Der Brief

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Er schraubte es auf und goss das Blut in sein kleines Gefäß. Den Behälter in dem das Blut vorher war schmiss er weg.
Er drehte seinen Füller auf und tunkte die Spitze lange in Victorias rotes Blut.
Die goldene Spitze färbte sich nach und nach rot, und dann begann Frederik zu schreiben....

Rosen, die sich in deine Haut stachen, waren erst der Anfang. Doch zu jedem Anfang, gehört auch ein Ende. Lese diesen Brief mit Bedacht, denn alles was deine kleine Seele hier ließt, schrieb ich mit deinem Blut nieder. Feines und schönes, rotes Blut, welches sich in den Leinen des Papiers festsetzt. Blut, welches mal durch deinen Körper floss liebe Victoria. Du hast dir das falsche Krankenhaus ausgesucht, Praktikanten glaubt man hier sowieso nicht.
Meine geschrieben Sätze wirst du niemandem zeigen. Sollte ich das herausbekommen, kennst du meine darauffolgenden Worte. Ich bin kein Anästhesist, dennoch könnte ich dich für immer schlafen lassen und es so aussehen lassen, als hätte es dich nie gegeben.
Eine schöne Geschichte, nicht wahr?
Du bist in meinen Händen gefangen. Du bist in diesem Krankenhaus gefangen.

Er tunkte neu in das Blut ein. Frederik schrieb den Brief in wunderschöner Schreibschrift, alles war fein leserlicht und nichts verwischte.

Du kommst hier nicht mehr raus. Nie wieder, welch schöne Gedanken für mich.
Noch bist du auf meiner Station, dort habe ich das Sagen. Und du? Du bist Nichts.
Du bist dazu da, um das Blut von meinen Patienten wegzumachen. Doch stell dir vor, irgendwann wird jemand dein Blut wegmachen müssen...Das klingt doch gar nicht so schlimm, hab dich nicht so. Wir spielen doch nur ein Spiel, so ähnlich wie Schach. Du bist schwarz und ich bin weiß. Du kamst zu mir, und nicht umgekehrt. Schwarz beginnt, weiß gewinnt.
Aber mach dir keine Sorgen, noch ist unser Spiel ja nicht vorbei...Die Betonung liegt auf noch. Es ist für dich unmöglich zu gewinnen.
Es wäre sinnvoll, wenn du aufgibst.

Wieder tunkte er neu ein.

Diesen Brief wirst du dir durchlesen bis auf den letzen Buchstaben. Ich sehe dich. Jeden Tag, jede Nacht, jede Sekunde. Ich bin immer bei dir. Doch such nicht nach mir, dies wird eine vergebliche Suche die niemals enden wird. Sowie es eines Tages bei dir sein wird...Man wird dich suchen und niemals finden. Wag es nicht zu weinen, sonst tropfen deine Tränen noch auf meinen Brief, dann verschmiert dein Blut und dann, kannst du nichts mehr lesen. Alles umsonst.
Untersteh dich!
Du hast hier ja noch nicht einmal Freunde.
Und weißt du was? Die wirst du hier auch niemals haben. Du wirst hier niemals irgendwen haben! Guck dich doch mal an. Wer will dich schon? Du kleines Ding.
Einen Freund hast du auch nicht.

Vertiefe dich in meine Welt. Na los, komm schon. Du brauchst mich hier...Du hast hier niemanden. Du musst über eine Woche jeden Tag mit mir auskommen müssen, du wirst hoffentlich noch weitere Male in meinem OP Saal stehen...Dann werde ich dir dort mal zeigen, was man so alles mit Menschen machen kann, wenn sie tief und fest schlafen...
So liebe Victoria, ich widme mich dem Ende.
Pass auf dich auf, ich bin überall.

Frederik schrieb ganze zwei Seiten voll. Diese kniffte er sorgfältig, danach räumte er schnell alles auf und verließ den OP Saal. Schnell kramte er den Zweitschlüssel von Victoria's Zimmer hinaus, er machte sich auf den Weg. Frederik hatte noch ein wenig Zeit, als er ankam schloss er ihr Zimmer auf. Es war leer, seinen geschrieben Brief legte er auf ihr Bett. Danach verschwand er auch schon wieder, denn seine Pause war fast vorbei. Er hatte nur noch 20 Minuten.
Der Arzt brachte seine Sachen zurück ins Ärztezimmer und ging danach in Richtung Neurochirurgie.

Frederik | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt