Verlangen | Zickzack ff

❅-16-❅

Wie zu erwarten war der Arzt alles andere als begeistert. Fassungslos hatte er den Kopf geschüttelt, als Kevin mit mir im Schlepptau an seiner Bürotür geklopft hatte. Noch nicht allzu oft in seiner Karriere waren Patienten förmlich aus dem Krankenhaus geflohen und etwas später wieder aufgetaucht.

Er bestand darauf mich umgehend zu untersuchen und die Erkenntnis die er dadurch erlangte war scheinbar sehr beunruhigend. Als der Arzt uns seine Diagnose mitgeteilt hatte, blickte Kevin ihn geschockt an, während ich nur mit halbem Ohr zuhörte und meine Gedanken schweifen ließ. Ich bekam nicht alles mit, doch hatten sich wohl einige meiner sowieso schon gebrochenen Rippen verschoben und lagen nun ungünstig an einigen Organen an, bei denen die Wahrscheinlichkeit auf eine entstandene Verletzung nun sehr hoch war. Eine Operation war nicht vermeidbar, es war nur ein kleiner Eingriff hatte der Arzt versichert, doch war trotz dessen notwendig.

Seufzend ließ sich Kevin auf den Stuhl neben mich fallen, "was hast du dir denn nur dabei gedacht?" Ich lag in dem Bett, in dem ich bereits einige Nächte verbracht hatte, gegen die Wand gelehnt und meine Augen geschlossen. "Ich glaube nicht das ich irgendetwas gedacht habe, "nuschelte ich, "alles was ich wollte, war bei Veni zu sein."

"Das ist allein meine Schuld, "kam es plötzlich von Kevin, "tut mir echt leid Bro, ich hab dich erst in die ganze Scheiße geritten." Irritiert öffnete ich meine Augen wieder und warf einen Blick hinüber zu meinem besten Freund, "spinnst du?  Du bist der Letzte den ich dafür verantwortlich machen kann was passiert ist." 

Lächelnd schüttelte Kevin seinen Kopf," und wer soll sonst Schuld sein, "fragte er mich, "wer hat dafür gesorgt, dass du und Veni erst aufeinander treffen." Jetzt stutzte ich, richtete mich im Bett auf, "du denkst ich bereue es zu Veni gegangen zu sein, ihn zutreffen, ihn zuküssen und ihm zusagen, dass ich ihn liebe." Ich biss mir auf die Unterlippe, atmete einmal tief durch und fuhr dann fort, "ich bin froh, dass ich eine andere Seite von Veni kennenlernen konnte, eine Seite die er all seinen Internetfreunden noch nie gezeigt hat. Ich möchte noch so viel mehr über ihn wissen, was er tut, was er mag, einfach irgendwas. Wahrscheinlich bin ich dumm, total seltsam, habe das Wesentliche aus den Augen verloren. Ich habe ihm verziehen als ich ihn vor mir stehen sah, habe all die Sünde die er begangen hat innerhalb eines Augenschlags vergessen. Ich bereue nichts davon, alles was ich mir wünsche ist, dass es anders gelaufen wäre oder zumindest anders geendet hätte..." 

Meine Stimme brach, kraftlos sackte ich zusammen, als hätte diese Konfrontation der Wahrheit mir all meine Kraft geraubt. Ich krallte meine Finger ins Bettlacken, wie ich es zuvor noch an Venis T-Shirt getan hatte. Frustration breitete sich in mir aus, versprühte ihren kalten und giftigen Geschmack. Meine Stimme bebte und leise flüsterte ich, "hätte ich nur etwas ändern können, damit er nicht wie ein Feigling davon rennen musste."

Kevin sagte nichts, er konnte wahrscheinlich nicht nachvollziehen was ich fühlte und verstand auch nicht was zuvor geschehen war. Um mich nicht zu verletzen blieb er Still, versetzte den Raum in einen Zustand der Zeitlosigkeit. Der Brillenträger blickte verzweifelt und unentschlossen aus dem Fenster, als würde er hoffen die Antwort auf all seine Fragen wie Vögel vorbei fliegen zu sehen. Ich hingegen sahs im Bett, die Beine an meine Brust gezogen und den Kopf auf diese abgelegt. Während ich in die unendlich scheinende Schwärze blickte, erschien immer wieder das Bild Rafaels vor meinem Inneren Auge, erinnerte mich daran, dass er mich allein gelassen hatte. 

Es war ein Moment in dem ich mich jederzeit so fühlte als würde ich gleich in Tränen ausbrechen oder die Kontrolle verlieren, doch egal wie weit die Stunden verstrichen verließ kein einziger kleiner Tropfen meine Augen. Ich war nicht, wie es vielleicht von Außen den Anschein machte, komplett ruhig, in mir Herrschte das reinste Chaos, eine Mischung aus Zwietracht, Verlangen und Reue.