Fragen ohne Antwort

65 6 4
                                    

Schon bald hatte ich es aufgegeben, auf das Leder des Sattels einzuhämmern, um irgendeine Reaktion bei dem sich im freien Fall befindenden Drachen auszulösen. Immerhin war ich viel mehr damit beschäftigt, mich überhaupt daran festzuhalten. Warum ich mich überhaupt noch an dem Sattel festhielt konnte ich ohnehin nicht sagen. In diesem absoluten Schockmoment hatte ich nämlich nicht die Zeit rational darüber nachzudenken, ob dies meine Überlebenschancen erhöhen konnte - ich dachte in diesem Moment ohnehin an gar nichts. Nicht einmal vor Angst schreien konnte ich, so heftig schlug der brutale Wind gegen mein Gesicht. Auch meine Sinne waren quasi lahmgelegt: Die extreme Kälte brannte auf meiner Haut, der Wind, der mir in die Ohren pfiff, glich fast schon Geräuschen, wie ich sie mir in der Zerrwelt vorstellte und auch meine Augen waren der Wolkenarmee hilflos ausgeliefert. Als wir aber nun doch schon sehr tief gefallen waren und die neblige Wolkendecke durchbrachen, konnte ich den Boden klarer sehen, als alles andere. Als nun durch diesen erschreckenden Anblick auch Geckarbor sein Glück versuchte, den Drachen mit Schlägen und panischen Rufen aus seiner Ohnmacht zu prügeln, realisierte ich erst, dass wir wohl in wenigen Sekunden knallhart am Boden aufschlagen würden. Und diese Landung würde nicht in Baumkronen erfolgen, wie ich es eigentlich erwartet hatte - stattdessen befand sich eine flache, blumenbedeckte Wiese unter uns, die uns wohl kaum abfedern würde. 

Nur noch wenige Meter trennten uns von dem Todesurteil und ich hatte bereits die Augen zugekniffen, um mir die Landung wenigstens nicht mit ansehen zu müssen. Meine Gedanken waren aber sowieso bereits bei meinen Eltern, wie sie ohne mich weiterleben mussten - ohne zu wissen, was aus mir geworden war. 

Doch genau in dem Moment, in dem ich für wenige Sekunden bereit war zu sterben, spürte ich plötzlich eine mächtige Kraft, die unser Falltempo rapide sinken ließ. Sofort drückte uns eine unbekannte Energie wieder nach oben, stärker als jeder mir bekannte Auftrieb, und ließ uns schließlich gut einen Meter über den Boden abrupt stillstehen. Die Kraft, mit der ich somit gegen das dicke Leder gedrückt wurde, fühlte sich so an, als würde sie meinen Magen zerquetschen und ließ mir ein dumpfes Stöhnen entweichen. Keine angenehme Landung, allerdings wohl wesentlich besser, als ich es erwartet hatte. Mit pochendem Herzen sah ich in die Augen unserer beiden Retter - Nachtara und Psiana, beide mit leuchtenden Augen, welches meist bei einer starken Psychokinese-Attacke entwich. "Scheiße, war das knapp!" rief das Unlichtpokemon nun sichtlich erleichtert, kassierte jedoch für diese Wortwahl einen vielsagenden Blick von Psiana. Besser hätte ich es aber auch nicht formulieren können. 

Nachdem wir also nun vorsichtig am Boden abgelegt wurden und der erste Schreck vorübergegangen war, sodass ich einmal tief durchatmen konnte, hörte ich auch schon das Flattern von Dartiri, die sich als Vogelpokemon natürlich ohne Probleme von selbst in der Luft halten konnte und uns jetzt erst eingeholt hatte. Der erleichterte und doch überraschte Blick verriet mehr als tausend Worte. Sie hatte wohl auch gedacht, dass wir das niemals überleben würden. 

Ich ließ mich ins feuchte Gras fallen und erkundigte mich über den Zustand meiner beiden Freunde, während die beiden Evolitionen sich um den Zustand von Libelldra erkundigten. Denn der Drache war wirklich schlimm zugerichtet: Die Augen unter der Linse waren fest verschlossen und die vor wenigen Minuten noch prächtig schlagenden Flügel hingen nun verwundet von seinem gefrorenen Körper. 

"Ist es ernst?" fragte ich nach kurzer Zeit die beiden Vierbeiner, welche gerade dabei waren, einige Stellen von Libelldras Körper vom harten Eis zu befreien, da sich nach der Eisstrahl-Attacke des Polarvogels einige Eisschichten an den Flügeln und der Flanke gebildet hatten. "Nunja...also-" wollte Nachtara beginnen, doch wurde sofort von seiner Partnerin unterbrochen: "Ja. Sehr sogar. Wir müssen ihn schnell an einen sicheren Ort bringen, wo wir ihn behandeln können." Noch nie hatte ich ein Pokemon so gelassen auftreten sehen, wenn es um Schwerverletzte ging. Psiana sprach fast so, als wäre alles was gerade passiert war das Normalste der Welt und wusste sofort, was zu tun ist, und das mit einer Selbstsicherheit, wie ich sie von keinem Anderen kannte. Nun wandte sie sich von dem Drachen ab und sah Nachtara in die Augen. "Das ist doch ein Elitekämpfer deines Königreichs, nicht wahr?" Dieser nickte schnell und wollte sofort etwas anhängen, wurde aber erneut recht unhöflich von Psiana untebrochen, die nun sehr sauer zu werden schien:" Und wieso um alles in der Welt lässt du es zu, dass er diese Kinder heimfliegt, wenn du ganz genau weißt, dass sich Arktos auf diesem Weg befinden könnte? Zeig doch einmal etwas Verantwortung! Und du willst schon bald König werden!?" 

Nachtara schien zu bemerken, dass die Situation jetzt wohl etwas ungeeignet war, um lange Diskussionen zu führen, weshalb er mit einem überforderten Seufzen antwortete: "Ich glaube jetzt ist kein geeigneter Zeitpunkt, um über mich herzufahren. Wir sollten uns erst einmal um Libelldra und die Kinder hier kümmern, findest du nicht?" Wortlos drehte sich das Psychopokemon zu uns, dann wieder zu Nachtara. "Du hast Recht. Also, ich würde vorschlagen wir gehen in die Ultradimension zurück. Das ist so ziemlich unsere einzige Alternative, weil Arktos jeden Moment aus den Wolken schießen könnte. Außerdem wird der Hagel auch grad immer schlimmer."  

Erst als Psiana den Hagel ansprach, realisierte ich die aktuelle Wetterlage wieder. Über uns herrschte immer noch dichter Nebel und tatsächlich begannen nun immer mehr Hagelkörner von diesem auf uns herabzuregnen. 

"Bezüglich des Hagels könnte ich helfen..." 

Als wir die mir recht bekannte weibliche Stimme hörten, stellte sich bei Nachtara das Fell sichtlich auf. Offensichtlich wollte er gerade alles, nur keinen unangekündigten Besuch von dem Vulnona, welches nun sichtlich verärgert auf diesen zuging. Und tatsächlich: Kaum trat der neunschwänzige Fuchs zu uns herüber, wichen auch schon die dunkelgrauen Wolken sofort zur Seite und binnen wenigen Sekunden herrschte wieder strahlender Sonnenschein. Der Feuerfuchs sah nun todernst zu Nachtara, schien auf eine Reaktion seinerseits zu warten, welche es aber nicht gab. Also begann nun auch sie Nachtara anzufauchen:" Du triffst dich also tatsächlich noch mit ihr. Du kennst den Befehl des Königs. Jeder Kontakt zu irgendeiner Person aus dem Lichtkönigreich ist uns allen untersagt!" 

Das angesprochene Unlichtpokemon, welchem die Situation schon bis zum Hals ging und sich müde an den Ring an seiner Stirn hielt, antwortete nur: "Bitte, Vulnona...Jetzt ist wirklich nicht die Zeit dafür. Können wir nicht einfach-" 

Schon wieder wurde er unterbrochen, und so langsam begann ich mich zu fragen, ob Unterbrechungen bei ihm wohl vorbestimmt waren. Dieses Mal aber nicht von Psiana oder Vulnona, sondern von einem lauten Kreischen des Eisvogels, der über die plötzliche Sonne alles andere als fröhlich zu sein schien. Ohne Vorwarnung schoss dieser nun auf Nachtara zu, welcher sich schon zum Ausweichen bereit machte, dies aber gar nicht nötig hatte, da wie aus dem nichts eine lodernde Feuerbrunst auf den Vogel zuschoss und diesen mit einem Volltreffer traf. "Und gegen das Vieh hat Libelldra verloren...?" kam es nun von dem Feuerfuchs, der mit schiefgelegten Kopf dabei zusah, wie der Vogel halb gegrillt abstürzte und schließlich ohne Regung in der feuchten Wiese liegen blieb. 

Wie so oft fühlte ich mich in dieser Situation nutzlos wie nie zuvor, da ich keine Ahnung hatte, was in den letzten 2 Minuten passiert war und schon gar nicht wusste, worum es bei dem kleinen Streitgespräch eben ging. Und schon bald kam auch die Erkenntnis, dass sich das wohl bald aufklären würde - und ich dementsprechend die Rückkehr nach Hause erneut aufschieben müsse. Aber ich hatte ohnehin nun mehr Fragen als Antworten und ein großer Teil von mir wollte diesen Fragen auf den Grund gehen, während ein kleiner Teil von mir durchgehend nach Erholung in der kleinen Höhle bei meinen Eltern rief. 





Pokémon -Kampf Der Königreiche Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt