Deutschland zog sich das Hosenbein hoch und begann sorgsam seinen Verband zu lösen, während er vehement versuchte, das bittere Jaulen des Wolfsjungen aus seinen Ohren zu verbannen. Obwohl Russland mitsamt des Käfigs in den Keller hinabgestiegen war, konnte er das ängstliche Winseln immer noch gedämpft aus diesem Bereich wahrnehmen.
Ein Junges, das verzweifelt vor Schmerzen und Angst nach seiner Mutter rief...
Diese kläglichen Laute zerrissen Deutschland fast das Herz.
Wahrlich, es schmerzte ihn.
Vorsichtig reckte er seinen Kopf in Richtung Kellertür. Die nach innen geöffnete Holztür versperrte jedoch nach wie vor die Sicht auf das, was in der trüben Dunkelheit des Kellers verborgen lag. Deutschland schloss seine Augen und legte seine Konzentration auf seine akustische Wahrnehmung.
Ein Poltern war zu hören, rasch gefolgt von einem seltsamen Kratzen. Es klang so, als würde etwas über den Boden geschoben.
Vielleicht hatte Russland den Käfig abgestellt und soeben in eine dunkle Ecke des Keller gestoßen.
Ein trauriges, leisen Wimmern folgte.
Ein paar Sekunden lang herrschte Stille und Deutschland lauschte weiter angestrengt. Er versuchte jeden Laut, sei er noch so leise, wahrzunehmen.
Doch bis auf das Knistern des Kaminfeuers und seinem eigenen Atem konnte er in diesem Augenblick nichts wahrnehmen.
Dann folgte ein Geräusch, über welches er sofort mit seiner Stirn runzelte.
Er konnte sich diesen Klang nicht zuordnen.
Es war ein dumpfes, weiches Geräusch gewesen.
Nicht so harsch, wie all die anderen Töne, die er in den letzten Minuten vernommen hatte.
Als...
Als hätte jemand eine Decke zusammengefaltet... Nein... eher aufgeschlagen.
Das passte besser. Ja, wirklich... Als hätte jemand eine große Decke für ein wundervolles Picknick aufgeschlagen.
Dann meinte er Russland leise fluchen gehört zu haben...
Nach einer weiteren Pause ertönte wieder das herzzerreißende Jaulen des junges Wolfes und es brach genau in der Sekunde ab, als Russland nun lautstarke Flüche von sich gab und ein lautes metallisches Scheppern zu hören war.
Deutschland kniff seine Augen zusammen und stand kurz davor, sich seine Ohren zuzuhalten.
Diese Situation war bei Weitem schrecklicher, als all das, was Deutschland in dieser Hütte, nein, in dieser gesamten, verfluchten Wildnis erlebt hatte!
Er presste seine Lider so stark aufeinander, dass vor seinen geschlossenen Augen wirre, helle Punkte aufstiegen, die wie Nebelschwaden in seiner selbstbestimmten Dunkelheit umher wabten. Er wünschte sich von Herzen, dass Russland es sich anders überlegt hätte, wieder mit dem Tier in den Raum zurückkehrte und das sie gemeinsam das arme Jungtier zurück in die Wildnis übergeben würden.
Es war ein naives und verträumtes Wunschdenken.
Ein solche spontaner Sinneswandel würde bei Russland niemals eintreten.
Der Russe hatte eine komplett andere Ansicht und Verbindung zu der Natur und all ihren Lebewesen. Er musste hier überleben und da konnte er nicht auf Kuschelkurs mit den Tieren sein, sie sicherten sein Überleben. Deutschland konnte es beinahe etwas nachvollziehen, doch warum hatte Russland ihm in einem derartigen harschen Befehlston angewiesen, sich nicht zu regen?
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Countryhumans | Raureif
FanfictionEin farbloses, tristes Weiß... Das ist die einzige Farbe, welche sich Deutschland nach einem Unfall über Sibirien offenbart. Eine weiße Hölle, die ihn mit eiskaltem Herzen willkommen heißt. Als Leser entscheidet ihr über die Handlung Deutschlands...