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Jenna hatte es nie leicht in ihrem Leben. Sie musste meist immer drinnen bleiben und konnte das Leben nie so genießen wie die anderen Kindern. Doch es gab auch schöne Momente, die, bei der sie mit ihrer Mutter war. Der Vater musste viel arbeiten und konnte deshalb kaum Zeit mit Jenna verbringen. Doch die Mutter konnte dies und sie kam jeden Nachmittag zu Jenna und sang ihr Lieder vor, las Bücher mit ihr, brachte ihr die Dinge bei, die Schüler in der Schule lernten und spielte mit ihr. Jeden Abend, bevor die Mutter gehen musste, bat Jenna sie um ein letztes Lied, ein Gutenachtlied. Jenna hasste es, wenn ihre Mutter sie verließ, aber die Lieder die sie sang, machten den Abschied leichter. Jeden Tag war das letzte was sie hörte, ein hübsches Lied. In letzter Zeit hatte sich dies jedoch geändert. Jenna durfte gar nicht mehr hinaus und das letzte mal, als sie nicht sofort nach dem Lied eingeschlafen ist, hörte sie ihre Mutter leise schluchzen. Davor hatte Jenna ihre Mutter noch nie traurig gesehen, zwar war sie manchmal ein bisschen unglücklich, weil der Vater nicht kommen konnte, aber sonst war sie immerzu fröhlich. Das piepsen der Maschinen neben Jenna, machte das einschlafen noch schwieriger, als normalerweise. Sie überlegte, was denn schreckliches passiert sein könnte, fand aber nichts.
Am nächsten Morgen wurde sie von schrecklichen Schmerzen geweckt. Sie blickte auf die Uhr gegenüber von ihr und sah, dass es erst fünf Uhr in der Früh war. Die Geräte neben ihr piepsten laut und bescherten ihr Kopfweh. Nach wenigen Minuten kam eine der Frauen im weißen Kittel angerannt, diese kannte Jenna noch nicht. Die Frau war dicht gefolgt von zwei Männern. Jenna beschwerte sich über die Schmerzen und fragte, was los sei, woraufhin nur mit "Nichts schlimmes, nur ein kleines Problem mit den Geräten", gefolgt von einem Lächeln, geantwortet wurde. Man verabreichte Jenna eine Spritze und sie verfiel in einen tiefen Schlaf.

"Die Spritze macht deine Schmerzen weg, weißt du?" hatte die die Frau im Kittel nett gesagt.
Jenna hatte nur genickt, da sie den Prozess schon kannte.
"Dann schlafe ich! Und wenn ich aufwache ist alles weg!" sagte sie stolz. Stolz zu wissen, was passieren werde.
"Genau, also bleib schön liegen und mach die Äuglein zu, okay?" war das letzte, was Jenna gehört hatte vor ihrem Schlaf.

Als Jenna wieder die Augen öffnete, waren gerade einmal drei Stunden vergangen. Sie setzte sich vorsichtig auf, damit sie keinen der Schläuche mit denen sie an verschiedene Gerätschaften verbunden war, ausversehen abriss. Nun wartete sie auf ihr Essen, das ihr von Schwester Chloe gebracht werden sollte. Doch als die Tür aufging, kam ihre Mutter hinein. Sie lächelte bis über beide Ohren, doch ihre Augen waren rot, als hätte sie die ganze Nacht geweint. Jenna sah sie fragend an: "Wieso bist du hier? Du bist immer um dreizehn Uhr hier." Die Mutter lachte erleichtert. "Ich habe mir von der Arbeit freigenommen, weil ...", sie zögerte kurz, "... ich mir gedacht habe, heute könnten wir gemeinsam einen ganzen Tag verbringen. Dein Papa ist auch bald hier, bis er kommt, können wir einpaar Filme an meinem Computer schauen." Für Jenna klang dies nach einem wundervollen Plan und sie schauten einen Film, bis der Vater kam. Jenna wäre am liebsten aufgesprungen, doch ihre Mutter wies sie darauf hin, dass sie lieber liegen bleiben sollte. Der Vater ließ sein Hab und Gut fallen und stürmte auf Jenna zu, um sie zu umarmen. "Das ist zu fest Papa! Das tut weh!" lachte Jenna und ihr Vater löste sich von ihr. Ihre Mutter und ihr Vater tauschten Blicke aus, die Jenna nicht verstand, doch das war schnell vergessen, als sie einen zweiten Film begannen. Der Tag verging wie im Fluge. Sie aßen gemeinsam gutes Essen, sie spielten Kartenspiele und schauten sich lustige Videos an. Jenna war so endlos glücklich. Doch der Tag war nicht von Ewigkeit, denn um achtzehn Uhr musste ihr Vater gehen. Als er seine Sachen gepackt hatte und vor der Tür stand, sagte er folgendes: "Ich werde dich vermissen. Ich werde jeden Tag an dich denken, bis ich dich wiedersehe." Ihm kamen Tränen in die Augen und Jenna verstand die Situation nicht ganz. "Du musst doch nicht weinen Papa! Wir sehen uns wieder!" "Versprichst du mir das?" fragte der Vater, eine Träne kullerte aus seinem Auge und er wischte sie weg. Jenna nickte. "Ich muss jetzt gehen, aber denk immer daran, dass wir uns wiedersehen." Er verschwand.
"Warum weint Papa?" fragte Jenna ihre Mutter. "Du weißt wie er ist, immer so emotional." sie lächelte, aber Jenna sah auch hinter ihren Augen Trauer. "Bevor ich gehen muss schauen wir noch einen Film und essen Chips, okay?" Schon war die Trauer vergessen und ein lustiger Film wurde geschaut. Als die Uhr auf Punkt 20 schlug, fragte die Mutter "Noch einen allerletzten Wunsch?" Jenna nickte: "Ich will mein Gutenachtlied." Die Mutter setzte sich aufs Bett und streichelte Jennas kahlen Kopf. "Schließ deine Augen Jenna." sagte sie und Jenna tat dies. Die warme Hand ihrer Mutter beruhigte sie.
"Guten Abend, Gute Nacht, mit Rosen bedacht", begann sie mit ihrer sanften Stimme zu singen, "Mit Näglein besteckt, schlupf unter die Deck, morgen Früh, wenn Gott will", Jenna hörte wie der schöne Gesang von dem schluchzen ihrer Mutter unterbrochen wurde, "wirst du wieder geweckt. Morgen Früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt." Die letzten Worte klangen mehr wie ein Gebet, als ein Lied.

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