Kapitel 10 - Der Teufel lebt

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Caleb Harris

Caleb hatte Sehnsucht.
Und die Liste war so endlos lang, dass er sie kaum auswendig konnte. Doch trotzdessen schaffte er es irgendwie durch die Zeit und hielt den Kopf oben, statt nach unten gesenkt. Doch in diesem Moment war sein Blick auf den Boden gerichtet oder besser gesagt auf seine Hände, die er in seinem Schoß platziert hatte. Zwischen seinen Fingerkuppen streifte das raue Papier seine Haut, als er es in einem stetigen Wechsel umblätterte. Seine Augen laßen jede Zeile und nahmen deren Bedeutung mit einem tiefen Atemzug auf. Das Kerzenlicht im Hintergrund konnte seine Sicht nur verbessern. Das Polster an seinem Rücken wärmte ihn zwar, doch es verhinderte nicht, dass er einen Windstoß hinter sich wahrnahm. Noch bevor sich sein Gast ankündigte, wusste er sofort um wen es sich handelte. Sofort klappte er das Buch zu und starrte ruhig auf einen imaginären Punkt vor seiner Nase.
„Na jagt da jemand wieder einem Geist nach?", kam es flötend von dem Störenfried, der seinen Lesefluss unterbrach. Caleb ignorierte diese Anmerkung. Stattdessen lehnte er sich nach vorne um das Druck Erzeugnis auf dem gläsernen Bestelltisch zu legen. Demonstrativ platzierte er es mit der Titelseite nach unten, sodass er keine weiteren Fragen gezwungen war zu beantworten. Wer wusste schon, wer in dem Haus ihm noch hinterher schnüffelte. So erhaschte er einen letzten Blick auf die Überschrift 'Geschichte Schottlands'.
„Und hast du deinen Geliebten schon gefunden?" , wurde ihm provokant entgegen geworfen. Sein ungebetener Besucher schlich sich an seine Gestalt. Wie eine Schlange schlang er die Arme um ihn und stützte sein Kinn auf der Schulter Calebs ab. Daraufhin hielt er ihm ein Glas vors Gesicht, was der Sitzende auch annahm.
„Er ist.. war nicht mein Geliebter", murmelte Caleb und ein bitterer Schmerz durchfuhr ihn als er sich selbst korrigieren musste. Der Andere löste anschließend die flüchtige Umarmung und stellte sich direkt vor ihn. Die Bewegung ermöglichte es seinem Gegenüber ihn unter die Lupe zu nehmen. Die strahlend, blonden Haare Leos waren sein Markenzeichen. Sie standen im perfekten Kontrast zu seinem pechschwarzen Anzug mit goldener Verzierung. Die giftgrünen Augen, die unter seinem attraktiven, weichen Gesicht hervor blitzten ließen ihn jedoch verraten. Er war ein Engel von Gott auf die Höllenerde verbannt. Er ergötzte sich stets daran wie Caleb ihn stumm musterte, denn ihm war wohl bewusst, dass er umwerfend aussah. Und so auch dieses Mal.

„Ich dachte ich bringe meinem Bruder ein kleines Präsent von unten mit", zwinkerte Leo und der Andere war es leid diverse Geschenke ablehnen zu müssen. Er wusste nämlich genau was der Blonde für ihn geplant hatte. Aber daran würde niemals interessiert sein.
„Anna, Liebes, du kannst rein kommen", rief er und eine halbnackte Dame betrat das ohnehin schon zu kleine Zimmer. Sie lächelte zuckersüß und presste sich direkt an Leo, welcher ihren entblößten Busen beinah ansabberte. Er studierte sie mit einem lasziven Blick, doch Caleb war bewusst, dass er sich gerade eher vorstellte wie er ihr am besten die Kehle zerreißen konnte statt seine anderweitigen Triebe zu befriedigen. Doch das wusste die Hure ja nicht. Sie präsentierte sich ihm wie auf einem Teller. Caleb machte sich nicht mal die Mühe sich von seinem Sessel zu erheben. Er nippte an seinem Whisky. Wenigstens war Leo das noch nicht aus dem Hirn gevögelt worden, dass dies ihm das liebste Trinken war.
„Was meinst du, Bruder? Wollen wir beide ein bisschen Spaß haben?"
Die Frau kicherte und Leo strich ihre Haare bei Seite, sodass ihr Nacken frei lag und er mit dem Handrücken über ihre Halsschlagader fuhr.

„Kein Interesse", murrte der Angesprochene. Es war nur die Wahrheit. Er hatte kein Interesse an der Frau, noch daran seinen Hunger an ihr zu stillen. Dafür besaß er seine eigenen Methoden. „Anna, wie wäre es wenn du nebenan auf mich wartest, ich habe noch etwas mit meinem Bruder zu klären", umschmeichelte Leo sie und gab ihr zum Abschluss noch einen Klapps auf den Hintern, was ihr abermals ein Kichern entlockte und sie galant verschwand. Kaum dass sie aus dem Raum getreten war blickte der Blonde ernst zu Caleb hinab. Diesem war nicht entgangen wie er aussah. Seine Augenringe waren tiefer als sonst. Seine Kleidung war unordentlich. Er brauchte zudem mal wieder ein Bad. Seine braunen Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab, so oft wie er sich durch die Frisur in der letzten Stunde gefahren war.
„Verdammt warum lässt du dich so gehen? Du warst ja schon von Anfang an ein Miesepeter, aber in letzter Zeit ist das ziemlich schlimm" , er verschränkte die Arme und beobachtete ihn tadelnd. Ob sich Leo tatsächlich Sorgen machte oder nur jemanden brauchte, der ihn bestätigte war unklar. Caleb hatte sowieso aufgegeben den Anderen zu verstehen. Denn für diesen war die Welt eine einzige Fahrt in Gefühle voll mit Adrenalin, Freude und Lust. Selbst dessen Gedanken drehten sich ausschließlich darum. Aber damit hatte der Braunhaarige nichts zu tun. Er war das komplette Gegenteil von ihm. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb Leo so anziehend auf ihn wirkte.

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