Im Sturzflug nach unten

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„Na, hast du mich vermisst?“ sagte ich, als aus dem geöffneten Käfig die Nase von Stormfly rausschaute. Ich streichelte sie und führte sie nach draußen, damit sie sich bewegen konnte. Wie immer warf ich den Fisch nach oben und ließ sie ihn fangen, bis er alle war. Sie kam wieder zu mir zurück und schaute mich verspielt an, als ahnte sie, dass ich ihr was neues mitgebracht hatte, doch erst wollte ich ihr ihren neuen Namen sagen und sehen, wie sie darauf reagierte. Ich ging zu ihr hin und kraulte ihren Kopf.

„Ich habe einen Namen für dich. Wie wäre es, wenn ich dich ab sofort Stormfly nenne?“ fragte ich etwas flüsternd und der Nadder schien diesen Namen zu gefallen, denn er grunzte zufrieden und drückte seinen Kopf gegen meine Hand. Ich lächelte und kraulte sie unten am Kinn, plötzlich machte sie ein komisches Geräusch, ließ sich auf den Boden fallen und sah aus, als wäre sie im Himmel. Ich schaute verdutzt auf Stormfly, dann auf meine Hände, dann wieder auf Stormfly und dann wieder auf meine Hände. Langsam rappelte sie sich wieder auf und ich sah meine perfekte Chance auf ihren Rücken zu steigen. Ich streichelte sie etwas, damit sie sich Zeit ließ sich in ihrer vollen Größe auf zu stellen und sprang auf ihren Rücken, was nicht sehr klug von mir gewesen war, denn sie es war ihr neu, einen Menschen auf dem Rücken zu haben. Sofort wurde sie panisch und flog hoch. Ich bekam noch ihren Flügel zu greifen und lag auf dem Bauch auf ihren Rücken, doch lange hielt ich nicht durch. Meine Finger rutschten ab und ich rutschte von ihrem Rücken runter. Ich dachte, das war‘s, jetzt ist es aus mit mir, doch ich bekam noch den anderen Flügel zu fassen und versuchte mich daran fest zu krallen, aber nicht so stark, damit ich ihr nichts tat. Mein Herz pochte wie verrückt, doch ich hatte mich unter Kontrolle. Ich wagte einen Blick nach unten, um zu sehen, wie hoch sie flog, doch die Höhe war nicht das Problem. Das Problem war eher, dass sie ständig im Kreis flog und das immer und immer schneller. Beim Anblick des kreisenden Bodens wurde mir etwas schlecht und ich schaute wieder nach oben und versuchte auf ihren Rücken zu kommen, doch ich rutschte immer wieder aus. Sie wurde langsamer, da sie gemerkt hatte, dass ich noch an ihrem Flügel klebte, aber zu spät. Mein Griff lockerte sich vor Anstrengung, ich verlor den Halt und fiel runter.

Das einzige was ich hörte war das Pochen meines Herzens und ein Schrei, mehr bekam ich nicht mit. Ich merkte, wie ich auf den harten Boden aufprallte und zu aller Übel noch weiterschlittete, bis meine Schulter und mein Kopf an der Wand aufkamen und ich still und regungslos da lag. Mein Atem ging schwer und ich konnte mich nicht bewegen, ich wollte es wenigstens nicht versuchen. Mein ganzer Körper schmerzte, vor allem aber mein Kopf. Ich hörte wie alles pochte und knackte und versuchte zu atmen. Es war schwer zu atmen ohne gleich schmerzen zu bekommen, allein die Brust nur minimal anzuheben tat schon weh. Also lag ich da und wusste nicht, was ich tun soll. Ich kann unmöglich jetzt ins Dorf gehen, alle werden sich fragen, was passiert war und Fragen stellen und ich konnte ihnen nicht auftischen, dass ich von einem Drachen gefallen wäre, das wäre erstens sehr verdächtig und zweitens sehr unlogisch, da seit Wochen kein Drache mehr gesichtet wurde. Aber sollte ich hier liegen bleiben und auf den Tot warten? Nein! Das wollte und durfte ich nicht. Ich hatte ein Ziel, eine Mission zu erfüllen, und sie aufzugeben, wegen eines kleinen Absturzes kam mir doch ziemlich feige vor und ich war vor allem nicht das.

Ich merkte, wie Stormfly neben mir landete und sanft ihre Nase an meinem Kopf anstupste. Sie merkte, dass mit mir was nicht stimmte und stupste mich weiter an. Ich schaffte es meinen Arm zu heben und meine Hand auf ihre Nase zu legen, um ihr zu zeigen, dass ich noch halbwegs am Leben war. Ich versuchte mich auf zu setzten und Stormfly half mir dabei. Brennender Schmerz durchfuhr meinen Arm, als ich mich auf ihn abstützte. Meine Kräfte reichten nicht aus und ich drohte wieder zusammen zu brechen, als Stormfly ihren Kopf unter meinen gestützten Körper schob und mir somit den Aufprall auf den harten Boden ersparte. Langsam und vorsichtig hob sie ihren Kopf an und ich konnte mich aufrichten, auch wenn ich selbst an stellen Schmerz verspürte, bei denen ich es nie für möglich gehalten hätte, doch das war mich in dem Moment völlig egal. Ich lehnte mich an die Wand der Arena und öffnete blinzelnd meine Augen. Viel gab es da nicht zu sehen, denn es war immer noch tiefste Nacht und ich konnte nur Umrisse von Stormfly erkennen. Doch da war es wieder. Das Rascheln von Büschen und das knacken von Holz, wie am Vorabend. Meine Atmung ging flach, rau und laut. Ich wünschte ich hätte keine Schmerzen, dann wäre ich jetzt da hoch gerannt und hätte demjenigen, der feige da oben hockte und mich beobachtete, die Zähne poliert. Doch da ich von Schmerzen nur so überrannt war, konnte ich leider nichts dergleichen tun. Ich seufzte und schaute Stormfly an, der das Rascheln nicht entgangen war und aufmerksam in den Nachthimmel schaute. Ich wollte ihr gerade sagen, dass sie sich beruhigen sollte, als ich plötzlich schritte hörte. Mein Herz setzte für ein paar Sekunden aus und ich wagte es noch nicht einmal zu Atmen. Still saß ich da und versuchte zu lauschen, doch mein Herz pochte wie verrückt und es pulsierte bis in meine Ohren, jedoch versuchte ich etwas zu vernehmen und starrte Stormfly an. Die Schritte gingen um die Arena herum zu dem großen Tor. Sie waren klein und schnell. Dann blieben sie stehen. Plötzlich quietschte es entsetzlich laut und das Tor ratterte und kreischte, während es sich öffnete. Langsam drehte ich meinen Kopf zu Tor, um zu sehen, wer es war, der mich beobachtete. Zuerst konnte ich nichts erkennen, doch dann sah ich die Umrisse von jemand, den ich als allerletzten hier erwartet hätte.

Verloren und GefundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt