Türchen #2

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Es ist gleich 16 Uhr und damit auch fast Feierabend für heute. Na ja,noch nicht ganz. Eigentlich habe ich erst um 17 Uhr Feierabend, doch heute mache ich mal früher Schluss. Immerhin ist es ein sonniger Dezembertag und auch wenn es schon langsam dunkel wird, möchte ich noch ein wenig in die Einkaufsmeile hier in der Nähe. Mir fehlen noch zwei Geschenke und ich will diese nicht länger aufschieben. Gerade fahre ich meinen Arbeitsrechner runter und trinke den letzten Schluck meines Wintertees und puste meine Duftkerze aus. Und als mir der kalte Zimtgeruch, gemischt mit dem Rauch, in die Nase steigt, muss ich an Sonntag denken.

Lächelnd denke ich an den Abend zurück. Denn obwohl ich für eine Stunde alleine durch die Menschenmassen auf dem Weihnachtsmarkt geirrt bin,war es ein schöner Abend gewesen. Ich habe mir den Magen mit vielen Leckereien vollgeschlagen. Mit gebrannten Mandeln, Zuckerwatte, einem Crêpe mit ganz viel Nutella, mit einer Bratwurst und zum Schluss noch mit einem kandierten Apfel. Dann gab es noch den ein oderanderen Glühwein und zum Abschluss dann noch eine heiße Schokolade mit viel Sahne. Das mir danach nicht übel wurde, wundert mich ehrlich gesagt. Doch das Highlight des Abends war etwas ganz anderes – oder sollte ich sagen, jemand anderes? Denn unglaublich, aber wahr, ich traf auf meinen absoluten Lieblingssänger. Wincent Weiss. Besser gesagt, lief ich Tollpatsch in ihn hinein. Niemals hätte ich damit gerechnet, ihn überhaupt mal anzutreffen. Und dann ausgerechnet auf einem Weihnachtsmarkt, mitten in Berlin? Das ist verrückt, wenn ihr mich fragt. Ich meine, da tummelt es sich doch nur so vor Menschen.

Jedenfalls liegt dieser Abend wieder zwei Tage zurück und die Arbeit hat mich wieder vollkommen in sich eingenommen. Ich liebe meinen Job –wirklich, doch zur Zeit ist hier irgendwie der Wurm drin. Ob das an Weihnachten liegt? Ich weiß es nicht. Alle meine Kollegen sind gut drauf, alle sind in Weihnachtsstimmung und jeder nimmt mal etwas selbstgebackenes mit und verteilt es an die Kollegen, doch irgendwie sind viele auch ziemlich gestresst. Wahrscheinlich fehlen ihnen noch die meisten Geschenke oder ihnen graut es schon vor dem Fest mit der Familie.

Ich für meinen Teil freue mich jedenfalls schon sehr auf die Feiertage. Ich liebe Weihnachten. Für mich ist es die schönste Zeit und das schönste Fest im Jahr. Überall funkelt und glitzert es - sogar bei uns im Verlag. Auf jeder Etage steht ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum, mit Karten geschmückt, auf denen wir unsere Wünsche oder einfach nur Zitate aufgeschrieben haben. Zitate aus Büchern, die wir bereits verlegt haben, oder eben diese, die im kommenden Jahr in die Produktion gehen. Auch ich habe ein Zitat ausgewählt.

Dieser Moment gehört uns. Nur ihm und mir. Und er ist magisch. Wunderschön.In mir herrscht eine Gefühlsachterbahn. Den Arm meines Bruders, der noch auf meiner Schulter liegt, nehme ich kaum wahr. Schaue nur in die glitzernden Augen des Sängers. Er legt sein ganzes Gefühl, sein Herz in diesen Song, in den Moment und besonders in seine Stimme.

Jonah, aus 'Die Melodie deines Herzens'

Das Manuskript dazu habe ich schon vor Ewigkeiten gelesen und das Buch erscheint bereits im Januar. Und ich freue mich schon, das gebundene Buch in meinen Händen zu halten und das, obwohl nicht ich es bin, die es geschrieben hat. Aber es war meine beste Freundin und ich freue mich so sehr für sie.

Ich schnappe mir meine Tasche, in die ich noch schnell zwei Manuskripte hineinlege, ziehe mir dann meinen Mantel an und verlasse nach einem letzten Kontrollblick mein Büro.

Die Geschenke sind ein Glück schnell besorgt und ich kann fix dem ganzen Stress in der Stadt, den die Leute verbreiten, entfliehen - der wirklich zum greifen nah ist. Mit den Geschenken, drei neuen Büchern – die ich nun von meiner Wunschliste streichen kann – und vier Weihnachtskarten, schlendere ich ein wenig durch die Straßen. Ich weiche tobenden Kindern aus, einer Horde Jugendliche, die wild gestikulierend nicht auf ihr Umfeld achten und einem Hund, der knapp an meinen Füßen vorbei, den Gehweg entlang saust – gefolgt von einem Jogger. Da ich aber noch nicht nach Hause möchte, habe ich mich dazu entschieden, mich in ein Café zu setzen, eine heiße Schokolade zu trinken – oder drei – und an dem Manuskript weiterzulesen, welches ich heute Mittag angefangen habe. Doch bevor ich mit dem Lesen beginne, hole ich die Karten heraus, um diese zu beschriften und gleich auf dem Heimweg noch in den Briefkasten zuwerfen. Das mache ich schon seit Jahren. Jedes Jahr zu Weihnachten bekommt mein Bruder, meine Beste Freundin aus Norderstedt und meine beiden Cousins eine Weihnachtskarte zugesendet.

DezemberwunderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt