Matt und ich kamen gut voran. Insgesamt würde unsere Reise fast zwei Wochen dauern. Wir hatten von Japan aus mit der Fähre den Nordpazifik überquert. Bisher hatte auch alles mit meinem neuen Pass bestens geklappt. Gerade fuhren wir durch North Dakota. Die Landschaft war wunderschön, doch mich interessierte nichts. Seit Japan hatte ich kaum mehr als das Nötigste mit Matt gesprochen. Er verstand mich und zwängte mir keine Gespräche auf. Wenn wir für die Nacht in irgendwelchen Motels eincheckten, konnte ich nicht schlafen. Immer wieder quälten mich Albträume von unserem Unfall in Japan und von Diego, wie er Han erschoss. Matt hatte mir ein neues Handy mit einer neuen Nummer besorgt. Immer noch war Han's Nummer in meinem Gedächtnis und mehr als einmal war ich kurz davor gewesen ihn anzurufen. In mir tobte ein Sturm der mich nicht zur Ruhe kommen ließ. Vielleicht würde es in New York besser werden. Ich hoffte es, denn der fehlende Schlaf und die Sorge um Han und meine Familie zermürbten mich immer mehr.
Eine Woche später kamen wir am frühen Morgen in New York City an. Ich war wieder in Amerika. Seit dem letzten Mal hatte ich mich verändert. Nichts war mehr so wie damals. Ich hatte die Liebe gefunden und musste sie wieder verlassen. Musste alle in meinem Umfeld verletzten, um sie zu retten...das Leben war nicht fair und vor allen Dingen kein Märchen. Matt und ich fuhren durch die Stadt, die mich direkt mit einem Trubel an Leuten begrüßte. Viele waren schon auf dem Weg zur Arbeit. Ja, es stimmte. New York schlief nie. „Wir fuhren Richtung Upper East Side. Matt besaß anscheinend Geld, denn vor einem modernen, luxuriösen Wohnhaus hielt er an. „So da sind wir. Du wirst erst einmal bei mir wohnen. Wir bringen eben dein Gepäck hoch, machen uns etwas frisch und dann gehen wir zum Friseur. Diego darf dich nicht wiederkennen. Anschließend melden wir dich in New York und tauschen das Foto auf deinem Pass aus." Ich nickte nur. Gemeinsam stiegen wir aus. Ein Page kam auf uns zu. „Mr. Andrews schön sie wieder zu sehen. Wie war ihre Geschäftsreise in Japan? Ich werde ihr Gepäck sofort hochbringen." „Sie war gut. Danke Samuel." Der Aufzug brachte uns in den 50ten Stock. Das Apartment war wunderschön eingerichtet. Alles war hell und modern. Sofort zog es mich zum Fenster. Ich konnte halb New York sehen und war überwältigt. Zum ersten Mal vergaß ich für ein paar Minuten das Geschehene. Matt stellte sich neben mich. „Atemberaubend nicht wahr?" „Ja, es ist wunderschön. Danke, dass du mir hilfst. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich gemacht hätte. Darf ich dich was fragen?" Matt drehte sein Gesicht zu mir herum und ich konnte in seine wunderschönen blauen Augen sehen. Er nickte. „Was hast du mit Suki zu tun? Wieso hast du sie Liebste genannt?" Matt schaute mich verwundert an. „Das hast du ernsthaft an dem Abend mitbekommen?" Ich nickte. „Naja, ich habe Suki in Miami kennen gelernt, mich in sie verliebt. Ich habe mein Geld als Börsenmakler gemacht und deshalb hier in New York einige wichtige Beziehungen aufgebaut, die dir sicherlich noch helfen werden. Suki und ich wurden ein Paar, beschlossen gemeinsam nach Japan zu gehen. Jedoch hielt ich mir immer noch die Option offen wieder nach Amerika zurückkehren zu können. Deshalb behielt ich auch die Wohnung und erzählte ich würde auf eine längere Geschäftsreise gehen. Es wurden zwei Jahre in Tokyo, wo ich ebenfalls im Bankengeschäft tätig war. Durch meine Beziehungen konnte ich dir schnell einen Pass besorgen und auch die Polizei wird nicht viele Nachforschungen über deinen Tod anstellen. Dafür habe ich gesorgt." Ich schaute ihn erstaunt an. Matt schien wirklich großen Einfluss zu haben. „Naja, zwischen Suki und mir hat es kurze Zeit später schon nicht mehr geklappt und wir beschlossen uns zu trennen, blieben jedoch gute Freunde. Ich würde alles für sie machen. Aber nun zeige ich dir dein Zimmer und das Bad." Ich folgte Matt. Am Ende des Flures lag das Gästezimmer. Es war ebenfalls mit hellen Möbeln und einem großen amerikanischen Bett ausgestattet. Das Bad war vollkommen in schwarz und weiß gehalten, hatte eine große Glasdusche sowie ein riesiges Waschbecken. Die ganze Wohnung war einfach atemberaubend. Ich ging wieder in mein Zimmer, nahm die Tasche die der Portier mittlerweile gebracht hatte und zog ein paar Utensilien heraus die ich mit ins Bad nahm.
Ich legte die Sachen ab, schaute in den Spiegel vor mir. Er zeigte mir eine junge Frau, die noch ihr ganzes Leben vor sich hatte, doch der Glanz aus meinen Augen war verschwunden. Ich beschloss erst einmal duschen zu gehen. Das warme Wasser erweckte wieder die Lebensgeister in mir. Han's Ring hatte ich seit dem Abend an dem er ihn mir gegeben hatte nicht abgelegt. Ich war noch nicht bereit dazu. Mir stiegen wieder die Tränen in die Augen, doch ich wollte sie nicht zulassen. Schnell zog ich mir meine dunkle Jeans, meine hellblaue Bluse und einen dunkelblauen Blazer an. Braune Pumps sowie Silberschmuck rundeten mein Outfit ab. „Bist du fertig Emilia?", hörte ich Matt rufen. Zum ersten Mal hatte er mich Emilia genannt. Ja, ich war nun Emilia Parker. Musste ein neues Leben beginnen, auch wenn es mir schwer fiel. Eine neue Stärke durchströmte meinen Körper. Ich war bereit. Bereit für den Kampf in ein neues Leben.
Matt brachte mich zum Friseur. Er selbst fuhr weiter zu den Ämtern um mich anzumelden. Später wollte Matt mich wieder abholen. Mit dem Friseur hatte er auch schon alles besprochen. Der Salon sah von außen sehr nobel aus. Ich winkte Matt zum Abschied und betrat den Laden. Sofort kam eine junge, braunhaarige Dame auf mich zu. Sie hatte ein freundliches Lächeln auf den Lippen und sagte: „Sie müssen Miss Parker sein. Ich werde sie schon einmal zu ihrem Platz bringen. Der Chef wird jeden Moment bei ihnen sein. Möchten sie etwas trinken?" Ich folgte ihr und sie wies auf einen der freien Plätze. „Ja, ich hätte gerne ein Wasser. Dankeschön". Der Laden war voll von Kundinnen. Überall wurde geschnitten, gefärbt, geföhnt und gequatscht. Kurze Zeit später kam ein Mann Mitte 50 auf mich zu. Er war nicht sonderlich groß, hatte jedoch wache braune Augen und ein freundliches Wesen. „Hallo Miss Parker. Ich bin Paul, der Inhaber dieses Salons. Matt meinte ich soll sie komplett verändern. Sind sie sicher? Sie haben so schöne lange blonde Locken" Während er das sagte, fuhr er wie zur Unterstützung durch meine Haare. „Ja, es muss sein. Ich brauche etwas Neues." „Ah ich verstehe schon, da ist wohl ein Mann im Spiel". Wie Recht er damit hatte, konnte Paul ja nicht ahnen. Ich setzte ein gequältes Lächeln auf. Paul ließ mir einen Umhang bringen und den Spiegel verhängen. Er meinte, so wäre es eine größere Überraschung. Innerhalb von einer Stunde wusste ich alles über die New Yorker Society. Paul war wirklich eine Wucht. Er schaffte es mich von meinen Sorgen abzulenken. Meine Haare wurden geschnitten und mein Ansatz wurde gefärbt. Ich hatte meine Augen die ganze Zeit geschlossen. Das Bild der fallenden Locken hätte ich nicht ertragen. Mein Kopf fühlte sich schon bald seltsam leicht an. Nachdem wir sie noch einmal geföhnt hatten, war der große Moment gekommen. Paul nahm den Vorhang vom Spiegel und was ich dann sah, verschlug mir die Sprache. Ich erkannte mich selbst nicht wieder. Meine Haare waren bis kurz über meine Schultern geschnitten und mein Ansatz war dunkel braun gefärbt worden. Einige Highlights durchzogen allerdings meine Strähnen. Ich sah erwachsener aus und vollkommen anders. Richtig über die neue Frisur freuen konnte ich mich noch nicht. Als ich gerade bezahlen wollte, meinte die Dame nur das Matt dies regeln würde. Dieser stand bereits draußen und wartete auf mich. Als er mich sah, schaute er mich ungläubig an. „Anders nicht wahr?" Er nickte. „Ja, aber eine Sache fehlt noch. Hier die habe ich noch für dich besorgt. Deine Augen würden dich sonst verraten." Er überreichte mir ein kleines Päckchen. Sein Inhalt entpuppte sich als grüne Kontaktlinsen. Wir fuhren zur Wohnung zurück und ich probierte die Kontaktlinsen aus. Beim ersten Einsetzten brannte es höllisch. Matt zeigte mir wie ich es machen musste, denn er selbst trug ebenfalls Kontaktlinsen. Nachdem ich es endlich geschafft hatte, schaute ich in den Spiegel. Matt stellte sich neben mich. „Willkommen in New York Miss Emilia Parker". Aus dem Spiegel schaute mich eine fremde Frau an. Eine Frau, deren Leben ich nun führen würde. Ja, von nun an war ich Emilia Parker.
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Tokyo, where the world turns into light 2
FanfictionSerena Toretto's Leben hätte nach Han's Rückkehr wie in einem Märchen verlaufen können, doch ein alter Bekannter zerstört ihren Traum vom Glück und lässt sie keinen Frieden finden. Kann sie den Schatten ihrer Vergangenheit entkommen oder werden die...