allem Anschein nach mein Vater war. Wie konnte das sein? Sagte er die Wahrheit? Doch warum sollte er lügen? Was hätte er davon? Ich musste das alles erst einmal wieder verdauen.Das Einzige, was ich herausbrachte, war:"Du bist...mein Vater!" Sam senkte den Kopf und nickte stumm. Doch trotzdem blieb eine Frage unbeantwortet:"Warum konnten wir den Urvampir vernichten, wo er doch angeblich unvernichtbar war?" "Ja, das so eine Sache. Also ich habe dir doch schon erzählt , dass ich früher mit einem Vampir zu tun hatte. Dieser besagte Vampir kehrte dem Urvampir den Rücken zu und drehte daraufhin sein eigenes Ding. Er gab mir den Spruch und meinte, falls ich einmal mit dem Urvampir aneinander geraten sollte, würde dieser Spruch ihn töten. Der Urvampir habe den Spruch zerstört, doch besagter Vampir konnte ihn vorher noch kopieren. Er sagte noch, dass nur die Macht von zwei Engeln, die im besonderen Verhältnis zueinander stehen, diesen Spruch wirksam machen könnten. Ich war mir nicht sicher, ob es funktioniert. Doch welches Verhältnis ist besser geeignet, als das Vater-Tochter Verhältnis?" Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen und auf einmal sah ich die Ähnlichkeit zwischen uns. Die großen, aufmerksamen Augen, der volle, geschwungene Mund, die runde Stupsnase. Vor mir saß tatsächlich mein Vater. Ich war hin und hergerissen. Das schien bei mir zum Normalzustand zu werden. Verwirrt und sprachlos zu sein. "Hat denn Mum nicht versucht, dich zurückzuholen?", fragte ich noch. Er seufzte und sagte leise:"Doch! Sie hat alles Menschenmögliche getan. Als sie bemerkt hat, dass es zwecklos ist, kehrte auch sie der Magie den Rücken und schwor, niemals mehr welche anzuwenden. Sie gab der Magie die Schuld für unser Unglück. Ich habe euch immer wieder
beobachtet und auf euch aufgepasst. Jedoch durfte ich nicht zu euch. Verstehst du, Kleines? Es hätte fatale Folgen nach sich gezogen, wenn ich den Zorn des hohen Rates auf uns gezogen hätte."
Stirnrunzelnd schaute er mich an. In mir brodelte ein Vulkan. Der Teufel auf meiner linken Schulter flüsterte mir zu : Was für ein Feigling. Nur wegen dem hohen Rat hat er sich angeblich von uns ferngehalten. Soo sehr kann er uns ja nicht geliebt haben. Doch der Engel rechts von mir meinte: Hör nicht auf den. Er hat es für euch getan. Ohne seine selbstlose Tat hättest du wahrscheinlich bei Pflegeeltern aufwachsen müssen oder noch schlimmer, im Heim. Vergib ihm. Siehst du nicht, wie er leidet? Das kann man nicht vormachen.
Nach kurzem zögern nickte ich und schlug ihm vor:"Okay! Aber ich brauche Zeit, um das zu verarbeiten." Ein Perl-Weiss Lächeln huschte über seine Gesichtszüge. Er strahlte wie Meister Propper. Unabsichtlich musste ich auch grinsen. Danach stand er auf und stellte drei Teetassen, eine Zuckerdose und ein Teller mit Keksen auf das Tablett. Ohne ein weiteres Wort folgte ich ihm ins Wohnzimmer zurück. Chris saß immer noch an seinem Platz. Erwartungsvoll blickte er zu uns. Also wusste er doch bescheid! Augenblicklich kehrte meine Wut zurück. "Wie konntest du nur? Ich habe dir vertraut. Wir haben uns geküsst und du befindest es nicht für nötig, mir zu erzählen, dass mein Vater noch lebt?"
"Moment mal! Was? Ihr habt euch geküsst? Chris!!", schrie nun Sam dazwischen und funkelte Chris böse an. Der wiederum hob nur beide Hände zur Verteidigung und sagte hastig:"Hey, hey, hey! Ganz langsam! Also zuerst mal zu dir.", er zeigte auf mich,"Sam hatte mir verboten, dir irgendetwas zu sagen und ich fand es ehrlich gesagt auch besser, wenn du es von ihm persönlich erfährst. Es stand mir nicht zu. Was hättest du denn an meiner Stelle getan?", ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich in Richtung Sam und fügte hinzu:"Und nun zu dir. Ja, wir haben uns geküsst. Und ich bereue nichts! Es war der schönste Kuss meines Lebens und ich empfinde etwas für deine Tochter. Ich weiß nicht, warum du dich so aufregst? Bei mir ist es schließlich nicht verboten und ich bin genau wie sie. Komplett menschlich!" Trotzig verschränkte er die Arme. Sam wollte gerade etwas erwidern, da ging ich dazwischen:"Halt! Das reicht! Das können wir später besprechen. Jetzt kümmern wir uns um die weitere Vorgehensweise." Verdutzt aber ohne Widerworte setzten sich die beiden Männer hin. Ohne Worte nahm jeder seinen Tee und starrte minutenlang vor sich hin. Jeder in seiner eigenen Gedankenwelt verloren. Ich dachte natürlich an die letzten Worte von Chris. Er empfindet etwas für mich? Ich wusste es! Okay,...ich hoffte es! Meine Schmetterlinge flogen wieder ihre gewohnten Loopings und ich musste mich zwingen, nicht zu grinsen vor Freude.Er war so heiß. Ich wollte mich am liebsten auf ihn stürzten und...grrr. Doch ich beherrschte mich. Was war das bloß, was dieser Junge in mir auslöste? In seiner Gegenwart würde es schwer werden, klar zu denken. Vor allem jetzt nach seinem Geständnis. Der schönste Kuss seines Lebens? Wow.Das war es für mich natürlich auch, aber das von ihm zu hören...WOW! Und das mit Sam konnte ich später noch klären. Ich zwang mich, all diese Gedanken beiseite zu schieben und mich zu konzentrieren. Was mir nicht leicht fiel. "Also, Männer! Was liegt als nächstes an?", fragte ich einfach mal in die Runde. Sam meinte schließlich:"Am Besten, wir schauen erst einmal die Nachrichten an. Da wird bestimmt etwas dabei sein."
Chris stand auf und schaltete den Fernseher an...
DU LIEST GERADE
Der Wächter des Lichts
FantasyAn ihrem 18. Geburtstag erfährt Lisa durch Zufall, dass sie halb Wächterin des Lichts, halb Hexe ist. Doch ihr bleibt nicht viel Zeit, um damit klarzukommen, denn sie muss, unerfahren wie sie ist, gleich am Anfang mit Dämonen kämpfen und ihre Mutter...