Kapitel 9 - Alte Freunde

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Ezekiel Clearwater

Nachdem der Pater eine äußerst forsche Nachricht erhalten hatte, zögerte er nicht und verließ sein Heim ohne nocheinmal zurück zu schauen. Ob sein vorheriges, stilles Gebet ihm dabei helfen würde sich vor dem zu bewahren, was ihm bevor stand, konnte er noch nicht sagen. Eigentlich hatte er nicht vor gehabt an diesem Tag nochmal das Haus zu verlassen. Viel lieber wäre es ihm gewesen, wenn er einen Überblick auf die ganze Situation daheim gehabt hätte. Er konnte sich instinktiv in die Lage des Neuankömmlings versetzen, immerhin waren sie alle mal an diesem Punkt gewesen. Es bereitete ihm Sorgen, wenn er daran dachte mit wie vielen Dingen sich die Neugeborene konfrontieren müsste. Er musste zugeben, es hatte ihn ein wenig positiv überrascht, als er mitbekam, wie ausgerechnet Bradley sich auserkoren zu fühlen schien Blake an die Hand zu nehmen. Doch es stimmte ihn freudig, immerhin wusste Ezekiel nur zu gut wie es einem selbst helfen konnte, wenn man einen Zweiten an die Hand nahm. Schon seit sein Verstand begann sich zu entwickeln, sah er in einer bedingungslosen Nächstenliebe seinen Frieden. Es half ihm seine steinalten, beinah verblassten Wunden in der Vergangenheit ruhen zu lassen. Es half ihm im Hier und Jetzt zu leben. Es stimmte tatsächlich, auch er war der Zeichnung seiner vorherigen Zeit nicht entkommen. Auch ihn plagten Dinge, die niemand aussprach, was viel eher an dem Fakt lag, dass niemand davon wusste. Einzig und allein Richard Clearwater kannte einen winzigen Teil seiner Narben. Bei dem Gedanken an seine Schöpfung musste der Pater lächeln. Richard war ihm schon immer ein Seelenverwandter gewesen. Sie verstanden sich auf einer Ebene, die er mit niemandem sonst teilte. Und dies hatte rein gar nichts mit ihrer Bindung zu tun, wie manche denken würden. Nein, das Band zwischen den Männern bestand schon lange davor. Das erste Mal war er dem Nordmann begegnet, als man ihn als Geisel in Gewahrsam nahm. Zu diesem Zeitpunkt herrschten überall Unruhen. Das damalige englische Reich stand einem Krieg kurz bevor. Großbritannien war noch nicht so gewesen, wie man es sich heute vorstellte, wenn man dessen Name hörte. Es herrschten angelsächsische Königreiche, unteranderem zum Beispiel Nordhumbrien, Merzien oder Wessex. Ezekiel lebte mit anderen Mönchen in einem Kloster abseits der Großstädte. Man hatte ihn damals zu dem derzeitigen König Egbert geschickt, welcher Wessex und andere Teile südlich der Themse regierte. Er sollte diesem geistlichen Beistand leisten. Doch auf seinem Ritt musste er mitansehen wie ein Dorf in seiner Nähe von Wilden ausgeraubt wurde. Er wollte zur Hilfe eilen, doch es war ihm unmöglich sein wahres Wesen preiszugeben. Also tat er das Einzige, was ihm in jenem Augenblick einfiel. Er bat die Nordmänner um Gnade. Er willigte ein für die wenigen Bewohner als Geisel mitzukommen, sodass die Menschen in Ruhe weiter leben konnten. Als er angab er wollte sowieso zum König, fügte er hinzu, dass es für jedes Problem eine Lösung gab und sie um ihr Land handeln konnten.

Genau dies hatte zur Folge, dass ein ganz bestimmter Wikinger auf ihn aufmerksam wurde. Ein Mann namens Haldor Fjellson, wie Ezekiel später erfuhr, war mit Vollbart und einem geflochtenen Zopf aus der Menge seiner Krieger getreten. In seiner Rechten baumelte lässig eine breite Axt. Seine Augen waren auf den Lidern schwarz bestrichen und aus seinem Blick sprach die pure Leidenschaft fürs Kämpfen. Er hatte den Mönch mit gehobener Augenbraue unter die Lupe genommen. Still ließ jener es über sich ergehen und betete zu Gott, er wäre nicht gezwungen seine innere Bestie an den Tag zu legen. Im Anschluss sprach der Fremde etwas in seiner Sprache zu seinen Kameraden, weshalb diese laut auflachten. Wie man ihm ebenfalls im Anschluss erzählte, hatte Haldor ihn ein Bleichgesicht genannt. Wie ein Stück Vieh zog man ihn über das Reittier des Anführers und er wehrte sich nicht. Eigentlich hatte er vor sich selbst zu befreien, sobald sie das Dorf eine Weile verlassen hatten, doch Ezekiel fürchtete sie würden aus Rache zurückkehren. Ihre lange Reise begann. Denn es war ein weiter Weg von beinah einer Woche, den sie gemeinsam einschlugen. Er bekam dadurch einen Einblick in das Leben der Nordlinge. Was ihn jedoch wunderte war, dass einige sogar seine Sprache tatsächlich zu beherrschen schienen. Einer davon war Haldor. Er hatte es sich als persönliche Aufgabe gemacht über ihn zu wachen. Er forderte ihn sogar aus Spaß zu einem Duell heraus. Wahrscheinlich wollte er nur sehen wie ungeschickt ein Mönch mit einem Schwert umgehen würde, doch Ezekiel war nicht irgendein Geistlicher. Er war die Saat einer der mächtigsten Kreaturen, welche bereits seit Anbeginn auf der Erde ihr Unwesen trieben. Er war ein Vampir. Doch das wussten nur eine halbe Handvoll Leute und so sollte es seiner Meinung auch bleiben. Allerdings sah er sich damit konfrontiert von seinen Kräften Gebrauch zu machen, als Haldor den ersten Schritt auf ihn zu machte. Am Ende besiegte er ihn in einen Kampf und Ezekiel vermutete bereits man würde ihm noch mehr Hass und Abscheu entgegen bringen, doch er musste sich irren. Die Nordmänner behandelten ihn mit Respekt, genau wie deren Anführer, mit dem er immer öfters in ein Gespräch verwickelt war. Sie tauschten sich über ihre Erfahrungen aus. Der Pater war fasziniert von ihren Bräuchen und im Gegenzug interessierte sich Haldor für Gottes Glauben. Sie fanden zueinander wie zwei verlorene Brüder, sodass Ezekiel keine andere Wahl blieb, als der Krieg ausbrach und sie auf verschiedenen Seiten standen. Haldor wurde tödlich verletzt und der Mönch hatte ihn in seinen Armen fest umschlungen. Das Blut sickerte ihm aus allen Poren, Schreie der Schlacht waren um sie herum wahrzunehmen. Der Kampf verwandelte sich mit jedem Schwerthieb in ein Trümmerfeld. Der Nordmann sprach zu seinem Freund in seiner Muttersprache, was so viel bedeutete wie, wir werden uns in Valhalla wieder sehen. Aber Ezekiel war viel zu aufgewühlt von dem Geschehen und rüttelte an dem Anderen, er verlangte lautstark zu wissen, ob der Wikinger leben wollte.

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