Der Kuss

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Nach dem Frühstück gingen Nick, Coco und ich in den Park. Wir redeten über Frau Wendling und ich konnte meine Fragen loswerden.

"Warum, konnte man die Seelen denn nicht wo anders einsperren?", fragte ich. "Na", sagte Coco, "Gegenstände könnten sie zerstören und irgendjemand musste sie zurück in die Schattenwelt bringen, auch wenn er dafür sein Leben geben musste."

"Meine Narben verheilen alle, ich hab trotzdem Angst davor, mich schlafen zu legen", sagte ich. "Hätte ich auch", sagte Nick zustimmend. Ich bemerkte ebend gerade erst, dass ich immernoch die Sachen von gestern anhatte. "Wenn es euch nichts aus macht", sagte ich, "ich würde gerne duschen gehen." "Ja", sagte Coco, "ich komme mit. Und was ist mit dir Nick?" Er guckte gedankenverloren zum Boden. "Nick?", fragte Coco erneut. Nick schreckte hoch und sagte dann etwas verwirrt: "Was? Oh, ähm, nein, ich bleibe noch 'n bisschen."

Ich und Coco gingen dann ins Haus und am Ende des Flurs trennten sich unsere Wege und wir verschwanden in unseren Zimmern.

"Da bist du ja!", sagte Hanna und guckte mich über ihr Buch hinweg an als ich ins Zimmer trat, "Die Mitbewohnerin von Coco hat der Umsetzung zugestimmt. Könntest du das bitte jetzt gleich erledigen? Sie meint, sie hätte noch etwas wichtiges zu tun." Ich schaute sie an und sagte: "Ja, na klar." Ich packte meine Sachen in den Koffer und die zwei Taschen.

Irgendwann klopfte es an der Tür woraufhin Hanna öffnete. Coco und ihre Mitbewohnerin kamen herein, Coco kam direkt auf mich zu und sagte: "Ich wusste davon garnichts. Komm ich helf dir." Sie nahm eine Tasche von mir und ging herüber in ihr Zimmer, schmiss die Tasche auf das Bett auf der rechten Seite des Raumes: "Wilkommen!" Ich schmiss die zweite Tasche dazu, packte in Eile meine Sachen in den Schrank, nahm Duschgel und neue Klamotten und verschwand im Bad.

Als ich etwas später vom Duschen zurückkam war Coco weg, sie musste beim Mittagessen sein. Ich hatte keine Hunger und föhnte in Ruhe meine Haare. Als sie trocken waren und ich sie kämmte kam Coco in das Zimmer, was ich zuerst etwas ungewöhnlich fand und meinte: "Nick war auch nicht da, ich saß ganz alleine da und hab mir Kartoffelsuppe hintergezwengt." "Sorry", sagte ich zu ihr und kämmte schneller meine Haare, "ich hatte keinen Hunger." "Nicht schlimm", sagte Coco und setzte sich auf ihr Bett, nahm ein Buch in die Hand auf dem Zaubertrankhilfe stand und fing an zu lesen. Ich lächelte, die Zaubereisache war immernoch so unrealistich für mich.

Ich warf meine Haarbürste auf mein Bett und sagte zu Coco: "Ich geh, muss noch was erledigen." "Klar", sagte Coco ohne von ihrem Buch abzulassen.

Ich ging den Flur der Mädchenschlafzimmer entlang, weiter geradeaus und bis zum Ende des Flurs der Jungenschlafzimmer und klopfte an der Tür. Jo machte mir auf und sagte: "Hey, geht es dir gut?" Ich blickte an ihm vorbei und sah wie Nick an die Wand gelehnt einen kurzen Blick zu mir warf und dann wieder aus dem Fenster schaute.

"Oh", sagte Jo als er sich zu Nick umdrehte, "ich lass euch dann mal alleine." Jo verließ das Zimmer und ich ging herein.

Ich lief zum Fenster am Ende des Raumes und stellte mich neben Nick, dann klappte am anderen Ende des Raumes noch die Tür zu und wir waren alleine. Ich schaute ebenfalls aus dem Fenster und sagte dann: "Dich scheint das sehr mitgenommen haben mit Frau Wendling.. Du schaust immer aus dem Fenster, wenn es dir nicht gut geht, oder?"

Nick war einen Moment still, dann antwortete er: "Es ist nicht nur die Sache mit Frau Wendling, die mich sehr mitnimmt und ich weiss, dass du weisst warum. Und ja, komischerweise schaue ich immer aus dem Fenster, wenn was in meinem Leben schief geht. Ich habe zwei Tage lang nichts anderes, neben Essen, Trinken, schlafen und sowas notwendiges getan, als mein Bruder gestorben ist. Jonny war bis vor kurzem wie ein Ersatzbruder für mich."

Mir liefen Tränen über die Wangen und ich sagte: "Du hättest ihn wieder haben können, ich habe dich gelassen, ich wollte mich nicht zwischen euch stellen. Ich finde es schrecklich das ihr alle auseinander gegangen seit nur wegen mir und dieser Narbe." In meiner Stimme hörte man etwas verheueltes und Nick wandte seinen Kopf zu mir und sah mich an, als wollte er sich vergewissern ob ich weine und dann kam er zu mir, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und sagte: "So war das nicht gemeint. Ich hätte sowas nie von ihm erwartet und das ist der Grund, wieso ich gegen ihn war. Er war so komisch zu mir und stimmte dann auch noch Hanna und Justin zu, das war dann zu viel."

Als ich nicht mehr weinte lehnte er sich wieder gegen die Wand und starrte aus dem Fenster. Dann ging ich zu seinem Bett vor dem Schrank und sah das Säckchen dort liegen, ich setzte mich hin und hob es hoch, es war leer, darunter lag der Zauberstab und ich guckte ihn mir genauer an.

"Könnte ich damit auch zaubern?", fragte ich durch den Raum und Nick kam vom Fenster weg und setzte sich zu mir. "Wohl eher nicht", sagte er, nahm mir den Zauberstab vorsichtig aus der Hand und bestastete ihn, "Ein Zauberstab sucht sich seinen Besitzer aus. Du musst dir in einem Zauberstabladen ausprobieren, welcher zu dir passt. Oder du lernst das Zaubern ohne Zauberstab, aber dazu musst du sehr begabt sein, schon von Geburt an. Ich war es nicht und zu mir passte der Zauberstab eben dieser Stab." Er packte den Zauberstab ins Säckchen zurück und starrte auf den Boden.

"Nick, ich-", begann ich zu reden und es viel mir nicht gerade leichter als er mich dann anschaute, ich guckte wieder auf den Boden, "-ich, ähm bin mir über etwas klar geworden."

"Über was denn?", hakte Nick nach und guckte dann wieder zum Boden, als erwartete er etwas Uninteressantes von mir zu hören. "Ich, oh man, wie hast du das nur hinbekommen?", sagte ich und ich bekam den Satz einfach nicht zu Ende. Jetzte guckte Nick mich an und ich ihn auch, ich war mir jetzt klar, dass er genau wusste was ich sagen wollte.

Er kam meinem Gesicht immer näher und dann vollendete er meinen Satz automatisch in dem er mich küsste. In meinem Bauch hüpfte alles und ich war so fröhlich wie noch nie. Dann schloss er seine Hand in meine und wir gingen, als gerade kein Erzieher guckte raus in den Regen und rannten rüber zum Wald.

Dann an diesen wunderschönen Ort, wo ich Nick erst richtig kennengelernt hatte, und wir setzten uns auf die Bank, wo er das erste mal mit mir gesprochen hatte und es war unglaublich, dass dieses Ereignis von jetzt nur 3 Tage trennte.

"Ich hätte es dir auch nicht noch einmal sagen können, nachdem du nach dem ersten Mal so reagiert hattest", sagte Nick und mein Bauch kribbelte als er sprach. Eine Weile saßen wir nur so rum und genossen den Augenblick, schlossen die Augen und lauschten dem Regen der auf die Blätter der vieolen Bäume prasselte. Für diesen Augenblick war ich einfach nur befreit und unendlich glücklich.

Wenig später gingen wir Hand ind Hand zurück zum Haus, niemand war draußen. Dann konnten wir uns wieder unbemerkt reinschleichen und zogen uns erstmal schnell um. Dann gab es Abendbrot, wir gingen Hand in Hand zu unserem Stammtisch und Coco und Jo guckten erst zu uns und lächelten sich dann vielsagend an.

Ich setzte mich wie immer neben Coco und Nick neben Jo. "Na ihr Beiden", sagte Jo und lächelte, er hörte sich an wie sein Bruder, als er es im Skatepark gesagt hatte. "Ja", sagte Nick zu ihm, in seiner Stimme war ein Hauch von Stolz was ich total toll fand, "jetzt darfst du das sagen." Dann boxte Nick ihn leicht in die Seite und alle am Tisch lachten.

Lissy Bell - Schreie aus der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt