Kapitel XIX: Berlin

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So schön das Wochenende auch gewesen war, die Heimfahrt war schwer. Jan hatte mich am Montagmorgen in den Zug gesetzt und ich war brav nach Berlin gefahren mit Blick auf den Mann, den ich seit dem Tag davor, noch ein wenig mehr liebte, sowie den Hund, der am Tag meiner Rückkehr bereits operiert auf mich warten würde.

Amber verstand das Ganze mit dem Zug und den Geräuschen nicht, starrte mich vorwurfsvoll an, als der Zug ausfuhr, während Jan ihn auf dem Arm hielt und sanft kraulte, damit er nicht völlig durchdrehte. Der Blick, den er mir dabei zugeworfen hatte, war ein finsteres Versprechen gewesen. Die Erinnerung an das, was ich ihm versprochen hatte: Schnellstmöglich zurück zu kommen und mich bis dahin nicht selbst anzufassen. Und ich hatte es gern getan – immer mit Gedanken an ihn.

Wir hatten Regeln festgelegt, die speziell für die Zeit galten, wenn ich in Berlin sein würde. Die erste und die letzte Nachricht des Tages gehörten ihm. Ich hatte mich schnellstmöglich zu melden, wenn er mich anrief. Und er würde schauen, was ich machte. Dazu kam das Orgasmusverbot und nicht zu guter Letzt auch, dass ich so schnell wie möglich zurückkommen sollte.

Es war komisch nach der Woche mit ihm wieder allein zu sein. Ich war noch keine halbe Stunde entfernt, da wollte ich das nächste Mal ans Handy greifen, um ihm zu schreiben. Aber ich unterdrückte den Impuls – blöde rosa Brille. Das war doch nicht mehr normal.

Die Fahrt ging zum Glück relativ schnell und nach einem Umstieg am Hauptbahnhof erreichte ich meine Wohnung gegen Mittag. Es war leicht muffig, aber nach einmal Lüften und dem Abholen meiner Post, ging es wieder einigermaßen. Der Kühlschrank musste noch ein wenig aufgeräumt werden, was ich auch machte und dann gleich ein Date mit meinen Mädels verabredete. Das war nur fair. Immerhin würde ich dann für längere Zeit nicht mehr in Berlin sein.

Als ich am Abend schließlich erschöpft in meine Kissen sank und Jan die letzte SMS des Tages schrieb, war ich kaputt. Meine Liste war doppelt so lang wie bei meiner Ankunft und ich hatte noch einiges zu tun.

Genug, dass es mich für die nächsten zwei Tage aufhielt. Zum einen stand da ein Termin bei meiner Frauenärztin an, die mir erzählte, dass die Kupferspirale leicht verrutscht war, was aber wohl kein Problem darstellte, da sie sie gleichzeitig wieder richtete, und dass sie sich nicht vorstellen konnte, woher die Ohnmacht gekommen war, ich das aber in jedem Fall beobachten sollte. Danach war da noch der verhasste Termin beim Amt, anmelden musste ich mich ja immerhin schon mal, auch wenn meine Betreuerin das eher gelassen sah. Noch war ich nicht arbeitslos und bis dahin hatte ich ja noch genug Zeit mich zu kümmern.

Ich hatte ebenfalls einen Abstecher zum Eigentümer der meisten Wohnungen in meinem Haus, der mir erzählte, dass sie die Rohre der Hauptwasserleitung neu machen wollten – ganz spontan ohne vorherige Absprache und dass sie dafür auch an mein Bad mussten. So bekam der den Zweitschlüssel, da ich ja sowieso nicht da sein würde. Dann fehlte noch der Nachsendeantrag bei der Post, sowie ein Paket von der DHL, das keines meiner Nachbarn angenommen hatte und das Übliche, was eben so passierte, wenn man gerade keine Zeit hatte. Personen meldeten sich, brauchten etwas von einem und eigentlich war ich die kompletten nächsten zwei Tage nur im Stress.

Als dann am Abend meine beiden besten Freundinnen vorbeischauten und mir ein großes Glas Wein eingossen – nicht zuletzt, um mich besser über Jan ausquetschen zu können – war es dann endgültig erreicht, meine Geduld. Ich beantwortete die leichten Fragen ehrlich, wich dem Rest aus. Sie wussten, dass ich die härtere Gangart bevorzugte, aber die Sache mit dem Alter und dem Club, verschwieg ich ihnen zunächst. Irgendwann würden sie ihn ja auch kennenlernen. Vorzugsweise dann, wenn wir schon lang genug zusammen waren, dass sie nicht mehr meckern konnten.

So setzte ich sie nach vier Stunden vor die Tür, nur um dann eine Stunde später meinen Bruder vor mir stehen zu haben, der vorbeigekommen war, um mir eine Moralpredigt zu halten. Große Schwester, einfach Job aufgegeben, irgendwas von wegen nicht erreichbar, Mama macht sich Sorgen, bla bla bla. Ich hatte versucht es ihm zu erklären, aber das Verständnis war irgendwie nicht dagewesen. Keine guten Voraussetzungen, wenn ich ihm Jan irgendwann mal vorstellen wollte – also falls Jan das dann auch wollte. Er ging schließlich mit dem Hinweis, dass unsere Mutter ihren Urlaub bald beenden würde und wir dann mal wieder ein paar gemeinsame Tage verbringen sollten. Halleluja.

Als ich am Donnerstag aufwachte, gewitterte es draußen. Ein richtiges Unwetter. Und so war auch meine Stimmung. Ich hatte keine Lust mehr auf die Stadt oder auf die Leute in Berlin. Ich wollte nichts mehr von Ärzten, Ämtern oder sonstigem hören. Im Grunde war mir die Wohnung zu klein und ich vermisste einen Mann und den dazugehörigen Hund fast schon schmerzlich. Schmerzlich genug, dass ich Jan zwar die erste SMS schrieb, ihn aber nicht darüber informierte, dass ich mir statt am Freitag, bereits am Donnerstag die Sachen ins Auto schmiss, noch einmal alles checkte, das Wasser ausstellte und dann Richtung Norden fuhr.

Der Stadtverkehr im Abenteuerverkehr war ein Graus und ich brauchte 1,5 Stunden, ehe ich die Pendler endlich hinter mir gelassen hatte und in die 30 km Baustelle fuhr. Das Wetter wurde nicht besser und ich wusste nicht mal, ob Jan Zuhause sein würde. Aber das war mir egal. Er hatte nicht gesagt, dass er im Club war, also war er mit Sicherheit zu Hause. Hauptsache, ich konnte mich wieder in seinen Arm kuscheln.

Mit meinem eigenen Auto fand ich die Strecke angenehmer, wenn ich auch wegen des dichten Regens und der nassen Straße nicht so schnell fahren konnte, wie ich wollte. Schlussendlich landete ich mal wieder in einem Stau, den ein Autounfall verursacht hatte, was mir noch einmal eine halbe Stunde Verzögerung einbrachte. Als ich schließlich auf den mir mittlerweile doch recht bekannten Hof fuhr, war meine Stimmung daher im Tiefpunkt angekommen.

Jans Auto stand zum Glück auf dem Hof und daneben kein anderes – die besten Voraussetzungen. Also stieg ich aus, schnappte mir meine Handtasche und ließ den Rest einfach erstmal hinten drin, ehe ich durch den kalten Regen Richtung Haustür lief. Ich hatte keinen Schlüssel, aber Jan reagierte auf das Klingeln, denn nur wenige Sekunden später, stand er vor mir. Er hatte eine dunkle Jeans an, dazu ein weißes Hemd und sprach grade mit jemandem an seinem Telefon.

Zunächst sah er mich verwirrt an, brauchte kurz um zu realisieren, was da gerade passiert war.

„Verstanden Thomas, ich muss leider auflegen. Melde mich die Tage noch einmal", erklärte er fast schon barsch, nur um sein Telefon dann in seine Hosentasche zu stecken.

„Hi", nuschelte ich, fast schon schüchtern und wurde in dem Moment, als es heftig über uns donnerte, einfach hineingezogen. Es folgte kein sanfter Kuss, kein Mr. Darcy, der mir sanft die Haare zur Seite strich. Jan beförderte mich mit einem harschen Ruck an die Wand neben der Eingangstür, pinnte meine Hände nach oben und funkelte mich wütend an.

„Ist das dein Ernst? Es wird Unwetter angekündigt und du fährst einfach so los? Und schlimmer noch, du sagst mir nicht einmal Bescheid? Was ist, wenn dir etwas passiert wäre?!", fuhr er mich an, bedrohlich, direkt vor meiner Nase, dass ich mich wegducken wollte. Aber er ließ mich nicht.

„Du gehörst gefesselt und geschlagen, bis dir Hören und Sehen vergeht", zischte er, merkte aber anhand meiner Reaktion, wie aggressiv er wirkte. Zumindest interpretierte ich es so, denn sein Blick wurde deutlich sanfter, während er mein Kinn so drehte, dass ich ihn ansehen musste.

„Es tut mir leid, Jan. Ich konnte nicht länger warten und wollte doch nur einfach bei dir sein", erwiderte ich zögerlich und merkte erleichtert, wie er meine Hände losließ. Ich wusste nicht, ob ich gerade in der Lage war zu spielen. Ich wollte ihn einfach nur fühlen und schmecken und mich in Sicherheit fühlen. Behütet und beschützt, weit weg von meinen Sorgen.

„Wieso hast du mir nicht Bescheid gesagt? Sie haben heute vor dem Wetter gewarnt, das habe ich dir doch geschrieben. Die Bahn hat sogar einen Großteil der Züge gestrichen. Dir hätte etwas passieren können und ich hätte es nicht gewusst, Elena", tadelte er mich erneut, aber in gemäßigterem Ton. Die Anklage blieb dennoch.

„Ich hatte Angst, du würdest mich nicht mehr hier haben wollen", gab ich leise zu, den Blick auf meine Hände gerichtet. Ich hatte ihn so sehr vermisst, gleichzeitig aber Angst gehabt, dass es ihm zu viel geworden war. Die nervige, kleine Elena, die an ihrem alten Freund hing.
Ein tiefes Seufzen hing in der Luft, ehe er mich in seinen Arm zog und tief brummte.

„Du dummes Mädchen. Wieso sollte ich dich nicht hier haben wollen? Wir hatten doch abgemacht, dass du morgen oder Samstag wieder herkommst. Stattdessen setzt du dein Leben aufs Spiel und gibst mir nicht mal die Chance ein Auge auf dich zu haben", seufzte er, zog dann aber mein Kinn nach oben, um mich innig zu küssen.

Sofort war die Sorge hinfort, genau wie das schlechte Gefühl, dass mir seine Laune gegeben hatte. Seufzend schmiegte ich mich ihm entgegen, ließ mir liebevoll am Haar ziehen. Es war nicht einmal eine Woche gewesen, aber es hatte sich ewig lang angefühlt.
Ein tiefes Brummen erklang in seiner Brust, ehe er sich von mir löste und tief durchatmete. Dann nickte er und nahm mich am Ellenbogen mit hinein in die Küche.

Ich runzelte die Stirn, sah die halbvollen Packungen voller asiatischem Essen, die er sich wohl bestellt hatte – und das in großer Variation. Entweder er hatte Besuch gehabt oder er hatte einen Bärenhunger gehabt, während ich ihn unterbrochen hatte.

„Stör ich dich?", fragte ich zaghaft, suchte den Raum ab, fand aber keinen anderen Menschen. Er schüttelte hingegen den Kopf und deutete auf das Körbchen von Amber. Zögerlich ging ich davor in die Hocke und sah dann meinen kleinen Fuchs, der träge und definitiv noch neben sich ein Augenlied hob, nur um es dann wieder zu schließen und weiter zu nickern. Die OP hatte ihn wohl stark mitgenommen.

„Ich habe den ganzen Tag nichts Essen können, weil ich mir Sorgen gemacht habe, er würde die OP nicht gut überstehen. Also habe ich heute Abend bestellt und bin dabei zugegebenermaßen ein wenig über die Stränge geschlagen, sobald ich zuhause war."

Vorsichtig kraulte ich den kleinen Hund noch einmal und ließ ihn dann schlafen. Der nächste Morgen würde genug Zeit bringen ihn liebevoll zu umsorgen. Und ich hatte scheinbar eine andere Baustelle, die missmutig war, weil ich ihn nicht informiert hatte. Und weil er sich Sorgen um den kleinen Hund machte, den er eigentlich nicht haben wollte. Irgendwie zumindest.

Zaghaft ging ich zum Esstisch hinüber und angelte nach Jans Hand, nur um dann einen Kuss darauf zu drücken und sie an meine Wange zu ziehen.

„Verzeihst du mir deine Dummheit und dass ich nicht ehrlich war, Jan?", fragte ich ihn. Kein Spiel, zumindest nur ein halbes. Sein Blick zeigte aber, dass wir nicht gänzlich in einem neutralen Rahmen standen. Es war eine Mischung, die mich verunsicherte, aber wie immer war er mein Anker. Er hielt mich und beschützte mich vor meinen Ängsten.

„Ich verzeihe dir. Du wirst morgen dennoch bestraft werden. Wenn du bis dahin brav bist, werde ich es vielleicht erträglicher für dich machen, aber nur dann", seufzte er und drückte mir seine Lippen auf die Stirn. Ich seufzte einerseits erleichtert auf, andererseits grauste mir es ein wenig. Bestrafung war mit Sicherheit etwas anderes als ein wilder Orgasmus.

Sein Blick glitt erneut zum Essen, wobei er wohl nicht wusste, wie oder was er gerade essen sollte. Also entschied ich, denn mit einer starken Bewegung drückte ich ihn Richtung Wohnzimmer und setzte ihn wortlos auf das Sofa, ehe ich anfing Getränke zu holen und das Essen noch einmal warm zu machen. Keine 10 Minuten später saßen wir dann gemeinsam dort. Ich zu seinen Füßen, eine Box mit Nudeln und Ente in der Hand, er weiter oben mit ein paar Scampies in Kokossoße. Er war K.O. und das merkte ich vor allem daran, dass er wenig aß und seine Hand sich zwar in meinen Nacken legte, aber immer wieder leicht schlaff auf meine Schulter rutschte. Er nickerte ein, während ich auf meinem Handy ein wenig las. So eine komische Situation, die mir gleichzeitig ein wenig skurrile Normalität bot.

Jan war weder Gott noch heilig. Er war ein normaler Mann mit normalen Problemen und offensichtlich war ihm Ambers OP deutlich näher gegangen als er es mir hatte weiß machen wollen. Dass er jetzt, da ich bei ihm war, sofort losließ und mir in diesem Sinne das Vertrauen entgegenbrachte mich um ihn zu kümmern, zeigte, dass auch er mich brauchte. Auch wenn ich insgeheim die Befürchtung hatte, dass Amber nicht sein einziges Problem war.

Ich weckte ihn gegen 11 Uhr nachdem ich aufgeräumt hatte und drängte ihn dazu ins Bett zu gehen, während ich Amber vorsichtig nach oben in sein Körbchen trug und dann das Haus abschloss. Das war sonst Jans Ding. Jede Tür wurde ein letztes Mal zugeschlossen, ehe er hochging. Nun übernahm ich es und rannte schließlich von der absoluten Dunkelheit gejagt die Treppe hoch in sein Schlafzimmer. Mir sah jedoch kein verwirrter Blick entgegen. Jan hatte sich fertig gemacht und war dann direkt eingeschlafen, das Gesicht an meinem Kopfkissen vergraben.

Lächelnd machte auch ich mich zurecht, nur um mich dann zwischen ihn und die Außenwand zu kuscheln. Vorsichtig nahm ich mir mein Kissen und zog ihn dann in meinen Arm, sodass sein Kopf auf meiner Brust lag. Er brummte zufrieden, drückte sich näher an mich heran, aber ich ahnte bereits, dass die Position ihm am nächsten Morgen mit Nackenschmerzen strafen würde. Und ich behielt Recht.

Jan war ausnahmsweise nicht vor mir wach, als Amber anfing zu quietschen. Er musste raus und ich wusste, dass das in dem Moment wohl meine Aufgabe war. Also zog ich mir etwas über, gemeinsam mit Jans großem Regenmantel und half dem armen Hund nach draußen, der vor sich her humpelte und mich treudoof anschaute. Frei nach dem Motto: Nimm mich, trag mich, hab mich lieb.

Und ich hatte ihn lieb. Nach unserer Minirunde und dem ersten Frühstück für ihn, besorgte ich heißen Kaffee und brachte diesen mit dem kleinen Hund nach oben. Es war kurz vor 8 und Freitag – Jan musste also bald aufstehen und anfangen zu arbeiten.

Im Schlafzimmer angekommen legte ich meine sensible Ware sanft hin und versuchte den Kaffee auch ohne Kleckern auf den Tisch zu stellen, ehe ich mich im Bett hinter ihn kuschelte und anfing ihm durchs Haar zu streichen. Auch das hatte ich bisher so noch nicht gemacht, aber es gab ja bekanntlich für alles ein erstes Mal.

Es dauerte, bis er sich träge regte und nur langsam ein Auge aufbekam, mich dann müde und leicht neben sich anschaute. Das bedeutete dann wohl keine Arbeit. Ob er die letzten Nächte schon nicht gut geschlafen hatte?

„Hey", nuschelte ich daher und ließ ihn sich in meinen Arm drehen, den Kopf wieder auf meine Brust gelegt. Als Dank bekam ich ein leises Seufzen, dass in einem tiefen Brummen endete, weil ich angefangen hatte ihn im Nacken zu kraulen. Das mochte der Bär dann wohl genauso wie das Kätzchen.

„Ich habe dir Kaffee gemacht, möchtest du einen Schluck?", fragte ich ihn und bekam ihn so fünf Minuten später dazu sich langsam aufzusetzen und die Tasse entgegen zu nehmen. Kaputt lehnte er seinen Hinterkopf an das Kopfteil des Bettes und seufzte dann schwer auf. Er sah deutlich älter aus als sonst, mit tiefen Augenringen und Falten, die seine Stirn plagten.

„Danke", antwortete er schließlich, nachdem er einen großen Schluck genommen hatte und dann seinen Arm um mich legte, nur um mich dann enger an ihn zu ziehen. Seine Nase vergrub er fast augenblicklich in meinem Haar, brauchte wohl die Zeit um wach zu werden. Normalerweise war er vor mir wach, daher konnte ich nicht richtig einschätzen, wie morgenmufflig er sonst so war. Aber es fühlte sich schon extrem an.

„Wie hast du geschlafen?", versuchte ich ihn abzulenken und bekam wieder nur ein tiefes Brummen. Er suchte scheinbar nach Wörtern.

„In den letzten Tagen viel zu wenig. Den Abend gestern und die Nacht habe ich gebraucht. Wie spät ist es?"

„Mittlerweile 15 Minuten nach Acht, aber ich habe beschlossen, dass du frühstens um 10 anfängst mit der Arbeit, wenn überhaupt. Du siehst scheiße aus und ich finde, du solltest dich ausruhen", verkündete ich ihm ernst und sah zu ihm nach oben. Jan wusste wohl nicht recht, ob er darauf belustigt oder ungläubig reagieren sollte, denn seine Augenbraue fand gar nicht erst Halt, während er sich überlegte, was er mit mir anstellen sollte.

„Findest du also, ja?", fragte er und nickte schließlich ergeben.

„Dann ist heute mein freier Tag. Ich habe keine Ambitionen heute etwas zu tun. Müssen sie eben warten", seufzte er den nächsten großen Schluck aus seiner Tasse nehmend. Er war scheinbar süchtig nach dem Zeug.

„Wieso bist du so K.O.?"

Dieses Mal musste er ein wenig überlegen, was mich aber nicht verwunderte. Vielleicht war die Frage zu komplex für die Uhrzeit, aber ich machte mir ein wenig Sorgen.

„Ich war Montagabend beim Sport und hab mich derbe verausgabt, dabei etwas in der Hand gezerrt und konnte deswegen nicht schlafen. Dienstag hat Steffi mir dann eröffnet, dass sie sich von Tobias scheiden lassen wird, während die Jungs heulend in meinem Arm eingeschlafen sind. Es ist eine Welt zusammengebrochen für die Beiden. Und ich habe ein wenig Stress mit unserem nächtlichen Clubbesucher. Er erzählt gerade herum, dass ich mich ja an unseren Deal nicht halten wollte und mich von einer Anfängerin dominieren lasse. Die meisten werden es wohl besser wissen, aber der Tratsch geht dennoch weiter in der Community und ich wurde schon mehrmals angerufen, was da nun dran ist", schüttelte er sich mir schließlich aus und starrte weiter auf seinen Kaffee. Irgendwie wollte er nun nicht in mein Gesicht sehen.

„Wenn deine Hand immernoch weh tut, dann solltest du zum Arzt gehen", erklärte ich ihm, bekam aber ein Kopfschütteln. Die Hand tat also nicht mehr weh.

„Das mit Steffi tut mir wirklich leid, aber schau, du hast selbst gesagt, dass Tobias nicht wirklich der perfekte Mann für sie ist. Sie hat drum gekämpft und zieht jetzt eben eine Grenze, weil sie es nicht mehr für sich und ihre Söhne verantworten kann. Natürlich wird das schwer für die Beiden, genauso wie für Steffi, aber deine Mutter ist doch da und du kümmerst dich doch auch um die drei. Das wird schon."

„Ich weiß, es ist dennoch unschön. Wenn deine Schwester so sehr leidet und du nichts dagegen tun kannst", warf er tief seufzend ein und leerte seinen Kaffee.

„Das stimmt wohl. Aber das schaffen wir schon, hm? Und was den Clubbesucher angeht, der kann mich mal. Und dich sollte er auch kreuzweise können. Gibt es etwas, was du tun kannst, damit sie nicht mehr lästern?", fragte ich besorgt. Ein Business konnte schnell zu Grunde gehen bei übler Nachrede – und nichts anderes war das.

„Doch, es gibt ein oder zwei Möglichkeiten, aber das ist fast nicht machbar. Anwalt weiß natürlich schon Bescheid, aber bis das durch ist, dauert das ewig. Und entweder muss ich öffentlich machen, wie dreist er war, aber das heißt auch zu zeigen, wie dumm ich war. Oder aber ich kontre mit dir zusammen, aber auch das ist etwas, was wir eigentlich noch nicht können."

„Was können wir noch nicht?", hakte ich nach, wollte mich mit der kryptischen Antwort nicht zufrieden geben.

„Es ist nur ein Gedanke, aber viel zu früh, Kleines. Wenn ich ihn über das Geschäft nicht übers Ohr hauen kann, muss ich der Community zeigen, dass ich mich eben nicht von einer Anfängerin dominieren lasse, damit die gesamte Aussage unglaubwürdig erscheint. Und das geht am besten, in dem ich dich öffentlich dominiere, und zwar richtig", erklärte er zaghaft und suchte dann besorgt meinen Blick.

Sofort stellten sich in mir die Nackenhaare auf.
„Aber du hast doch gesagt, dass man als Anfänger genau das unterlassen soll."

„Und der Meinung bin ich nach wie vor. Ich will dich weder überfordern noch zu etwas zwingen. Es ist nur die einzig sinnvolle Antwort, die mir neben dem Anwalt aktuell einfällt. Aber das fällt weg.", erklärte er entschieden und zog mich dann enger an sich heran. Für ihn war das Thema gegessen – für mich nicht. Die Idee war abstrus und irgendwie aufregend. Ihm gehören, vor all den anderen?

„Aber, wenn es dir hilft?", fragte ich zaghaft nach.

„Dann bleibt es dennoch dabei. Du hast ausdrücklich gesagt, dass du dir zwar einen dreier vorstellen kannst, aber das in der Gruppe nicht möchtest. Es war schon grenzwertig mit dir das Nadelspiel zu beobachten. Du weißt noch nicht, wie du dich benehmen musst, wenn wir unter anderen sind. Das kannst du auch gar nicht. Aber das ist für den Club unerlässlich. Ich habe dich gern als Partnerin dabei, ich zeige dir Dinge, aber es ist ein Unterschied, ob du an meiner Seite stehst und ich dich im Arm halte, oder ob du fast nackt vor meinen Knien hockst und es akzeptierst, dass andere Menschen dich so wahrnehmen. Als wärst du nichts anderes als meiner Lust ein Diener."

Tief holte ich Luft. Das stimmte. Ich wollte nur mit ihm Sex haben, vielleicht noch irgendwann eine weitere Person. Aber Dominanz musste ja nicht immer körperlich sein, oder?

„Reicht es nicht, wenn ich da bin und ich mich füge? Du musst doch nicht mit mir vor anderen schlafen. Ich muss nicht öffentlich ausgepeitscht werden oder Teil der Orgie sein. Aber ich kann an deiner Seite knien, kann deine Hand in meinem Nacken akzeptieren und darum fragen, ob ich etwas sagen darf. Auch wenn es nicht ganz meiner Natur entspricht."

„Es reicht, wenn du da wärst, aber wenn du dich vielleicht auch unwissentlich daneben benimmst, dann könnten Umstände dazu führen, dass man eben doch eine Bestrafung verlangt. Lehne ich die ab, stehe ich schwächer da als zuvor, nehme ich an, werde ich dich etwas ausliefern, was dir schadet und das ist nicht akzeptabel. Deswegen ist das Thema vom Tisch", entschied er und zog mein Kinn nach oben, dass ich ihm in die Augen sehen musste. Erst als ich nickend zu verstehen gab, dass ich ihm Folge leisten würde, ließ er mein Kinn los und strich mir dann sanft über die Wange.

„Und nun, Subbie, kümmere dich um deinen Meister", fand er den Weg zu einem amüsanteren Thema. Die Augen hatte er lasziv geschlossen, während er mich unter halben Lidern musterte und dann ganz offensichtlich auf die Region zwischen seinen Beinen deutete.

„Bitte?", fragte ich nach, verwirrt und irgendwie auch aus dem Kontext gerissen.

„Raphael hat sich für Simon anfangs ein schönes Ritual ausgedacht. Jeden Morgen musste er seinen Herrn beim Aufwachen verwöhnen und ich finde, das täte dir auch sehr gut um ein wenig mehr Demut zu lernen, nicht wahr?", seine Stimme war immer schärfer geworden, aber hatte noch nicht das Maximum erreicht. Ich kannte das Maximum mittlerweile und eigentlich neckte er mich – noch.

„Ich soll dir einen Blasen?", fragte ich daher zaghaft nach und bekam dafür nur ein enttäuschtes Kopfschütteln.

Die Hand in meinem NackenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt