Kapitel 4

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Es wollte einfach nicht mehr aufhören zu regnen. Der Himmel war grau und der Horizont nebelig. Das Mädchen schaute ein letztes Mal aus dem Fenster ihres Zimmers und fixierte die Wiese hinter dem Haus.

„Können wir einen Blumenstrauß für Mama machen?", mit einem begeisterten Gesichtsausdruck rannte Viola in die Arme ihres Vaters. Langsam fuhr er mit den Händen durch ihr dunkles Haar und grinste: „Natürlich. Aber mach' dich nicht allzu schmutzig, ja?". „Mach ich nicht, versprochen.", zufrieden stolzierte die Kleine an die Stelle im Garten, an der lauter kleiner Blumen wuchsen. Mit einem Ruck ließ sie sich mit beiden Händen auf der Wiese nieder und begann vereinzelnd Blumen zu pflücken: „Die sind wunderschön.". „Nicht nur die Blumen sind wunderschön.", erneut grinste er.

Die warmen Sonnenstrahlen und der herrliche Duft von Margeriten verblassten, während die Realität wie ein Stich im Herzen einschlug. Noch immer sah Viola auf die Stelle hinab, auf der sie unzählige Blumen gepflückt hatte.

„Können wir los?", fragte Tina. Viola schloss ihre Augen und atmete tief durch: „Ja.".

*

Das Mädchen schaute ziellos aus dem Autofenster, unwissend woran es denken sollte. „Es sind nur fünf Minuten mit dem Auto, damit du Bescheid weißt.", die Dame nahm ihren Blick von der Straße und schaute die Braunhaarige an. Diese nickte stumm und lehnte ihren Kopf gegen den Sitz. Und noch immer regnete es.

„Mama, sieh her! Schau dir mal diesen Blumenstrauß an!", Viola hielt ihr einen Strauß aus Margeriten und Löwenzahn hin. Mit einem lächeln nahm ihre Mutter diesen aus den Händen der Braunhaarigen: „Dieser Strauß ist dir gut gelungen, meine Süße. Sollen wir eine Vase holen? Wir wollen ja nicht, dass sie morgen nicht mehr so schön aussehen.". „Haben wir eine Pinke?", fragte das Mädchen, während es seine zärtlichen Hände in die ihrer Mutter legte. Sie nickte und lief mit der Kleinen ins Haus.

„Viola?", mit einem gewaltigen Ruck zog Tina sie zurück in die Realität. Verwundert, dass das Auto bereits zum stehen gekommen war, schaute sie in die Augen der Dame: „Sind wir schon da?". „Fünf Minuten gehen nun mal schnell um. Komm mit, ich zeig dir das Haus.", sagte die Dame und entnahm ihr Gepäck aus dem Kofferraum.

Das Haus war grau gestrichen und hatte einen Wunderschönen Vorgarten. Lauter Veilchen ragten aus dem Gras heraus, während der Gehweg aus weißen Steinen gelegt wurde. Die Haustür schien aus massivem Fichtenholz zu sein, genau sowie die Fensterrahmen. „Ein wirklich schönes Haus.", kommentierte Viola. Die Dame lächelte: „Dankeschön, warte ab bis du es von drinnen gesehen hast.".

So betraten beide das Haus und tatsächlich hatte sie recht, die Inneneinrichtung war fabelhaft. Es schien, als wären alle Räume im Haus entweder weiß, besch oder grau.

„Nun, zu deiner Rechten findest du die Küche und das Esszimmer. Links von dir ist das Badezimmer und gerade aus ist die Treppe, die zur ersten Etage führt. Dort wird dein Zimmer sein, außerdem noch ein zweites Bad und das Zimmer meines Sohnes. Mein Schlafzimmer ist hier unten, direkt neben dem Badezimmer.", so zeigte ihr die Dame alle Räume. Die Einrichtung versetzte die Braunhaarige ins Staunen. Jeder Raum war mit einem zur Wandfarbe passenden Teppich und ausgelegt. Die Gardienen aus Seide passten sich mit einem schlichten weiß den Räumen an. Zusammen mit der älteren Dame betrat das Mädchen die erste Etage: „Ach und hier ist das Gästezimmer. In diesem Fall, dein Zimmer solange du es benötigst.". Das Lächeln der Dame war ehrlich und herzhaft. Auf einmal schaute die Situation nicht mehr so Finster aus, wie sie tatsächlich für das Mädchen war.

Das Gästezimmer war ebenfalls grau gestrichen und mit allen nötigen Möbeln bestückt. „Ich schätze wirklich, was Sie für mich auf sich nehmen. Das Zimmer ist wunderschön, danke.", sagte Viola. Sanft legte die Frau eine Hand auf die Schulter des Mädchens: „Bitte duz mich doch, ich mache das gerne. Du solltest erst einmal in Ruhe ankommen. Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst, richte das Zimmer nach deinen Wünschen ein. Und wenn du etwas brauchst, lass es mich wissen". „Danke, dass werde ich.", so legte das Mädchen seinen Koffer auf den Boden und riss die Reißverschlüsse auf. Das erste was sie sah, war ein älteres Familien Foto. Langsam strich sie mit ihren zarten Fingerkuppeln darüber.

Man weiß nie, wie viel Zeit einen mit den Menschen bleibt, die man am meisten liebt. Sie hinterlassen eine unglaubliche Leere und bereiten dir Zeitgleich unaushaltbare schmerzen. Doch aus welchem Grund auch immer hatte das Mädchen nicht das Gefühl, dass es vorbei war.

Es hat gerade erst begonnen.



~Lost~

LostWo Geschichten leben. Entdecke jetzt