Türchen #3

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So ausgeschlafen wie heute bin ich schon lange nicht mehr aufgewacht, denke ich mir und tapse Barfuß, nur im Schlafshirt bekleidet, in die Küche, um mir Milch für eine heiße Schokolade warm zu machen. Während die Milch im Topf erhitzt, suche ich das Manuskript und die beiden Exposés zusammen, die ich gestern Abend dann doch noch auf der Couch gelesen habe - weil ich nicht schlafen konnte - um sie wieder in meiner Tasche zu verstauen, ehe ich sie hier vergesse und im Büro dann nicht daran weiter arbeiten kann. Als das getan ist, gehe ich zurück in die Küche, schalte das Radio ein und rühre die Schokolade unter, ehe ich mir das Getränk in meinen Becher To Go kippe. Gerade als ich den Becher in den Flur, neben meine Tasche auf die Kommode stelle, bleibt mir das Herz stehen. Die Uhr auf der Kommode läuft leider weiter und ist gestern Abend nicht stehen geblieben. Verdammt. Jetzt weiß ich auch, warum ich so ausgeschlafen bin. Es ist bereits nach 9 Uhr. Scheiße, ich habe voll verpennt. Um 8 Uhr hätte ich im Büro sein müssen. Schnell flitze ich ins Badezimmer, springe unter die Dusche und putze mir im Anschluss die Zähne, ehe ich mir, im Handtuch eingewickelt, die Haare föhne und dann schon wieder im Schlafzimmer verschwinde, um mir etwas zum Anziehen heraus zusuchen. Schwarze Skinny Jeans und ein gerippten, aber dünnen, hellgrauen Rollkragenpullover und meine Ketten. Es sind die drei Ketten, die ich täglich trage. Meine Namenskette, dann eine mit meinem Sternzeichen und eine mit einem Ankeranhänger. Die Namenskette habe ich von meinen Eltern geschenkt bekommen, die Sternzeichenkette von Bonnie und die Ankerkette von meinem Bruder. Dann schnappe ich mir noch meine Uhr und ein Haarband, falls mich meine Haare auf der Arbeit nerven sollten – was ungefähr zu 90 Prozent der Arbeitszeit vorkommt. Im Flur angekommen, schlüpfe ich noch schnell in meine Vans und ziehe einen warmen Fleecepullover über, ehe ich meine oversized Jeansjacke anziehe, zur Tasche und meinem Becher greife, die Schlüssel aus der Schale nehme und die Wohnung verlasse. Ein Glück ist mein Chef total entspannt und wir können das tragen, worin wir uns wohlfühlen.

Auf der Arbeit angekommen, schaue ich eben bei meinem Chef vorbei und stelle fest, das er ja seit heute im Urlaub ist. Also hätte ich mich gar nicht so abhetzen brauchen. Denn er hates ja eh nicht mitbekommen. Ich zucke die Schultern und laufe den Gang runter, um in mein Büro zu kommen. Auf dem weg dahin, werde ich von der Assistentin meines Chefs aufgehalten. Sie grinst mir schon breit entgegen. »Wie lange ist es her, dass du mal zu spät zur Arbeit erscheinst? Das war doch noch zu deinen Studienzeiten, wenn ich mich nicht täusche?«, sagt sie und ich muss schmunzeln. »Wie recht du doch hast, Clara. Dabei habe ich nicht einmal lange im Manuskript gelesen und war um kurz nach 11 bereits im Bett. Scheinbar habe ich trotzdem den Wecker überhört«, sage ich doch sie winkt ab. »Das kann doch mal passieren. Ich will dich jetzt auch gar nicht weiter aufhalten. Wollen wir später zusammen Pause machen?«, fragt sie noch, während sie bereits an mit vorbei den Gang entlang läuft, um zu ihrem Platz zu kommen. »Um 13 Uhr, wie immer?«, rufe ich ihr hinterher und sie zeigt mir einen Daumen nach oben. Lächelnd schüttel ich den Kopf und laufe die letzten drei Meter, um in mein Büro zu gelangen, wo ich mich erst mal auf den Stuhl fallen lasse. Wenn es eines gibt, was ich hasse, dann ist es ein hektischer Morgen.

Völligin Gedanken versunken, in denen ich über das Manuskript nachdenke, bemerke ich gar nicht, wie es bei mir an der Tür klopft. Erst als die Person die Tür öffnet und meinen Namen sagt, erwache ich ausmeinen Tagträumen. »Na du Träumerin. Es ist bereits kurz nach Eins, wollen wir zu dem Italiener hier um die Ecke gehen? Ich hätte jetzt total Appetit auf eine Lasagne.«, »Oh verdammt. Heute ist absolut nicht mein Tag«, sage ich und massiere mir die Schläfen, ehe ich ein Post-it in die Seite klebe, auf der ich mich gerade befinde und dann nach meiner Jacke und meiner Tasche greife und mich gemeinsam mit Clara auf den Weg mache.

»Es war eine verdammt gute Idee, hier her zu kommen. Ich meine, was gibt es besseres als Pasta?«, frage ich und blicke in das amüsierte Gesicht von Clara. »Vanillepudding? Schokoladenkuchen? Gebrannte Mandeln auf dem Weihnachtsmarkt? Ich weiß es nicht, sag du es mir«, sagt sie lachend und steckt mich gleich damit an. »Warmen Apfelkuchen vielleicht«, überlege ich laut und grinse sie an, als ihre Augen größer werden und sie zu funkeln anfangen. Okay. Scheinbar habe ich endlich ihre Schwäche entdeckt. Zumindest eine von vielen. Denn egal welches Dessert es ist, sie liebt es. Ich glaube, es gibt keines, welches sie nicht mag. »Ich muss unbedingt nach der Arbeit einkaufen, dann backe ich uns heute Abend einen Apfelkuchen und nehme ihn morgen mit zur Arbeit.«, jetzt bin ich diejenige, dessen Augen größer werden. »Oh ja, und ich besorge uns Vanillesoße. Oder vielleicht Vanilleeis? Was sagst du? Ich kann auch beides mitnehmen«, sage ich, und wir fangen erneut leise an zu lachen. Ich liebe es, dass sie ähnlich tickt wie ich und nur drei Jahre älter ist als ich. Wir verbringen meistens unsere Pausen zusammen und so haben wir uns in den letzten beiden Jahren ziemlich gut kennengelernt. Sie lebt seit fünf Jahren in einer Beziehung und hat einen dreijährigen, zuckersüßen Sohn. Und auch wenn sie auf viele immer ziemlich schüchtern und ruhig wirkt, ist sie eigentlich das komplette Gegenteil, wenn man sie erst einmal kennengelernt hat. Sie ist flippig und kess, sie ist offen und witzig. Clara hat Humor, ist eine gute Ratgeberin und tut alles, damit es denen, die ihr wichtig sind, gut geht. Wir haben schon zusammen geweint, uns gemeinsam betrunken und gekocht, wir haben zusammen gebacken und noch viel mehr gemeinsam gelacht. Sie ist eine verdammt gute Freundin für mich geworden und ich möchte sie nicht mehr missen.

»Wie war eigentlich dein Wochenende? Du gehst doch immer am ersten Adventmit deinen Bruder und den anderen auf den Weihnachtsmarkt. Wir haben darüber noch gar nicht gequatscht.« Und kaum hat sie den letzten Satz beendet, fange ich schon an zu erzählen. »Anfangs war es richtig schön. Wir haben uns erst mal einen Überblick beschafft und uns den ersten Glühwein geholt. Dann sind wir weitergezogen und haben uns unterhalten. Meine Cousins sind ja für die nächsten zwei Wochen in Berlin und wir haben uns ewig nicht mehr gesehen. Dann haben wir entschieden, alle zusammen Silvester bei Bonnie im Norden zu feiern. Meine Cousins und Levins Frau werden auch kommen. Und Amrei mit ihrem Freund und seinem Bruder wird auch da sein. Zumindest hoffe ich es, denn noch wissen sie nichts von meinem Plan. Ich freue mich schon riesig darauf, mit ihnen allen das Jahr zu beenden und das Neue zu Empfangen«, sie nickt und lauscht gespannt meiner Erzählung, wobei das Spannende ja erst noch kommt. »Aber das Spannende von allem kommt ja erst noch. Wie soll es auch anders sein, ich bin wie ein kleines fünfjähriges Mädchen mitten im Getümmel verloren gegangen«, wir müssen beide lachen »War es also wieder mal soweit, ja?«, fragt sie amüsiert und ich nicke. »Jedenfalls wollte ich dann Silas anrufen, der hängt ja meistens am Handy, doch mein Akku war leer. Wie soll es auch anders sein. Wenn ich Pech habe, dann richtig. Doch ein Glück hatte ich die Powerbank von Silas in der Tasche und konnte damit mein Handy aufladen. Dann bin ich paar Minuten über den Markt geirrt und habe versucht, mit meiner ach so wundervollen kleinen Körpergröße, die anderen zu finden. Doch das war natürlich leichter gesagt, als getan. Der Weihnachtsmarkt ist abends und am Wochenende ja nicht gerade wenig besucht. Und dann geschah es auch schon. Ich meine, wenn tollpatschig, dann richtig, oder?-« sie nickt »Ich bin dann in eine Person hinein gelaufen – oder sie in mich – keine Ahnung – aber du glaubst mir nicht, wen ich da vor mir stehen hatte. Gegen wessen Brust ich gestoßen bin und wessen braune Augen mich entschuldigend, fast schon vorsichtig, ansahen«, »Wer? Johnny Depp? Leonardo DiCaprio? Los, sag schon, gegen wen bist du gelaufen?«, fragt sie mir kindlicher Neugierde und bringt mich zum schmunzeln. »Es war weder Johnny Depp, noch Leonardo DiCaprio – wobei Leo nicht mal braune Augen hat, sondern blaue«,sage ich, und sie winkt nur ab. »Ist doch schnuppe«, fügt sie grinsend hinzu. »Es war Wincent Weiss«, sage ich leise und beobachte Clara, ihre Augen weiten sich und sie quiekt leise auf. »Nicht dein erst?«, fragt sie fassungslos, doch ich nicke nur. »Doch, wirklich. Kurz vorm Fall hat er mich noch aufgefangen undsich dann entschuldigt, weil er in mich hinein gelaufen ist. Er hat mich nicht gesehen. Ich meine, ich bin ja auch ein Zwerg«, sage ich schulterzuckend und schmunzel, als ich daran zurück denke. »Dank der Powerbank hatte ich bereits etwas mein Handy aufgeladen und dann mit schlappen 7 Prozent Akku es wirklich geschafft, noch ein Foto mit ihm zu machen. Und ein Autogramm habe ich auch erhalten«, sage ich und hole mein Handy aus der Jackentasche und suche das Foto heraus, ehe ich es ihr zeige. Sie nimmt sich mein Handy in die Hand und betrachtet das Foto genaustens. Ich beobachte sie dabei, wie sie es heranzoomt und sich alles anschaut. »Wow, neben ihm bist du wirklichein Zwerg«, sagt sie lachend. »Aber es ist ein schönes Foto. Ich freue mich so für dich, dass du ihn getroffen hast. Auch wenn es echt Zufall sein muss, ihn auf einem Weihnachtsmarkt, wo es nur sovor Leuten wimmelt, anzutreffen«, nickend stimme ich ihr zu. »Ja,das kannst du laut sagen. Und wenn man ihm dann erneut begegnet - am selbem Abend«, ungläubig mustert sie mich. »Ich bin noch eine weitere Stunde herum geirrt und ihm dann erneut über den Weg gelaufen, dann kamen wir ins Gespräch und er hat erzählt, das er zufällig mitbekommen hat, wie vier Leute nach jemanden suchen und die Person nicht erreichen können. Ich habe ihm dann ein Foto gezeigt, welches ich im wir kurz vorher gemacht haben, und dann hat er mir bestätigt, das sie es waren, und hat mich dann zu ihnen geführt.«, »Mensch, er ist nicht nur auf der Bühne toll, sondern auch noch privat hilfsbereit. Womit haben wir diesen Menschen verdient?«, flüstert sie leise und fragt sich das eher selbst als mich, dennoch zucke ich die Schultern. »Und dann?«, »Dann ist nicht mehr viel passiert. Ich habe den anderen erklärt, was in der Zeit, in der wir uns verloren hatten, passiert ist, und mein Bruder fragt total dämlich nach, ob er nicht 'dieser' Sänger ist«, wieder fängt Clara an zu lachen und ich erzähle ihr, wie es weiter ging.

DezemberwunderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt