Marienkäfer

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Mein Handy klingelt. Hektisch suche ich es unter dem Meer von DIN-A5 Blättern hervor. Ich gehe ran. Lege mein Handy beiseite. „Hey du. Du sag mal, was würdest du davon halten, wenn dir im Wald bei einem Spaziergang am See ein Antrag gemacht würde?“ „Wenn es nicht regnet. Obwohl, selbst dann denke ich. Wenn die Stimmung nicht im Keller ist. Wenn es schneit ist es natürlich sehr märchenhaft, aber dann solltest du gucken, das auch die Sonne scheint.“ „Okay. Das dürfte ja momentan kein Hindernis sein. Außer vielleicht das man nicht aus dem Haus kommt.“ „Das stimmt nicht! Leg dich auf den Schnee und robbe darüber.“ Ich höre ihn lachen. „Das war mein Ernst. Jan und Tore haben es letzte Nacht auch gemacht.“ „Mussten sie raus?“ „Ja. Sie mussten die Dächer von den Läden freischippen.“ „Ach so. Und woher weißt du das?“ Ich habe sein amüsiertes Grinsen vor Augen. Ich drucke das erste Blatt mit den ersten Seiten aus. Hole es mir. „Ich habe sie vorhin getroffen, als sie wieder zurückgekommen sind.“ „Ach so.“ Ich begutachte es. Es sieht gar nicht mal so schlecht aus. Wesentlich besser auf jeden Fall, als das Original von mir. „Du hörst dich so weit weg an…“ Ich nehme den Bedruckten Zettel mit an den Schreibtisch und lege ihn auf diesen, ich setze mich wieder. „Ich war beim Drucker und habe dich auf dem Schreibtisch liegen lassen.“ „Na toll!“ Er kichert. „Ja. Ich bin dabei für Maxi das Buch neu zu machen.“ „Das mit dem Marienkäfer?“ „Jup.“ „Dann mach mir auch eins.“ „Du?“ „Ja. Ich bin ein kleiner Fan“, murmelt er. „Das mach ich.“ „Für Laura kannst du…“ „Fabi, stopp. Ich speichere es auf meinem Laptop! Da kann ich ihr später immer noch eins drucken.“ Er seufzt. Ich stehe auf, gehe zum Drucker und lege stabileres Papier ein. „Was sagst du zu dem Antrag?“ Ich drehe mich um. „Ach du sch…!“ „So schlecht?“ Fabi hört sich traurig an. „Nein. Das hört sich super an!“ Serafina ihr Lächeln weicht einem verwirrtem Ausdruck. „Mach den Antrag genau so! Seid du und Daniel schon mit der Rede fertig?“ „Nein. Aber er meint, spätestens Morgen.“ „Super. Dann kannst du sie ja bald fragen.“ Ich kichere. „Du sag mal, was wollte die Anwältin von dir?“ „Sich nach meinem Wohlbefinden erkundigen. Du, ich muss auflegen. Wir hören uns die Tage?“ „Na sicher. Hab dich lieb.“ „Ich dich auch.“ Ich lege auf. „Antrag?“, höre ich die freundliche Stimme von meinem Gast. „Mein Kollege möchte seiner Freundin einen Antrag machen. Er stellt sich nur etwas unbeholfen an.“ Sie nickt. „Ich finde dein Buch gut. Es ist simpel erklärt, sodass Kinder es ganz leicht verstehen können.“ Dankend nicke ich. Ich drücke auf das Druck-Sympol. Der Drucker beginnt zu rattern.

„Könntest du das Blatt einmal drehen?“ Ich schaue Serafina an. Sie nickt. Ich drücke erneut auf das Symbol. Wieder rattert der Drucker. Serafina reicht mir den fertig gedruckten Zettel. „Danke.“
Lächelnd räume ich meinen Schreibtisch frei und lege meinen Papierschneider darauf. Ich schneide das bedruckte Papier. Danach lege ich ein Fotopapier in den Drucker, um darauf das Cover und den Rücken rauf sprühen zu lassen. Alles fertig geschnitten, gefalten und zusammengelegt, tackere ich alles zusammen. Stolz begutachte ich mein Werk. Es hat die Größe eines Pixi-Buches. Mein Handy klingelt wieder. Erneut drücke ich auf den Lautsprecher. „Na mein Schatz.“ „Mama. Womit habe ich deinen Anruf denn verdient?“ „Ich muss leider unsere Verabredung Silvester känzeln.“ „Was? Warum?“ „Wir sind total eingeschneit!“ Genervt stöhne ich auf. „Wir hier auch.“ „Ist das Nicki?“, höre ich meine kleine Schwester. „Sei mal kurz… Hey!“ Ich höre Maxi kichern, sie läuft. „Hallo Nicki“, erklingt ihre liebliche Stimme. „Na, meine kleine Zuckerschnecke. Wie geht es dir?“ „Haha, super. Ich war heute im Schnee und habe mir ein Labyrinth gebaut. Von oben sieht man das nicht.“ „Ich hoffe, Mama musste dich nicht suchen kommen.“ „Eigentlich nicht. Ich musste sie suchen!“ Ich lache. Auch Serafina lacht. „Hast du Besuch?“ „Ja.“ „Ach so.“ „Hey, ich habe dein Buch fertig.“ „Ehrlich?“ „Ja.“ Sie jubelt. „Da bist du ja! Du kleine Eidechse!“ Unsere Mutter ist zu hören. „Man Mama!“ „Nichts da!“ „Sei mal ein bisschen netter zu mir! Nicki hat Besuch.“ „Dann gib mir das Telefon! Sonst setze ich dich in dein Labyrinth!“ Maximilia stöhnt. „So, da bin ich wieder. Du hast Besuch?“ „Ja.“ „Ist das mein Fabi?“ Ich kichere. „Nein, Mama. Eine Bekannte aus dem Zug.“ „Ein Hallo an die Bekannte aus dem Zug.“ Serafina lächelt amüsiert. „Ein Hallo zurück an die Mama.“ „Oh, sie hört sich nett an.“ „Danke. Sie aber auch.“ Meine Mutter kichert. „Okay, na gut. Dann will ich nicht weiter stören. Wir hören uns die Tage.“ „Hab dich lieb, Mama.“ „Ich dich auch, mein Schatz.“ Dann hat sie auch schon aufgelegt. „Wie alt ist deine Schwester?“ Ich räume die Blätter auf, lege meinen Laptop auf das Tastaturenbrett und schiebe es unter die Platte des Schreibtisches. „Zehn.“ „Das sind achtzehn Jahre Unterschied!“ „Das stimmt. Meine Mutter hat mich damals sehr früh bekommen.“ „Wie alt war sie?“ Ich drehe mich zu Serafina, schaue von ihr zur Uhr. Es ist bereits kurz nach drei am Nachmittag. Ich setze mich auf mein Sofa. Serafina nimmt neben mir platz. „Sie war sechzehn. Sie hatte früher die falschen Freunde und ist in die verkehrten Kreise geraten.“ Wissend nickt sie. „Drogen, Alkohol oder Prostitution?“ Ihre Stimme klingt warm, aufrichtig. Interessiert. Ich wende meinen Kopf in ihre Richtung. Sie sitzt seitlich auf dem Sofa, ihren rechten Arm auf der Lehne abgestützt und darauf ihr Kopf. Ihre Augen hängen an meinem Körper. „Alles drei. Am Anfang, so wie sie mir erzählt hatte, war sie die… naja, die Schulmatratze. Dann ging sie mit den sogenannten Freunden abends in die Stadt. Danach kamen dann Alkohol und Drogen dazu. Als sie gemerkt hat, dass sie mit mir schwanger war, hat sie sofort versucht, ihr leben umzukrempeln. Geholfen haben ihr meine Großeltern und ihr Sandkastenfreund. Der jetzt mein Adoptiefvater und der Vater von Maxi ist“, beende ich meine Rede. „Ding-Dang-Dudel!“ Ich schaue sie entsetzt an. „Was?“ Serafina lacht verlegen. „Das sage ich immer, wenn mir die Worte fehlen. Kam wahrscheinlich falsch rüber. Entschuldige.“ Ich lächle sie schief an. „Richtig peinlich wird das, wenn man im Gericht ist und mir es da aus dem Gesicht fällt!“ Ich habe gerade Bilder im Kopf. Ich lache. „Genau!“ Sie stimmt mit ein.

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