8 | Die Apokalypse der Pizza, angeführt von Cassy der Verfressenen

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„Es gibt Pizza", kreischte Cassy laut neben mir auf, als hätte sie das perfekte Heilmittel in einer Apokalypse gefunden und ich befürchtete glatt, dass mir soeben mein Trommelfell geplatzt war.

In dem nächsten Moment lief sie schon begeistert zu dem Buffet und ließ Mason und mich zurück. Seit der Treppe war ich nicht wirklich mit ihm alleine gewesen und wusste rein gar nicht, was ich zu ihm sagen sollte.

„Also, wie du nun weißt, gibt es Pizza", begann er die Konversation und ich musste grinsen, als er schmunzelnd Cassy hinterher sah, „es gibt meistens drei verschiedene Beläge, aber auch anderes warmes Essen."

Ich nickte, um zu signalisieren, dass ich verstanden hatte: „Was nimmst du?"

Er grinste: „Pizza."

Also schloss ich mich den beiden an und aß auch mal wieder Pizza. Es war lange her, dass ich die Speise zuletzt gegessen hatte.

Wenig später saßen wir zu dritt an einem Tisch und Cassy spachtelte das Essen in sich hinein, als wäre es ihr Sauerstoff, während Mason seine Pizza ordentlich in Stücke schnitt.

„Und, Jo", sprach Mason zu mir, „wie war der erste Schultag hier?"

„Gut", erwiderte ich, „die Lehrer scheinen alle nett zu sein."

Ehrlich gesagt war es beklemmend gewesen. Da das Prinzip herrschte, dass jeder Klasse eine Raum zugeteilt war, veränderte sich auch die Sitzordnung nicht. Deshalb saß ich heute den gesamten Unterricht schweigend neben meinem Sitznachbar.

Ich war es gewohnt zu schweigen. Doch bis zu dem letzten erlösenden Klingeln war ich nicht schlau geworden, was in ihm vorging. Vielleicht war er auch einfach nur panisch wie ich. Oder ich ekelte ihn an und er wollte nichts mit mir zu tun haben. Oder aber es war ihm einfach schlichtweg egal.

Fakt war, dass ich mir etliche Minuten und Stunden meinen Kopf darüber zerbrochen habe, wie ich mich ihm vorstellen sollte, bis ich irgendwann zu dem Schluss gekommen war, dass ich mich ihm sicherlich nicht mehr nach so vielen Minuten, welche wir nebeneinander verbracht, oder eben abgesessen haben, vorstellen konnte, ohne dass ich komplett bescheuert wirkte.

„Und dein Sitznachbar", hakte er nach, „habt ihr euch verstanden?"

Oh ja, wir pflegten eine äußerst innige und liebevolle Beziehung.

„Er ist seltsam", mischte sich Cassy ein, welche ihren Bauch hielt, da sie ihre Stücke in einer Rekordzeit heruntergeschlungen hat, auch wenn es mich nicht wundern würde, wenn sie sich noch mehr holen würde, „aber er sieht schon gut aus."

Warum war das eigentlich diese klischeehafte Feststellung? Man konnte Menschen doch nicht nur auf ihr Aussehen reduzieren.

Für viele mochte der erste Eindruck bedeutend viel ausmachen. Doch viel mehr achteten Menschen doch auf Gerüchte. Gerüchte, welche keine Fakten waren, sondern Tratsch.

Würden mehr Menschen anderen gegenüber voreingenommen sein und nach dem Kern der Person, nach der Essenz, schauen, dann wäre eventuell auch mein bisheriges Leben anders verlaufen.

„Etwa besser als ich", fragte Mason und gab Cassy etwas seiner Pizza ab, was sie strahlend annahm.

„Niemand kommt an dich heran", erklärte sie grinsend und schlug mit Mason in einen Handschlag ein.

Ob diese Aussage nun der Wahrheit entsprach oder sie dies nur angesichts der Pizza gesagt hat, welche ihr überreicht wurde und möglicherweise die Sinne vernebelte, vermochte ich nicht zu beurteilen.

„Und wie findest du ihn", wandte Mason sich wieder an mich.

Ich überlegte kurz: „Er ist nett."

Über das redenswerte SchweigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt