FÜNF

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"Du musst es mir nicht beantworten. Tut mir Leid ich wollte nicht-", fing Hussein an sich zu entschuldigen, doch ich unterbrach ihn. "Schon gut. Irgendwann hätte ich es dir so oder so erzählt.. das hat auch was mit meinen Eltern zu tun..", fing ich an. "Du musst nicht. Ich mein das ernst. es war dumm von mir.", sagte er nun und fuhr sich über seine Haare. "Nein ich möchte. Zuvor solltest du wissen, dass ich seit einem Jahr in Berlin bin, und meine einzigen sozialen Kontakte Kerem und Ayaz sind. Sie sind die Hauptgründe, dass ich in Berlin bin. Und sie sind die einzigen denen ich vertraue. Hussein ich kann normalerweise nicht mit einem Mann reden ohne das ich Panik bekomme.", versuchte ich ihm klar zu machen. "Warum redest du dann mit mir?? soll ich nicht mehr kommen?" fragte er. "Ich möchte nicht das du gehst. Wenn ich ehrlich bin würde ich es schade finden, dass wenn du entlassen wirst wir uns nicht mehr sehen...", antwortete ich ihm wahrheitsgemäß. "Ich komm dich trotzdem weiter besuchen. Versprochen.", sagte er nun und legte wieder seine Hand auf meine. Das gab mir Kraft.

"Ich habe früher in Hannover gelebt. Ich bin die einzige Tochter meiner Eltern. Ich war immer gut in der Schule und hab brav daheim mitgeholfen... Meine Eltern sind wirklich sehr streng religiös und ich habe eine sehr strenge Erziehung gehabt. In meinem Abijahr habe ich meinen Exfreund kennen gelernt. Er war sehr eifersüchtig auf so ziemlich alles... und er hat alles was ich getan habe kontrolliert.. Meine Eltern haben es heraus gefunden und dann ging das Disaster los. Meine Eltern wollten mich sofort in die Türkei schleppen und mir einen Ehemann suchen. Aber mein Ex war wie besessen von mir. Er wollte, dass ich nur noch bei ihm bin. Mein Vater wollte, dass das Ansehen der Familie nicht geschädigt wird. So haben die beiden eine Abmachung getroffen. Besser gesagt haben sie sich gegenseitig erpresst. Ich muss bei ihm sein dann erzählt er nicht, dass ich die Tochter meiner Eltern mit einem Deutschen zusammen bin. Und mein Vater bestand darauf das ich trotzdem die brave Tochter spielte ansonsten würde er der Polizei die Aufnahmen von seinen Übergriffen an mich geben. Er hat mich geschlagen und....", meine Stimme versagte. Eine Träne lief mir über die Wange und Hussein strich sie weg,  " Auf jedem Fall haben Kerem und Ayaz bei einer Familienfeier gesehen, dass ich blaue Flecken an den Armen habe und auch mein überschminktes blaues Auge hatte sie durchschaut..  Sie habe ihren Vater eingeweiht und dieser hat meinem Vater die Stirn geboten. Sie haben all meine Sachen gepackt, meinen Ex eingeschüchtert und mich mit nach Berlin genommen. Jetzt bin ich schon seit über einem Jahr in Berlin und bin froh darüber wenigstens einen Teil der Familie zu haben. Und dieser Bastard ist tatsächlich Polizist geworden...", beendete ich meine Erzählungen. "Er ist was??", fragte Hussein nun mit großen Augen. ich nickte nur.... Das ein so gewaltvoller Mensch Polizist werden konnte... "Was ist mit deinen Eltern?" fragte mich Hussein und zeigte auf den Brief. "Keine Ahnung.. das ist der erste Brief den ich bekommen habe seit ich weg bin.. Eigentlich das erste Mal überhaupt das sie mir schreiben.", sagte ich zu ihm. "Das ist wirklich hart was dir zugestoßen ist. Aber ich habe keine bösen Absichten. Es ist einfach nur schön sich mit dir zu unterhalten und zu wissen, das du keine Hintergedanken hast. Jetzt kann ich deine Cousins und wieso sie so sind nachvollziehen..... Wenn einer Frau sowas angetan wird, dann vertraut man nicht mehr so schnell und es ist ihr gutes recht dich vor allem zu beschützen...", sagte er zu mir und drückte meine Hand. "Danke das du es mir erzählt hast", flüsterte er fast und malte mit seinem Daumen kleine Kreise auf meiner Hand.

"es war mir wichtig das du Kerem und Ayaz verstehst.. Sie sind eigentlich ganz nett... Sie sind nur besorgt", versuchte ich die Situation besser zu machen. "Warum glaubst du melden sich deine Eltern jetzt?", fragte mich Hussein. "Ich hab keine Ahnung.", antwortete ich ihm wahrheitsgemäß und nahm den Brief in die Hand. Ich öffnete ihn. Ein Brief von einem Anwalt und ein kleines Kärtchen.

Hallo Aleyna,

haben gehofft das du zur Besinnung kommst. Da nun ein Jahr vergangen ist, haben wir diese Maßnahme für notwendig gehalten. Komm zurück und alles ist vergessen.

las ich Hussein vor, was auf dem Kärtchen stand. "Sie haben mich enterbt. Wow. Das bewegt mich sicher dazu zu ihnen zurück zu kehren. Ich stehe auf eigenen Beinen. Ich brauch das sowieso nicht", sage ich schulterzuckend und warf beides in den Mülleimer neben meinem Bett.
"Es sind immerhin deine Eltern... Glaubst du nicht das sich jetzt alles ändern würde?", fragte er mich. "Meinem Vater war der Ruf der Familie wichtiger als mein Wohlergehen.. Es kann nie wieder gut sein.", sagte ich zu ihm und schüttelte meinen Kopf.

Ich hatte mich noch lange mit Hussein unterhalten, bis er schließlich zu seiner letzten Kontrolle ging und dann in sein Zimmer.
Ich überlegt noch lange an diesem Abend. Warum meine Eltern so waren, was mit Hussein ist und wie es weiter gehen sollte.

olympeaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt