"Wach auf Lissy, wach auf, bitte!", hörte ich irgendwo neben mir jemanden flehend sagen, ich erwachte schweißgebadet aus meinem Traum.
Es war Hanna, meine beste Freundin die mich aufgeweckt hatte. Sie sah mich voller Furcht an und sagte: " Schon wieder so ein Traum? Man, wenn das nicht bald aufhört, dann sag ich es Frau Witt, ich sags dir!"
"Nein!", sagte ich aufgebracht, als ich mich wieder gefasst hatte, "es ist meine Sache, hör auf dich einzumischen!"
Frau Witt war die Betreuerin dieses Ferienlagers, in das ich und Hanna für zwei Wochen der Sommerferien geschickt wurden. Und wenn sie erfahren würde, dass ich jede Nacht Träume hatte, in denen Menschen furchtbar um Hilfe schreiten und weinten und sich währenddessen blutige Wunden in meine Haut schnitten, würde sie denken ich sei verrückt, meine Eltern und einen Psychologen holen und weiteres wollte ich mir garnicht erst ausmalen.Ich zog mich um, marschierte aus unserem Zimmer (das "Warte!" von Hanna ignorierend) den Flur an den Türen der anderen Mädchenzimmer entlang und bog rechts am Ende des Flures ins Bad. Ging im Laufschritt zum Waschbecken und warf mir kaltes Wasser ins Gesicht.
Hanna kam ins Bad gerannt, warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu und verschwand in einer der Toilettenkabinen. Ich schaute zum Spiegel auf, eine hässliche . blutende Narbe zog sich rechts über mein Auge die Stirn entlang. Ich fuhr mit meinem nassen Finger darüber und fragte mich, wie sie nur entstehen konnte. Ich nahm mir etwas Klopapier, drückte es auf die Narbe und verließ wortlos das Bad. Ging zurück ins Zimmer und setzte mich wütend über die Träume auf mein Bett.
Ich schaute aus dem Fenster, es war ein wunderschöner Sommertag und ich freute mich schon darauf, etwas zu unternehmen. Es war einfach die beste Ablenkung von meinen nächtlichen Horrorträumen.
Es war bereits die zweite Woche in diesem Lager und ich hatte mich nur mit einem Mädchen aus dem Zimmer gegenüber von unserem angefreundet. Coco, ein dünnes Mädchen mit lockigen orangenen Haaren die sich genau wie ich, sehr für Pferde interessierte. Und somit war unser tägliches Gesprächsthema unsere beiden Araber. Mein Fliegenschimmel Maximo, ein Wallach der sich in mein Herz gekämpft hatte und ihre schwarze Stute Princess. Es war schon ziemlich cool mit ihr zu reden, doch inzwischen hatte ich mir eingestanden, dass irgendwas an Coco anders war.
In ihrer Nähe fühlte ich etwas Seltsames, als wären wir Seelenverwandte oder wie, wenn ich bei meiner Mutter sein würde. Doch ich wusste nicht wieso. Und warum das bei meiner allerbesten Freundin Hanna noch nie so war.Auf einmal stürmte Hanna hektisch atmend in den Raum und riss mich aus meinen Gedanken. "Lissy, dass musst du dir ansehen, sofort!" Ich nahm sofort das Toilettenpapier von meiner Stirn, was ich die ganze Zeit auf meine Narbe gedrückt hatte, warf es aufs Bett und rannte Hanna hinterher, die in Richtung Bad zu stürmen schien.
"Da!", schrie sie hektisch und zeigte in die vorletzte Toilettenkabine. Ich ging vorsichtig hin, schaute hinein und was ich dort sah, verblüffte mich.
Das Wasser in der Toilette schimmerte in greller türkiser Farbe und drehte sich unaufhörlich im Kreis. "Was ist das?", fragte ich Hanna welche nur die Schultern zuckte und mit dem Kopf schüttelte. Ich betrachtete die schimmernde Flut und konnte es mir absoulut nicht ergründen, wie sowas zu Stande kommen konnte.
"Wie hast du das entdeckt?", fragte ich an Hanna gewandt, welche nervös an ihrem Fingernägeln kaute. "Ähm", sagte sie und hörte auf damit, "ich hatte beim Händewaschen im Spiegel gesehen, dass die Tür zu war. Ich sah das sie nicht verschlossen war und klopfte, doch niemand antwortete..dann habe ich das gesehen!" Nervös blickte sie zur Toilette und schien von einen auf den anderen Moment ihre Meinung geändert zu haben: "Lass uns gehen Lissy, komm! Ich warf einen Blick auf die Toilette, dann sagte ich: "Nagut, aber lass mich abschließen. Ich will das im Auge behalten."
Hanna ging einen Schritt zurück, ich schloss die Tür von innen zu, kriechte unter der Kabinentür wieder zurück und verließ mit Hanna das Bad.