Ich wachte langsam auf und sah mich um. Frau Wendling lag hilflos am Boden, es war kein schöner Anblick. Nick saß an meinen Füßen und schaute auf den Glastisch vor der Couch, er trank die heiße Schokolade, die Frau Wendling gemacht hatte.
Ich machte einen Atemzug und war dann wieder vollkommen wach und konnte meine Augen ganz öffnen."Lissy", sagte Coco und setzte sich zu mir, sie umarmte mich und reichte mir eine Tasse heißen Kakao. Ich setzte mich hin und trank.
Nick kam nun ein großes Stück näher und setzte sich wieder, er lächelte froh in seine Tasse hinein. Ich wusste, dass er nichts zu mir sagte, und mich nicht ansah, weil ich ihm gesagt hatte, er soll mir aus dem Weg gehen, doch ich bereute das gesagt zu haben.
Wir hatten jetzt keine Zeit mehr und so gingen wir schleichend in unsere Zimmer zurück.
Hanna schlief bereits und ich fühlte mich schrecklich. Ich war sozusagen gerade an dem Tod von einer unschuldigen Frau beteiligt. Als ich meine Narbe an der Rippe überprüfte, stellte ich fest das sie nicht mehr blutete.
Ich verbrachte die Zeit bis zum Frühstück damit, über Frau Wendling, Nick und auch ein bisschen über Coco nachzudenken. Coco kannte ja Frau Wendling, für sie musste es am schlimmsten gewesen sein. Für mich waren noch viele Fragen offen und ich wollte noch viele Entscheidungen treffen und hatte mir vorgenommen, den größten Teil davon in den letzten zwei Tagen vor meinem Geburtstag zu erledigen.
Vor dem Frühstück noch brachte ich Hanna bei, dass zu viel schief gelaufen ist und ich ihr nicht mehr verzeihen konnte und auch das ich bereits eine neue beste Freundin hatte. Sie hatte komischerweise Verständniss dafür und sagte auch, dass wir uns erstmal aus dem Weg gehen sollten.
Wir beschlossen Frau Dixon zu fragen, ob ich für die letzten drei Tage mit bei Coco in's Zimmer und die Zimmerbewohnerin von Coco mit zu Hanna konnte.
Dann gingen alle zum Frühstück und mir wurde ganz mulmig zu Mute, Frau Wendling musste inzwischen mit in den Tod genommen worden sein. Hinter dem Frühstücksbuffet stand Frau Dixon und ich und Hanna wollten es sofort erledigen und fragten, ob das mit der Zimmerverlegung klappen würde. Frau Dixon schien sehr betrübt und stimmte zu.
Ich setzte mich nach dem kurzen Gespräch mit zu Coco und Nick an unseren Stammtisch. "Wo ist Jo?", fragte ich die beiden. "Hat bemerkt, dass ich nicht so gut zu sprechen bin und hat beschlossen, sich heute nicht zu uns zu setzen", antwortete Nick und mein Herz machte einen Hüpfer, Nick antwortete mir. Das machte meinen Plan einfacher, mich später bei ihm zu entschuldigen. "Habt ihr keinen Hunger?", fragte ich die Beiden. Beide schüttelten den Kopf und ich sagte: "Ich auch nicht." Die Beiden schienen genau so betrübt wie ich.
Ich blickte rüber zum Tisch wo sich Hanna mit vollem Tablett neben Jonny gesetzt hatte. Es war kein winziger Hauch Eifersucht in mir, ich glaube es lag daran und ich musste es mir noch eingestehen, dass ich jemand anderen liebte.
Wir saßen schweigend am Tisch, irgendwann, mitten beim Frühstück stellte sich Frau Dixon vor die Haupttür, sehr betrübt, versuchte es aber anscheinend zu unterdrücken und ließ ein lautes Räuspern durch den Saal klingen. Alles Gequassel im Saal verstummte und Frau Dixon begann zu reden: "Wie ihr mitbekommen habt ist Frau Wendling heute nicht in der Küche tätig und ich muss euch bedaucherlicherweise mitteilen, dass Frau Wendling uns heute Abend verlassen hat. Sie ist wahrscheinlich an Krebs aus dem Leben geschieden und ich würde gerne eine Schweigeminute für sie einlegen. Nebenbei bemerkt: Da es heute auch noch regnet möchte ich euch bitten, euch selbstständig zu beschäftigen, unzwar auf euren Zimmern oder hier im Saal. Wir werden auf den Tischen Spiele und ähnliches aufstellen." Ein wildes Geflüster und Gemurmel ging durch den Saal, nur unser Tisch blieb stumm und schaute gebannt auf Frau Dixon, welche sich nun noch einmal lautstark räusperte und sagte deutlich: "Schweigeminute, bitte!" Alle verstummten wieder und nahmen eine andere Haltung ein und schauten auf ihre Hände, auf das Tischdeckchen oder auf die Vase darauf worin eine Tulpe gestellt war. Diese Minute bedeutete mir und zwei weiteren Personen in dem Saal so viel, das wusste ich. Ich hätte wetten können, dass Coco sich eine Träne zurückhalten musste.