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„07:56; Grün; 4 Sekunden; links"
„Ja, ich habe verstanden", sagte ich und lies meinen schwarzen Ohrring los. Nachdem ich den Zettel mit den Notizen sicher in meinem blauen Rucksack verstaut hatte, betrat ich das Schulgelände. Wie immer fiel ich niemandem groß auf, was natürlich Teil der Tarnung war. Ich trug Jeans und ein schlichtes, graues T-Shirt. Meine langen braunen Haare lies ich mir ins Gesicht fallen und ich betrachtete während dem Gehen den asphaltierten Boden. Es war Herbst, weshalb überall bunte Blätter lagen.
Heute war die erste Stunde Englisch, doch ich musste noch etwas wichtiges Erledigen. Ich bog zu den Toiletten ab und wartete vor dem Waschbecken, während ich den Zettel herausholte und die Daten überprüfte. Außer mir war niemand dort. Nervös blickte ich auf die Uhr.
07:55. Nein, 07:56.
Die Tür öffnete sich.
Herein kam ein rothaariges Mädchen mit grünen Augen. Sie hatte ebenfalls schwarze Ohrringe und ein paar Sommersprossen im Gesicht. Sie lächelte mir zu, aus Höflichkeit. Natürlich nur, da wir die Fassade aufrecht erhalten mussten. Es hätte ja jederzeit jemand reinkommen können. Sie hielt den Augenkontakt für 4 Sekunden. Dann strich sie sich mit der linken Hand die Haare zurück, wobei sie ihren Ohrring streifte. Sie blickte in den Spiegel und begann sich die Hände zu waschen. Ich wand mich wieder dem Zettel zu, seufzte frustriert auf, knüllte ihn zusammen und warf ihn in den Papierkorb. Ich schloss meinen Rucksack und verließ die Toilette. Kurz wartete ich vor der Tür, doch es kam niemand in die Richtung.
In der Englischstunde hörte ich nicht zu. Es war nicht mein Job, gut in einer Schule zu sein, die ich nur wegen dem Auftrag besuchte. Stattdessen dachte ich an das bevorstehende Treffen im Park. Die Verabredung stand auf dem Zettel. Und das Mädchen mit den roten Haaren und den Sommersprossen, das war sie also. Die mir zugeteilte Partnerin für diese Mission. Sie musste in einem anderen Stützpunkt wohnen, denn bei uns hatte ich sie noch nie gesehen.
Wie Englisch vergingen auch die darauffolgenden Stunden recht schnell. Da es erst Anfang des Schuljahres war, bemühte sich noch kein Lehrer Leistungen aus den Schülern zu quetschen, was bedeutete, dass ich nicht drangenommen wurde, wenn ich nicht aufzeigte und ich würde nicht unnötig Aufmerksamkeit auf mich ziehen.
Ich verließ das Schulgebäude und machte mich auf den Weg in den Park. Auch sie war pünktlich. Als wir uns sahen, liefen wir winkend aufeinander zu und umarmten einander, als wären wir beste Freundinnen und hätten uns länger nicht gesehen. Niemand im Park sollte sehen, dass wir uns gerade das zweite mal sahen. Lachend setzten wir uns auf den Rand vom Brunnen in der Mitte.
Ja, ich weiß. Ich hab gerade noch von nicht auffallen geredet, aber das gilt für die Schule. Von dort werde ich nach der Mission abtauchen, weshalb es besser ist, wenn niemand bemerkt, dass ich überhaupt da war. Hier im Park hingegen ist es von Vorteil, wenn uns alle für zwei Freundinnen halten, die sich einfach normal über dummen „Mädchenkram" unterhalten und Spitznamen für Menschen verwenden, wenn sie über sie lästern oder Pläne schmieden, wie sie die andere am besten mit dem und der verkuppeln.
Bei uns standen die Spitznamen jedoch für etwas andere Dinge. Trotzdem hätte ein Außenstehender nur Bahnhof verstanden, da unsere Unterhaltung in etwas so ablief:
„Wo denkst du, hat die Katze die Kokosnuss versteckt?"
„Oh, das ist eine gute Frage. Je früher wir es herausfinden desto besser. Aber wir müssen auf die Rosensamen Acht geben. Die sind im Kachelofen verstreut.."
„Wäre es nicht besser wenn wir diesen Priesterkittel endlich waschen?"
„Nein, wir müssen an erster Stelle die Kokosnuss finden"
„Gut, aber was ist mit dem Wort?"
„Ah, da ist jemand wohl nicht am neusten Stand der Dinge, das haben wir schon"
„Also Kokosnuss"
„Jap"
Mit ein bisschen Lachen und einander piksen kommt das ganze ziemlich verrückt rüber. Also perfekt, um glaubwürdig zu machen, dass wir einfach nur zwei harmlose Teenager sind.
Nachdem wir noch einen gemeinsamen Lachanfall erlitten hatten (eine gute Zeitbertreibung ohne ein wirkliches Gesprächsthema) verabschiedeten wir uns mit einer Umarmung voneinander. Und wie es Freundinnen nun mal so machen, verabredeten wie uns für morgen Nachmittag in einem Café, ganz in der Nähe.
Ich muss zugeben, dass ich ihre schauspielerischen Fähigkeiten sehr bewundere. Ihr strahlendes Lächeln stellt die Tatsache, dass dieses nie ihre Augen erreicht erfolgreich in den Schatten. Damit wollte ich jetzt natürlich nicht ausdrücken, dass ihre Augen nicht schön waren, nur weil das unechte Lachen..
Wie auch immer, unsere Unterhaltung war nicht so harmlos wie sie (hoffentlich) wirkte. Es war ein Informationsaustausch und wir meinten so viel wie:
„Wo denkst du hat die Agentin die Bombe versteckt?"
„Oh, das ist eine gute Frage. Je früher wir es herausfinden desto besser. Aber wir müssen auf die Wanzen Acht geben. Die sind in der ganzen Schule verteilt"
„Wäre es nicht besser, wenn wir ihre Tarnung einfach auffliegen lassen?"
„Nein, wir müssen an erster Stelle den Standort der Bombe ausfindig machen"
„Gut, aber was ist mit dem Passwort für die Deaktivierung?"
„Das haben wir schon"
„Also Ziel: Bombe"
„Ja"

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