Jonny

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Bis zum Frühstück hatten Hanna und ich die Zeit 'lesend' in unseren Betten verbracht. Ich wusste das Hanna genau wie ich nur nachdenklich auf eine Buchseite starrte und hin und wieder eine Seite umblätterte, damit ich denken sollte, dass sie las.

Als wir dann im Speisesaal waren, uns an einen Vierertisch gesetzt hatten und aßen setzte sich Coco neben mich und wir redeten wieder über unsere Pferde. Ich wusste das Hanna das nicht mochte, doch sie aß einfach schweigend weiter.

Später als die Jungs aus ihren Zimmern kamen schweifte Hannas Blick umher, anscheinend auf der Suche nach jemand Bestimmten.
Die Gruppe von Jungs kam in den Saal hereingewuselt und bediente sich am Buffet, dann teilten sie sich im Raum auf die Tische auf.

Ich beobachtete Hanna und plötzlich hielt ihr suchendes Auge an einem Punkt fest.
Ich folgte dem Blick und beobachtete wie ein Junge mit braunen Haaren, einem anderen hübschen Jungen mit einer blauen Mütze etwas ins Ohr flüsterte. Dann kam der Junge mit der Mütze auf Hanna zu, mein Herz klopfte etwas schneller. Ich war froh das Coco seitdem ich Hanna so anstarrte mit essen beschäftigt war.

"Wie sieht's aus Mädels?", sagte der Junge, als er am Tisch angekommen war, "kann ich mich zu euch setzen?" Hanna und ich sagten gleichzeitig "Na klar!" Coco nickte nur zustimmend, Hanna und ich wurden beide leicht rot.

Es wäre fies von mir gewesen, wenn ich mich jetzt in den selben Jungen wie meine beste Freundin verliebte, ja, dass hätte ich nicht bringen können. Nach dieser Einsicht versuchte ich normal zu wirken und aß wie alle anderen am Tisch, auch der Junge, der sich inzwischen gesetzt hatte.

"Ich bin Johannes, aber nennt mich Jonny. Wer seit ihr?", fragte der Junge und Hanna schien sich an ihrem Tee verschluckt zu haben, als er seine Frage gestellt hatte. Hanna kriegte sich aber schnell wieder ein, Coco antwortete als Erste: "Ich bin Coco."
Dann wagte ich mich zu sprechen: "Ich bin Lissy..Bell, Lissy Bell."
"Okay", sagte Jonny, wandte sich nun an Hanna, "Und du?"
Hanna wurde wieder leicht rot, Coco uns ich aßen weiter.
"Hanna", sagte sie dann, "Also Hanna Herms."

"Okay", sagte Jonny, "wie war dein Nachname?"
Er sah Coco dabei an und ich bemerkte, wie in Hanna etwas Eifersucht hoch kam, doch für mich war Jonnys Frage berechtigt, da Coco ihren Nachnamen nicht genannt hatte.
"Coco Darlings", sagte sie knapp und wandte sich uninteressiert an Jonnys Kontaktknüpfung wieder ihrem Joghurt zu.

"Und deiner?", fragte ich als Jonny nach einem Gesprächsthema zu suchen schien. "Achso, ja, Walter. Johannes Walter", sagte er und wandte sich wieder seinem Essen zu.

So langsam fragte ich mich, warum er nicht wie wild auf Hanna einredete, er war doch wegen ihr gekommen, oder nicht?

Nach fünf Minuten brachte Coco ihr Geschirr weg, wir aßen noch den Rest unseres Essens auf.
"Hey", sagte Jonny an uns gewandt, "hättet ihr Bock nachher mit in den Skatepark zu kommen? Drei Freunde wollten heute mit mir üben. Frau Witt meinte, dass heute ein freier Tag für alle ist."
Ich schaute zu Hanna, welche geschockt da saß. Am liebsten hätte ich "Reiß dich doch mal zusammen, er ist nur ein Junge!" zu ihr gesagt, aber das wäre vor Jonny zu fies gewesen. Da ich wusste, dass Hanna kein Wort rausbrachte sagte ich: "Klar, wann?"
Jonny wirkte zufrieden und sagte: "Cool, dann halb Vier im Park?"
"Wir kommen", sagte ich und um nicht rot zu werden schaute ich nicht zu Jonny sondern an ihm vorbei zu Coco, die gerade in den Flur der Mädchenzimmer verschwand.
"Cool", sagte Jonny und stopfte sich den Rest seines Toasts in den Mund, "wir sehen uns." Dabei schaute er Hanna an, nahm sein Tablett und ging.

In mir stieg keine Eifersucht auf, ich fand es nur peinlich wie Hanna völlig verträumt ausatmete und ihm hinterher schaute.
"Ist er nicht hübsch?", fragte sie mich. "Ja, klar", sagte ich und zeigte ihr mit einem deutlichen Gesichtsausdruck von vollkommener Desinteresse, dass ich nichts von ihrer Schwärmerei hielt, " aber du übertreibst!"
Ich nahm wortlos mein Tablett und brachte es weg. Dabei ließ ich eine enttäuschte Hanna zurück.

Ein wenig leid tat sie mir schon, doch ich wandte den Blick von ihr ab, ging den Flur entlang und in unser Zimmer.

Lissy Bell - Schreie aus der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt