Kapitel 15 - Die Maske fällt

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Blake Baxter

Der Griff um ihren Oberarm war unerbittlich, skrupellos und ließ ihr keine Chance sich daraus zu winden. Wie ein nasser Sack zog der Mann, den sie bis ins Mark vergötterte, hinter sich her. So viele Dinge prasselten in diesem Moment auf sie ein und sie wollte bereits ihren Mund öffnen, um den Anderen inne halten zu lassen, aber daraus wurde nichts. Sie verfiel in ein tiefes, zitterndes Schweigen, als Ben sie forsch mit einem „Sei still", verstummen ließ. Die mittlerweile altbekannte Dunkelheit umhüllte die beiden Gestalten, wie sie die Straßen Londons hastig entlang schlenderten. Blakes Kehle war zugeschnürt, sie traute sich nicht einen Mucks von sich zu geben. Sie fragte sich, ob sie überhaupt noch normal mit ihm reden könne, nach all den vergangenen Ereignissen. Er wirkte derartig verändert, so wie er starr voraus ging und sie keines Blickes würdigte. Sein Gang und sogar seine Stimme war ihr in diesem Moment fremd. Sie fühlte sich, als wäre sie in einem einzigen Albtraum gefangen. Die einzige Person, der sie blind vertraute machte den Anschein von bösen Geistern befallen zu sein. Sie erkannte nichts von seiner Wärme in seinem Gesichtsausdruck, wenn er sie normalerweise anblickte. Nein, alles was dort lag, war eine eisige unberechenbare Kälte. Sie wollte es nicht zugeben, aber es jagte ihr einen Schrecken ein. Sie verstand ihre Situation nicht. Dennoch musste es dafür eine Antwort geben. Es war unmöglich, dass Ben sich so aufführte, ohne einen wirklichen Grund. Er würde schließlich niemals tatsächlich das Wohl von Kindern in Gefahr bringen. Es musste also etwas dahinter stecken. Zumindest war sich Blake dessen sicher.

Das vorherige Gespräch mit den anderen Vampiren hatte zudem bewirkt, dass sich verräterische Zweifel in ihrem Magen ausbreiteten. Aber diese ignorierte sie. Immerhin handelte es sich hierbei um ihren Verlobten. Ihr baldiger Mann mit dem sie eine Familie gründen wollte und gemeinsam alt werden wollte. Jedoch lagen diese Träume nun in der Vergangenheit. Sie musste innerhalb weniger Minuten fassungslos erfahren, dass auch wenn sie jene schreckliche Verwandlung nicht durchgemacht hätte, sie niemals hätte mit ihm in ein gewisses Alter kommen können. Geschweige denn eigene Kinder zeugen. Wie hatte sie es nicht merken können? War sie dermaßen geblendet gewesen? War sie so dumm und naiv gewesen? Oder hatte Ben einfach auf den passenden Moment gewartet ihr davon zu erzählen? Was konnte sie denn eigentlich noch glauben?

Ihr gesamter Kopf drehte sich. Nebenbei bemerkte sie wie die Beiden schleichend im Mantel der Schatten, Whitechapel verließen und aufbrachen in das, auch bei Nacht, atemberaubende Mayfair. Bevor sie Ben kannte hatte sie davon nie geträumt auch nur einen Fuß in ein solches gehobenes Viertel zu setzen, es sei denn ein Klient wohnte dort. Doch derartig hoch angesehene Kunden waren selbst bei Blake selten gewesen. Umso mehr kam es ihr immer wieder wie ein Traum vor, wenn sie in Richtung des Bezirks aufbrach. Auch wenn sie keinesfalls Wert darauf legte, wo ihr Verlobter wohnte oder was er verdiente, hatte sie sich trotzdem bereits ausgemalt wie wundervoll es sein würde auf der Veranda, eines der noblen Häuser mit ihrem Kind in den Armen auf ihren Liebsten sehnsüchtig zu warten. Ein Aussenstehender würde vermutlich denken, dass Blake nicht wirkte wie der normale und gesunde Typ Frau, der den Haushalt schmiss und die Kids aufzog. Nein, eigentlich passte sie überhaupt nicht in das vorgegebene Bild der Gesellschaft. Sie war unabhängig und ihre kundzutun Meinung, dafür war sie sich nicht zu schön. Sie hatte nie vor einer Herausforderung zurück geschreckt und sagen ließ sie sich von Anderen schon lange nichts mehr. Aber dann war etwas passiert. Sie hatte Benedict Cavendish kennengelernt und dieser einzige Mann hatte es geschafft, dass sie ihre rebellische Ader ruhen lassen konnte. Er hatte sie tatsächlich voll und ganz eingenommen. Sie wäre für alles bereit gewesen und nach einer Weile stellte sie sich zudem zum ersten Mal die Frage, ob sie eine gute Mutter werden würde. Vorher wäre dieses Thema nie zur Sprache gekommen, wie denn auch, wenn ihre Gedanken sich einschließlich um ihre Arbeit drehten. Doch nun war dort Ben, der ihr eine Möglichkeit bot eine richtige Familie mit ihr zu gründen. Zumindest hatte sie dies geglaubt, denn jetzt schien all das unter ihr zusammen zu brechen.

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