26 | Als die Wahrheit rauskam

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Das Internat wurde langsam zu einem Ort der Geborgenheit. Die Betonung lag dabei auf langsam. Ich war misstrauisch und ich vertraute nicht vielen. Mason und Cassy vertraute ich, wenn auch nicht gänzlich. Mir war bewusst, dass das eins meiner größten Probleme war. Aber ich hatte Angst, dass auch sie mich verlassen würden, wenn ich ihnen von meinen geheimsten Ängsten und Erfahrungen berichten würde. Ich erwartete fast, wieder enttäuscht zu werden, auch wenn die beiden mir keinerlei Grund dafür gaben, dies anzunehmen. Cassy schaffte es immer mehr, mich aus meinem Schneckenhaus herauszulocken, während Mason mir die nötige Ruhe bot. Ich fühlte mich unheimlich wohl in seiner Gesellschaft. Er gab mir das Gefühl, dass ich okay war, so wie ich war, ohne mich jemals dazu zu drängen, mehr von mir preiszugeben, als ich wollte. Und dann war da noch Kaden. Der anfangs so schweigsame Junge war zwar noch immer nicht so eine Labertasche wie meine Mitbewohnerin, wobei- wer war das schon, aber wir haben unseren Einklang gefunden. Wir redeten mittlerweile viel miteinander und auch im Unterricht musste ich in seiner Nähe nicht mehr jede meiner einzelnen Bewegungen überdenken, wenn auch Todd uns beiden immer noch gehörig auf die Nerven ging. Naja, jedenfalls bis Kaden ihm einen Schlag mitten auf die Nase verpasst hatte. Und obwohl ich Schlägereien nicht gut hieß und es Kaden einen Eintrag in das Klassenbuch bescherte, so war ich doch ein bisschen zufrieden damit.

Gerade saßen Cassy, Mason, Kaden und ich in der Cafeteria. Irgendwie wurde Kaden einfach in unser Gespann aufgenommen. Und dass er noch nicht wortlos weggegangen war musste doch heißen, dass er uns halbwegs gut leiden konnte, oder nicht?

„Wie ihr wisst", begann Cassy mit vergnügter Stimme zu erzählen, „hat dieser attraktive, freundliche, junge Mann bald Geburtstag."

Sie legte übertrieben schwungvoll um Masons Schulter und strahlte in die Runde.

„Und wisst ihr, an was ich da denke?", sie legte eine kunstvolle Pause ein, doch mir war klar, dass sie uns gleich selbst mitteilen würde, welcher Gedanke in ihrem Kopf herumschwirrte, „Party!"

Party. Mein Herz rutschte mir in die Hose. Ich war noch nie auf einer Party gewesen. Ich war nie auf einer eingeladen gewesen.

„Cassy, ich weiß nicht-"

Doch Mason wurde sogleich von seiner besten Freundin unterbrochen: „Was zieht ihr denn für Gesichter? Ihr solltet euch freuen, denn ich schmeiße legendäre Partys und für diesen Monsieur hier werde ich nur das Beste machen."

Ich schielte zu Kaden hinüber und Cassy hatte recht. Kaden schaute finsterer drein als sieben Tage Regenwetter.

„Danke, liebe Cassandra", meinte Mason ironisch und warf dieser einen vorwurfsvollen Blick zu, wonach er sich dann zu Kaden und mir umdrehte, „naja, ich will gar nicht, dass es etwas Großes wird. Ich würde einfach nur gerne in kleiner Runde etwas Zeit verbringen wollen.

„In kleiner Runde?", schnaubte Cassy, „eine Party?"

„Partys sind nicht für jeden etwas", erwiderte Mason sofort, „und mir ist es viel wichtiger, die richtigen Personen dabeizuhaben, als einen Haufen besoffener Teenies, die überall einschlafen."

Die richtigen Personen dabeizuhaben. Ein wohliges, warmes Gefühl durchströmte meinen Bauch und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Mason fing meinen Blick auf und erwiderte mein Lächeln. Ich wusste nicht, was es war, aber ich fühlte mich verstanden, ohne ihm wirklich meine Seele offenbart zu haben. Er schien zu verstehen, was in mir vor sich ging und was mir Angst bereitete. Er wollte mich dabeihaben.

Er schien zu verstehen, was in mir vorging. Oder er war einfach noch ein rücksichtsvollerer Mensch als ich ohnehin schon dachte. Ich musste wieder an meine erste Begegnung mit ihm denken. Nur seine Schuhe hatte ich gesehen und war viel zu ängstlich, um ihn überhaupt anzuschauen. Und nun saß ich hier mit ihm und niemals hat er mir das Gefühl gegeben als wäre irgendetwas falsch mit mir. Er akzeptierte mich. Und obwohl ich mir noch immer keine gänzliche Liebe schenken konnte, so schaffte er es, mich soweit zu beruhigen, mit seiner ruhigen Art, dass ich für eine Weile meine Vergangenheit vergaß. Und dafür war ich ihm dankbar. Wovon er nichts wusste.

Über das redenswerte SchweigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt